Immer neue Ankündigungen stürzen Verbraucher und Wirtschaft in Unsicherheit. Zuletzt haben Pläne zum Aus von Öl- und Gasheizungen verwirrt. Die Energiewende stößt an Grenzen des Umsetzbaren.
Die letzten Winterwochen waren für Mieter, Eigenheimbesitzer und Autofahrer schon anstrengend. Immer das Energie-Schwert des Damokles über dem Haupt: Gibt es Engpässe bei Gas, Öl und Sprit, und kann ich es überhaupt bezahlen? Aber das dürfte nur der Auftakt einer wahren Entscheidungs-Odyssee für Verbraucher in den kommenden Monaten und Jahren gewesen sein. Erst schreckte die Meldung Millionen Menschen auf, dass ab Januar 2024 in Neubauten keine Öl- und Gasheizungen mehr zugelassen werden sollen, und: Alte fossile Feuerungsanlagen dieser Gattung sollen nach einer maximal 30-jährigen Betriebsdauer stillgelegt und ersetzt werden. Dazu dann die Diskussion um das EU-Aus für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035. Der Trend geht also unumkehrbar zur Wärmepumpe und zum E-Auto.
Eine Meldung der Bundesnetzagentur sorgte dann obendrein für erhebliche Verunsicherung bei Menschen, die es gern warm mögen und obendrein mobil bleiben möchten. Demnach wird derzeit geprüft, den Paragrafen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes zu ändern, wonach bei Stromengpässen die bundesweiten Netzbetreiber den Strom für E-Auto-Ladesäulen und Wärmepumpen rationieren, sprich zumindest zeitweise abschalten könnten. Bei modernen Stromzählern und entsprechenden Endgeräten ist das ohne weiteres möglich. Diese erkennen dank Digitalisierung, ob es sich beim Abnehmergerät um Haushalts-, Industrie-, Mobilitäts- oder eben Strom zur Wärmegewinnung handelt. Mit dem Cut von E-Mobilität und Wärmepumpenstrom bei Energieengpässen soll die Versorgungssicherheit der Haushalte und vorrangig der kritischen Infrastruktur wie zum Beispiel Krankenhäuser oder Polizeistationen gesichert werden. Wenn mal nicht so viel Spannung auf den Leitungen ist, wird die Grundversorgung von zum Beispiel individueller Mobilität gekappt, so der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller (Grüne). Diese Strom-Rationierung für E-Autos oder Wärmepumpen soll mit Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck abgesprochen sein. Was nicht ganz unwahrscheinlich ist.
Material- und Personalknappheit
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, und sein vorgesetzter Wirtschaftsminister sind Grünen-Parteifreunde. Müller war Vor-Vorgänger von Habeck als Umwelt- und Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein.
Robert Habeck kennt die Misere am deutschen Strommarkt nur zu gut. In seinem ersten Interview als frisch gebackener Bundesminister für Wirtschaft und Klima mit FORUM warnte er bereits im Januar 2022 vor den immensen Herausforderungen an den deutschen Strommarkt: „Derzeit verbrauchen wir im Jahr um die 560 Terawatt Strom, dieser Verbrauch wird unter Berücksichtigung der angekündigten Energiewende bis 2030 auf 750 Terawatt Strom ansteigen.“ Das war gut einen Monat vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges vor einem Jahr und Habeck setzte damals noch bei der Stromgewinnung auf die Umstellung von Kohle auf Gas. Zwangsläufig hat sich das in diesen Kriegszeiten als wenig tragbar erwiesen, trotzdem weiterhin der Appell der Bundesregierung: Weg von den fossilen Energien wie Öl und Gas, hin zu den Erneuerbaren.
Die Branchenverbände aus allen betroffenen Bereichen warnen schon seit einem Jahr, dass das so nicht zu schaffen ist. Der Plan der Bundesregierung sieht vor, die Zahl der verbauten Wärmepumpen in den nächsten sieben Jahren auf sechs Millionen zu verfünffachen. Für den Deutschen Zentralverband Sanitär ist das eine absurde Zahl, die überhaupt nicht zu schaffen ist. Ganz abgesehen vom enormen Strombedarf, um diese zu betreiben. Neben der Material- herrscht Fachpersonal-Knappheit. Ganz abgesehen von dem Umstand, dass die über zehn Millionen Gasetagen-Heizungen in Miet- oder Eigentumswohnungen in den Ballungsgebieten gar nicht in dieser Zeit ausgetauscht werden könnten, da es noch keine Alternativen dazu gibt.
