Bambi ist im neuen Roman der schwedischen Autorin Monika Fagerholm eine junge Frau, die in einem noblen Villen-Vorort Opfer einer Gruppenvergewaltigung wird. Doch anfangs geht es gar nicht um sie. Vielmehr steht Gusten Grippe im Mittelpunkt der Geschichte. Dass der 26-jährige Protagonist, ein begabter Gebäudemakler, Teil des Vergewaltigungsverbrechens war, ist von Anfang an klar. Gusten zieht es immer wieder in die Villen-Gegend am kleinen See. Hier ist er aufgewachsen, direkt am Ufer steht das teure Haus seines einst besten Freundes Nathan, dem ebenso begabten wie verhätschelten Einzelkind.
Erst nach der Hälfte des Romans kippt die Handlung langsam in die Vergangenheit. Wir erleben, meist in der Erinnerung von Gusten, was vor acht Jahren geschah. Die Vergewaltigung wurde unter viel Alkoholeinfluss begangen, Nathan hatte sie aber kühl vorbereitet. 17, 18 Jahre sind sie da gerade, kurz vor dem Ende der Schulzeit. Es war ein Rausch, ein alkoholischer, aber auch ein emotionaler, ekstatischer, den Gusten abwaschen, ungeschehen machen möchte.
Dass sich das Leben und seine Katastrophen nicht einfach erklären lassen, stellt Monika Fagerholm realistisch dar. Sie umkreist das Geschehen, kommt ihm und der vielschichtigen Wahrheit immer näher, führt Doppelmoral schonungslos vor, ohne zu richten.
Dabei geht sie nicht chronologisch vor und erzählt mitunter dasselbe Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven. Sie springt allerdings als Erzählerin auch von Person zu Person, sodass man sich im Text mitunter erst zurechtfinden muss. Und sie arbeitet mit optischen Zäsuren wie Kursiv- und Fettschreibung, aber auch Sequenzen in Klammern die einerseits dem Lesefluss Abbruch tun, andererseits den literarischen Text gewollt unbeholfen erscheinen lassen. Unruhiges Zappen in Stil und Form schmälern den Lesegenuss, als hätte die Autorin Angst, ihr Text könnte langweilig geraten, was aber durchaus nicht er Fall ist.