Im Laufe der Zeit hat sich die Haltung in Menagerien und Zoos grundlegend verändert. Die wichtigsten Impulse für mehr Tierwohl wurden wohl durch Carl Hagenbecks Natur- und Themenlandschaften Anfang des 20. Jahrhunderts ausgelöst.
Die Tierhaltung und die mit ihr unmittelbar verbundene Geschichte der Architektur des Zoos und ihrer direkten Vorläufer in Gestalt der Menagerien kann als Abbild des abendländischen Verhältnisses und Verständnisses zwischen Mensch und Tier angesehen werden. Denn bis ins 17. Jahrhundert hinein galten Tiere als eine Sache, die ähnlich wie eine Maschine funktionierte. Selbst der große Denker René Descartes (1596–1650), der als Begründer der modernen Philosophie und als Wegbereiter der sich auf die Ratio berufenden Aufklärung gilt, hatte Tieren noch jegliches Gefühlsleben und Bewusstsein abgesprochen: „Ihre Schmerzensschreie bedeuten nicht mehr als das Quietschen eines Rades.“
Auch wenn Ende des 18. Jahrhunderts erste kritische Stimmen gegen die weiterhin vorherrschende Auffassung von den Tiermaschinen laut wurden – die englische Philosophin Mary Wollstonecraft (1759–1797) war Hauptprotagonistin –, machte sich doch kaum jemand ernsthafte Gedanken über eine artgerechte Unterbringung der Wildtiere in Gefangenschaft. Von daher war es nicht weiter verwunderlich, dass niemand die lebenden Trophäensammlungen und die sich daraus entwickelnden Menagerien der großen Fürstenhöfe infrage gestellt hatte. Bis weit ins 17. Jahrhundert hatte es sich dabei meist um relativ weiträumig gestaltete Gehege, um natürliche Weiden für Huftiere oder Volieren für Vögel gehandelt. Auch die zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert von zahlreichen Herrschern angelegten Wildparks, die das adlige Pendant zu den sogenannten Hirschgraben waren, die in manchen Städten zur Haltung heimischen Wilds als Teile der Stadtgräben angelegt worden waren, können in diesem Zusammenhang erwähnt werden.
Den wesentlichen Wandel in der jahrhundertelangen Tierhaltung sollte dann Ludwig XIV. mit seiner Versailler Menagerie schaffen. Der Sonnenkönig hatte für seine Tiere erstmals einen gänzlich eigenständigen Baukomplex mit Gehegen, Käfigen, Volieren und Teichen errichten lassen. Die (barocke) Architektur hatte bei der Tierhaltung sozusagen Einzug in den Landschaftsraum gehalten. Im Zentrum stand ein Lustschloss, von dem sieben Tiergehege strahlenförmig ausgingen. Es war der entscheidende Schritt hin zur späteren Käfig- und Zwingerhaltung. Da die Versailler Menagerie nicht mehr erhalten ist, können Rückschlüsse über ihr Aussehen am besten anhand des nach ihrem Vorbild 1752 eröffneten Tiergartens Schönbrunn bei Wien gezogen werden. Dort hatte man allerdings im Unterschied zu Versailles schon von Anfang an versucht, eine möglichst große Artenvielfalt zu präsentieren, und daher schon früh Expeditionen nach Afrika und Amerika zum Import exotischer Tiere organisiert.
Eigenständige Gehege erstmals bei Louis XIV.
Schönbrunn wird deswegen gemeinhin als erster Zoo der Welt bezeichnet, während das Gelände im Pariser Jardin des Plantes, wo die Tiere in strohgedeckten Blockhäusern zur Schau gestellt wurden, als erster wissenschaftlich geführter Zoo der Welt gilt. Die Anlage in Schönbrunn bestand aus zwölf Gehegen mit jeweils gleich großen Tierhäusern, ihr zentraler Mittelpunkt war ein oktogonaler Pavillon, der freien Blick auf die in 13 konzentrisch angeordneten Logen ausgestellten Tiere erlaubte.