Zudem soll sich bis 2030 die Zahl der Elektroautos von derzeit nicht mal einer Million auf 15 Millionen entwickeln. Die große Preisfrage in der Automobilindustrie, bei Stromnetzbetreibern und Stadtplanern ist, wie die Ladeinfrastruktur dafür geschaffen werden soll. Erst müssen die Ladesäulen genehmigt und auch gebaut und dann eben auch mit Strom versorgt werden. In den Ballungsräumen könnte dies knapp klappen, wenn auch mit den angedachten Strom-Rationalisierungen bei den Ladestationen. Doch die ländlichen Räume könnten bei diesem Projekt, ähnlich wie beim Deutschlandticket, erneut abgehängt werden.
Um einen bundesweit mindestens 200 Terawatt Mehrbedarf innerhalb von nicht mal mehr sieben Jahren auf die Beine zu stellen, bedarf es dann doch erheblich mehr Kapazitäten von Überlandleitungen. Neubau von Stromtrassen über der Erde wäre naheliegend. Doch die Anwohner in den betroffenen Gemeinden fordern, unter anderem wegen der Strahlung, erdverbaute Leitungen. Das funktioniert schon seit zwei Jahrzehnten bei der erneuerbaren Energie nicht, warum sollte das nun bei der Stromversorgung für Wärmepumpen und E-Autos plötzlich gehen?
Es braucht mehr Überlandleitungen
Bundesverkehrsminister Volker Wissing gab sich gegenüber FORUM im vergangenen Herbst trotzdem überzeugt: „In sieben Jahren werden wir Auto- und Rasthöfe mit Schnelllade-Stationen versorgt haben. Es geht schließlich vor allem auch um den Güterkraftverkehr, die Logistikbranche. Die Zukunft gehört dem E-Lkw.“
Die Zweifel nicht nur an diesen hehren Zielen stehen vielen Millionen betroffenen Bundesbürgern ins Gesicht geschrieben. Ein Beispiel für viele ist die Sportlehrerin Katrin aus Grünau bei Berlin. Sie bewohnt ein Mittel-Reihenhaus im grünen Süden der Bundeshauptstadt. Alle Häuser in der nach der Wende errichteten Anlage haben separate Ölheizungen im Keller. Katrin ist obendrein Pendlerin. Ihre Feuerungsanlage steht an der Schwelle ihres 30. Geburtstags, muss dringend saniert werden. Kostenpunkt gut 5.000 Euro. Die 46-Jährige ist hin und her gerissen: Sanieren oder gleich eine neue Wärmpumpe? „Was soll das, ich baue mir jetzt für vermutlich mehr als 10.000 Euro eine Wärmepumpe ein, damit die dann in Zukunft im Winter bei einem Stromengpass abgeschaltet wird und ich sitze im Kalten. Dann kann ich auch meine Ölheizung behalten, die funktioniert wenigstens.“ Katrin erlebt immerhin den glücklichen Umstand, für die Sanierung ihrer Öl-Heizung einen Installateur gefunden zu haben, der im August anrücken würde. Nachdem die Pläne der Bundesregierung zum Aus von Öl- und Gasheizungen bekannt geworden sind, hat sie sich auf die Suche nach einem Fachmann für den Einbau einer Wärmepumpe gemacht – ohne Erfolg. Ähnlich verhält es sich mit ihrem Carport, der mit einer Wallbox ausgestattet werden soll. Ihr Polo hat immerhin auch schon 14 Jahre auf dem Buckel. Doch private Ladestationen für Elektroautos werden derzeit von ihrem zuständigen Bezirksamt Treptow-Köpenick nicht zugelassen, weil dem Versorger Vattenfall die nötigen Versorgungs-Kapazitäten fehlen, sagt Katrin. Wobei nicht ganz klar ist, woran das wiederum liegt: fehlende Mitarbeiter, Materialmangel – oder einfach an den zukünftigen Stromkapazitäten, die eine weitere Wallbox aus dem Stromnetz ziehen würde?