Der US-Sender „Fox News“ verkaufte sich als Jubel-Plattform für Donald Trump
In der heutigen Medienwelt verkaufen sich vor allem Helden oder Schurken. Das übermenschlich Gute, das horrend Schlechte, aber auch das Bizarre, Clowneske, Sensationalistische kommen an. Fernseh- und Radiosender, Zeitungen oder Onlineplattformen erzielen damit Reichweiten – und Werbeeinnahmen.
Gelegentlich entstehen regelrechte Symbiosen zwischen Medien und schrillen Protagonisten, die mit Krawall und Klamauk für Schlagzeilen sorgen. „Fox News“, der erfolgreichste amerikanische TV-Nachrichtensender, ist so ein Beispiel. Seit 2016 bot der Kabelkanal erst dem Präsidentschaftskandidaten und später dem Präsidenten Donald Trump eine Dauer-Bühne. Trump und seine PR-Gehilfen konnten Verschwörungstheorien verbreiten, Gegner verdammen und sich selbst politisch heiligsprechen.
Es war für beide Seiten eine Win-win-Situation. „Fox News“ entwickelte sich zum Publikumsmagneten: 2,3 Millionen Zuschauer schalteten im Schnitt zur Primetime ein. Das bescherte dem Eigentümer Rupert Murdoch steigende Gewinne und Trump permanente Publizität.
Die Gebote des Qualitätsjournalismus wurden dabei mit Füßen getreten. Der Gründer des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, Rudolf Augstein, hatte einst die lapidare Forderung „Sagen, was ist“ zu einer Art journalistischem Grundgesetz erhoben. Dazu gehört, die Wahrheit aufzudecken – zumindest den Versuch zu unternehmen, sich ihr anzunähern. Dazu zählt auch, die Mächtigen zu kontrollieren. Denn wo sich Macht ballt, wächst die Gefahr des Missbrauchs.
Von diesen Standards hatte sich „Fox News“ meilenweit entfernt. Das US-Network setzte auf den Zirkus-Faktor. Trump durfte sein Narrativ von der „gestohlenen Wahl“ immer wieder wiederholen, obwohl alle maßgeblichen Institutionen im Land Joe Biden zum rechtmäßigen Wahlgewinner erklärt hatten.
Doch Murdoch und zumindest die Spitzen von „Fox News“ begingen einen entscheidenden Fehler: Sie machten sich zu publizistischen Komplizen von Trump und seinen Lügenmärchen – und zwar wissentlich. Ein Schlüsseldatum ist der 19. November 2020, kurz nach Trumps Wahlniederlage. An dem Tag schwadronierte Rudy Giuliani, der Anwalt des Noch-Präsidenten, von wilden Betrugsszenarien, gehackten Wahlmaschinen, „kommunistischem Geld“ aus China, Kuba und Venezuela.
Murdoch verfolgte Giulianis eineinhalbstündigen Auftritt live. „Schrecklicher Mist schadet allen“, schrieb er in einer SMS an Fox-News-Chefin Suzanne Scott. „Tut wahrscheinlich auch uns weh.“ Das Fatale an der Sache: Auch in der Folgezeit durfte Trump mit seiner Erzählung vom Wahlbetrug im Sender hausieren gehen. Dabei schoss er auch gegen den Konzern Dominion Voting Systems, der Wahlmaschinen und deren Software produziert. Die Starmoderatoren von „Fox News“ fungierten als Trumps Echo und behaupteten, dass Dominion damit die US-Wahlen 2020 manipuliert habe. Das Unternehmen verklagte „Fox“ daraufhin auf 1,6 Milliarden Dollar Schadenersatz.
Murdoch billigte, dass Trump bei „Fox“ eine Jubel-Plattform bekam und dass die Wahrheit verdreht, verzerrt und verfälscht wurde. Das gestand er den Dominion-Anwälten, die ihn im Januar unter Eid befragten. Zwar stritt er ab, „Fox“ als Ganzes habe Trumps Lügengespinst weitergesponnen. Doch die prominentesten TV-Gesichter des Senders hätten das sehr wohl getan.
„Ja“, räumte Murdoch ein. „Sie haben das befürwortet.“ Und: „Im Rückblick hätte ich es besser gefunden, wenn wir das stärker verurteilt hätten.“ Doch der Medienmogul hielt selbst nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 an Trump und dessen Mär vom Wahlbetrug fest. Begründung: Seine Flaggschiff-Journalisten hätten „Angst davor, Zuschauer zu verlieren“.
Dass „Fox News“ in letzter Zeit vorsichtig auf Distanz zu Trump geht, hat vermutlich nichts mit Murdochs plötzlicher Liebe zur Wahrheit zu tun. Es ist wohl eher die Sorge, dass ihm der Wahlmaschinen-Hersteller Dominion ein tiefes Loch in die Konzernkasse reißen könnte, wenn er mit seinen Schadenersatzforderungen vor Gericht durchkommt. Im April soll der Prozess beginnen.
Die Eskapaden von „Fox“ zeigen: Medien, die nur auf Knalleffekte und Emotionen setzen, riskieren, sich den Ast abzusägen, auf dem sie sitzen. Es wäre auch eine Gefahr für die Demokratie. Denn diese braucht Qualitätsjournalismus und mündige Bürger. Es ist eine Wechselbeziehung.