Der ständig wachsende Tierbestand hatte in Schönbrunn – wie auch in allen anderen der im Laufe des 19. Jahrhunderts europaweit aus dem Boden sprießenden Zooanlagen – zur Folge, dass die Käfige immer kleiner wurden, dass diese häufig in gleichförmigen Reihen nebeneinander und teils sogar übereinander in oft überheizten, schlecht belüfteten und meist dunklen Räumen aufgestellt wurden. Den Besuchern sollte ein direkter Vergleich zwischen den verschiedenen Spezies ermöglicht werden. Optisch und im Arrangement hatte das Ganze kaum Ähnlichkeit mit heutigen Zoos, sondern erinnerte an ein Museum – mit lebendigen Tieren anstelle von Bildern. Immerhin nahm man nach und nach eine räumliche Systematisierung nach Gattungen, Familien und Arten in Angriff, was die Einrichtung von Raubtier-, Reptilien- oder Huftierhäusern zur Folge hatte. Auch stereotype Vorstellungen von menschlichen Kulturtraditionen wurden bei der architektonischen Gebäudeplanung auf die Tiere übertragen, was sich im Bau von Moscheen-Attrappen für Dromedare, Elefanten oder Antilopen, Riesen-Zelten für Kamele, künstlichen Burgruinen für Eulen oder nordischen Holzhäusern für Hirsche oder Büffel niederschlug. Gefährliche Raubtiere blieben in verliesähnlichen Zwingern eingesperrt, Pflanzenfresser konnten tagsüber vergitterte Ausläufe benutzen, die Nacht mussten sie in engen Innenställen verbringen. Für größere Vögel gab es immerhin geräumigere Volieren.
Mit Carl Hagenbeck sollte sich für die im Zoo versammelte Tierwelt vieles zum Besseren ändern. Sein grundlegend revolutionäres Konzept bedeutete die explizite Absage an die Architektur mit ihren aufwendigen Tierhäusern und gleichzeitig eine Abkehr von der strikten Käfig- und Zwingerhaltung. Hagenbeck schwebte dabei ein Zoo mit Parklandschaften und felsigen Freigehegen vor, in dem der Besucher den Tieren in einer möglichst naturnahen Umgebung ohne störende Gitter begegnen sollte. 1907 sollte er seinen Traum in Stellingen bei Hamburg mit seinem Tierpark Hagenbeck verwirklichen, vier Jahre später folgte sein Tierpark Hellabrunn in München.
Bei Hagenbeck lebten die Tiere in sogenannten Panorama-Anlagen. Besucher und Tiere waren so nur durch Trocken- und Wassergräben getrennt. Durch den kulissenartigen Aufbau der Gehege konnte den Besuchern zumindest ein bisschen das Gefühl von in Freiheit lebenden Tieren vermittelt werden. Ein Beispiel dafür ist das Eismeer-Panorama, bei dem Eisbären scheinbar unmittelbar neben ihren natürlichen Robben-Beutetieren über Schollen kletterten.
Abkehr von Käfig- und Zwingerhaltung
Noch heute können in Hamburg aus dem Eröffnungsjahr der Affenfelsen, auf dem heute die Paviane herumtollen, sowie das Afrika-Panorama mit Löwenschlucht und einer künstlichen Felslandschaft, in der verschiedene Huftiere beheimatet sind, besichtigt werden. In Hellabrunn hatte Hagenbeck auf künstliche Felskulissen verzichtet und die vorhandenen Landschaftsformen wie Hanggelände, Auen und Bachläufe in seine Planungen mit einbezogen. Zudem hatte Hagenbeck teilweise die Tierhaltung nach der zoologischen Systematik zugunsten einer Aufteilung nach Gesichtspunkten der geografischen Verbreitung aufgegeben. Dadurch konnten die Tiere in einem sogenannten Geozoo nach Kontinenten geordnet und in naturnahen Lebensgemeinschaften in gemeinsamen Anlagen leben. Anfangs war Hagenbecks Konzept in der Zoofachwelt ziemlich umstritten, doch der riesige Erfolg beim Publikum, das keinen Blick auf die in der Naturinszenierung geschickt versteckten und weiterhin beengten Innenställe mit ihren aus Reinigungsgründen betonharten Böden werfen konnte, sollte ihm Recht geben. Hagenbeck habe „wirklich eine ganz neue Sichtweise auf das geschaffen, was Zoos sein können“, so der renommierte Zoo-Designer Jon Coe, „denn vorher gab es einen viktorianischen Park mit einer großen Reihe von Käfigen auf einer Seite. Die Idee, Panoramen mit mehreren Arten zu erstellen, die sich teilweise überlappen, die Einbeziehung von Hintergrundlandschaften in die Komposition eines Gartens, das waren große Innovationen.“
Hagenbecks Prinzip der Naturillusion sollte für viele Zoos des 20. und durch Fortentwicklung auch noch des 21. Jahrhunderts vorbildlich werden – mit einer Unterbrechung über rund drei Jahrzehnte ab den 1930er-Jahren. Da hatte man nämlich durch Hinwendung zum Funktionalismus eine sachliche, von viel Stahl, Glas und Beton geprägte, für die Tiere wieder räumlich deutlich einschränkendere Architektur mit leicht zu reinigenden Oberflächen bevorzugt. Es hielten auch technische Innovationen wie Klimaanlagen oder Hygienemaßnahmen Einzug in die Zoos. Der Pinguin-Pool im Londoner Zoo etwa gehörte zu den Vorzeige-Objekten dieser Ausrichtung.
