Thriller-Autor Vincent Kliesch war früher Comedian. Jetzt schreibt er die Romanreihe „Auris“, die auf Ideen von Sebastian Fitzek basiert. Am 20. April liest Kliesch in Victor’s Residenz-Hotel Schloss Berg in Perl aus dem vierten Band namens „Der Klang des Bösen“.

Herr Kliesch, der Klang des Bösen“ beginnt erst mal mit der Totalkatastrophe: Hauptermittler Hegel ist todkrank, seine große Liebe erscheint nicht zum vereinbarten Rendezvous, stattdessen ist sie umgebracht worden: Belastet das, solche maximalen Abgründe zu beschreiben?
In gewisser Weise schon. Wenn ich eine Krankheit oder eine tödliche Diagnose vom Arzt beschreibe, muss ich mich ja fragen, wann und in welcher Situation ich so was mal erlebt habe. Entweder ich selbst oder Bekannte, Freunde oder Verwandte. Ich muss mich dann so weit reinfühlen, dass die Leser merken, dass es nicht nur einfach so dahingeschrieben ist. Insofern ist das schon belastend. Ich sage immer: Schreiben ist nichts für Feiglinge!
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Thriller so erfolgreich sind, wo doch fast nur schreckliche und gruselige Dinge darin geschehen?
Ich glaube, gerade deswegen. Wir haben alle unsere Ängste – etwa, dass uns Gewalt widerfährt. Manche Menschen haben auch Angst davor, dass sie in bestimmten Situationen anderen Gewalt antun könnten. Oder die Frage kommt auf: Was wäre, wenn ich in der Gewalt eines Verbrechers wäre? Damit setzen wir uns nur gedanklich auseinander. Bücher, wie ich sie schreibe oder Filme wie „Das Schweigen der Lämmer“ geben uns eine Möglichkeit, solche Gedanken zu verarbeiten, durchzuspielen und uns dann so ein bisschen zu reinigen. Jedes Mal, wenn ich so was geschrieben habe, fühle ich mich etwas leichter und wohler und besser. Weil ich wieder so ein bisschen was von dem Grauen, das wir alle in unseren Köpfen haben, herausbekommen habe.
Solche Kotzbrocken wie Ihre Romanfigur Martin Berg gibt es ja zum Glück nur selten. Oder ist Ihnen so jemand schon mal begegnet?
Ja, aber nicht ganz so extrem. Martin Berg ist insofern interessant, weil es eigentlich nicht üblich ist, dass man eine Romanfigur immer nur von einer Seite betrachtet. Bei ihm habe ich aber im Laufe des Schreibens gemerkt, dass ich den durchgehend als Arschloch erzählen möchte. Weil es erstens mal etwas anderes war und auch, weil es hilfreich dabei war, das Rätsel größer zu machen. Wenn eine Figur so konsequent nur Arschloch ist, denkt der erfahrene Thriller-Leser: Der kann’s eigentlich nicht gewesen sein.
Kommen wir zur Beteiligung von Sebastian Fitzek: Wie kann man sich das vorstellen, was hat er Ihnen da mitgegeben?
Er hatte die Idee, ein Hörspiel zu entwickeln, in dem es um einen Phonetiker geht. Akustische Phänomene lassen sich da ja gut darstellen. Zu der Zeit hatten wir einiges miteinander zu tun. Schließlich entstand der Gedanke, dass ich begleitend zum Hörspiel ein Buch schreibe. Im Laufe der ganzen Verhandlungen kam es dann aber so raus, dass ich zunächst den Roman schreibe und der später als Hörspiel adaptiert wird. Fitzek wollte das nicht selbst machen, weil er nicht die Zeit hat, alles zu schreiben, was ihm so einfällt. Außerdem schreibt er keine Serien, während ich das schon immer getan habe.
Hat er für jeden „Auris“-Band die Idee geliefert oder nur für die Ausgangslage?
Es ist so, dass wir uns bei jedem Band anfangs zusammensetzen. Bei diesem Teil hatte er die Idee, dass ein Junge nach Hause kommt und seine Mutter in den Tod stürzen sieht. Der Sohn meint dann, den Vater als Täter erkannt zu haben. Dann stellt sich heraus, dass dieser Junge gerade drei Jahre in der Psychiatrie war und man ihm nicht unbedingt glauben kann. Dieser ganze Anfang war die Grundidee von Sebastian. Während wir beim ersten Teil bei der Entwicklung der Geschichte noch sehr eng zusammengearbeitet haben, war es beim dritten Band schon etwas weniger. Beim vierten hat er mir dann schon ziemlich freie Hand gelassen.
Das klingt danach, als sei er so was wie Ihr Mentor.
Ja. Ich hatte zwar schon fünf Bücher veröffentlicht, aber er hat mich tatsächlich noch mal so richtig trainiert, geschliffen und mir den Fitzek-Thriller-Stil beigebracht. Also ich schreibe sprachlich schon anders als er. Aber diese Art des Aufbaus von Spannung, dass in jeder Figur noch mal eine Wendung ist und dass am Ende alles noch mal ganz anders ist, das hat er mir schon beigebracht. Da habe ich eine richtig tolle Ausbildung bekommen.
Früher haben Sie auch als Comedian gewirkt.
Machen Sie das noch?
Ich verwende das jetzt noch für Lesungen. Ich fand Lesungen immer langweilig, wenn sich ein Autor hinsetzt und einfach vorliest. Also greife ich bei meinen Lesungen immer auf mein Comedy-Talent zurück. Ich erzähle dann immer noch ein paar Geschichten und Hintergründe, aber das sehr unterhaltsam.
Wie kam dieser Umschwung vom Comedian zum Thriller-Autor?

Das ist eigentlich ein ganz kleiner Schritt. Weil ein Comedian eine Geschichte erzählt und darin eine Spannung aufbaut, die sich am Ende mit einer Pointe auflöst. Der Thriller-Autor baut auch Spannung auf und löst sie dann auf mit einer überraschenden Wendung, mit etwas Erschreckendem oder Unheimlichem. Technisch gesehen ist das also das Gleiche, nur dass man einmal eine Gänsehaut kriegt und einmal lacht.
Wie sieht es mit der Reihe aus, schreiben Sie die weiter?
Tatsächlich fange ich jetzt mit dem fünften Teil an.
Also haben Sie eine längere Pause gemacht?
Ja, ich war krank im vergangenen Jahr und fiel dadurch lange aus. Ich hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs, was normalerweise unglaublich tödlich ist. Der wurde zufällig entdeckt, solange man ihn noch rausnehmen konnte. Dadurch bin ich geheilt worden, das war ein Riesenglück.
Da hat der Thriller-Autor dem Tod ins Auge geschaut …
Habe ich tatsächlich. Zwischen der Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs, an dem auch meine Oma gestorben ist, und der Bekanntgabe, dass er rechtzeitig geheilt wurde, lagen ja Wochen. Und in dieser Zeit habe ich mich mit der Frage auseinandergesetzt, wie es wäre, wenn es nicht mehr lange geht. Ja, da habe ich dem Tod ins Auge geblickt.
Waren Sie schon mal im Saarland?
Ja, und zwar 2019 zur HomBuch. Das war meine erste Anfrage aus dem Saarland. Es ist ja doch ein Stück weg von Berlin. Es hat mich aber besonders gefreut, weil es bis dahin wohl das einzige Bundesland war, in dem ich noch nie gelesen hatte.