Gleichzeitig wurde in jenen Jahren aber auch, unter Federführung des Schweizer Zoologen und Zoodirektors Heini Hediger, der neue Forschungszweig der sogenannten Tiergartenbiologie begründet, zu deren wichtigsten Forderungen die Umgestaltung der Tiergehege hin zu Territorien beziehungsweise individuellen Handlungsräumen seiner jeweiligen Bewohner gehörte. Eine Kehrtwendung im Zoo-Design setzte in den 1960er-Jahren ausgehend von den USA ein, weil dort eine generelle Kritik an der Gefangenhaltung von Tieren in beengten Käfigen (mit daraus resultierenden Verhaltensauffälligkeiten) eingesetzt hatte.
„Ab den 70er-Jahren lässt sich eine Verlandschaftlichung der Architektur einerseits und die regelrechte Einhausung der Natur andererseits beobachten“, so die deutsche Architektin und Begründerin des Instituts für Zooarchitektur Prof. Natascha Meuser. Sie erklärt: „Die Architektur verschwand aus den zoologischen Parkanlagen, und mit ihr auch die Architekten. Fortan übernahmen die Zoodirektoren vermehrt das gestalterische Ruder. Allerdings entstanden dabei nur wenige gestalterisch gelungene Beispiele. Anfang der 90er-Jahre setzten die Umgestaltungen vieler traditioneller zoologischer Einrichtungen zu sogenannten Erlebniszoos ein und markierten damit den Beginn einer neuen Bewegung in der Zooplanung. Thematisierung und Storytelling beherrschen die Erlebniszoos mittlerweile genauso wie die Freizeitparks und Spaßbäder.“
Mischformen aus Safari und Zoo
Die gnadenlose Realität der Natur und der natürliche Lebensraum jeder Spezies wird in diesen neuen Zoos natürlich lediglich angedeutet. Dabei hat sich für die Erlebniszoos inzwischen auch der Fachbegriff der sogenannten Immersionslandschaften eingebürgert. So soll das Tier nicht mehr zu einem reinen Ausstellungsobjekt degradiert werden, sondern hat sein eigenes Territorium inne – samt für die Besucher nicht einsehbaren Rückzugsmöglichkeiten und Angeboten, die Langweile entgegensteuern sollen, etwa das Entdecken von Futterverstecken oder die Betätigung an Kletterarrangements. Als geradezu ikonische Beispiele für dieses neue Zoo-Design gelten das von Star-Architekt Norman Foster im Kopenhagener Zoo gestaltete Elefantenhaus, die riesige Tropenhalle namens Gondwanaland im Leipziger Zoo, das von Jon Coe in Philadelphia umgesetzte Projekt „Zoo 360“, bei dem für große Raubkatzen ein weitläufiges Außengehege mit gleich fünf unter- und oberirdischen Gängen umgesetzt wurde, oder auch der Pariser Zoo mit seinen fünf „Biozonen“ Madagaskar, Amazonas-Guyana, Afrika, Patagonien und Europa.
Ganz im Sinne einer möglichst artgerechten Tierhaltung hat längst weltweit auch eine Diskussion um den Zoo der Zukunft eingesetzt. Dabei scheint vieles für das Motto „Mehr Platz für weniger Tiere“ zu sprechen und somit für eine Spezialisierung und Beschränkung auf bestimmte Tierarten in vielen Zoos. In China und Dubai hat man probeweise sogar schon mal den Weg in Richtung eines virtuellen Zoos eingeschlagen, bei dem den Besuchern mittels einer Datenbrille zusätzlich sogar ausgestorbene Arten wie die Dinosaurier vorgeführt werden können. Im Tierpark Cabárceno im spanischen Santander hat man schon länger die Idee einer Mischung von Safaripark und klassischem Zoo umgesetzt. Es gibt sogar Überlegungen, Tierparks zu entwerfen, in denen nicht mehr die Tiere, sondern die Besucher von einem schützenden Gehege umschlossen würden. „Die Aufgabe muss meiner Meinung nach ein Zoo im 21. Jahrhundert leisten“, so Prof. Natascha Meuser, „dass er den Besuchern nicht nur so einen Spaß-Erlebnis-Raum schafft, sondern du musst aus dem Zoo rausgehen und denken: Wie wertvoll ist mir die Natur – und ich möchte selber was dafür tun!“