Vor genau 35 Jahren holte Katarina Witt in einem dramatischen Eiskunstlauf-Finale in Calgary zum zweiten Mal Olympiagold. In Potsdam baute sie sich ihr eigenes Sportstudio auf. Das ZDF verfilmt das Olympia-Comeback der erfolgreichsten Eiskunstläuferin.
Katarina Witt 1988 Gold - Foto: picture-alliance / Sven Simon
Der 27. Februar 1988 ging in die deutsche Sportgeschichte ein. Millionen Menschen zwischen Rügen und Fichtelberg, aber auch in Westdeutschland, standen damals mitten in der Nacht auf, um Katarina Witts Eiskunstlauf-Olympiakür von Calgary live mitzuverfolgen. Es war ein Schlafverzicht, der sich lohnte, denn die Karl-Marx-Städterin holte in einem dramatischen Finale nach Sarajevo 1984 ein zweites Mal Olympiagold.
Insgesamt gewann sie vier WM- und sechs EM-Titel. In der DDR räumte Witt ohnehin alles ab, was es abzuräumen gab. Zwar wuchs die Sportlerin in Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz) auf und trainierte dort bei der legendären mittlerweile 94-jährigen Jutta Müller, doch geboren wurde sie 1965 im märkischen West-Staaken. Im Brandenburgischen kann man sie auch heute wieder treffen. Wir taten das und verabredeten uns in Katarina Witts Potsdamer Sportstudio „Kurvenstar“.
Ein Publikum im Alter „40 plus“ schafft hier an den Geräten. Ein Mittfünfziger nippt am Drink, andere Aktive entspannen nach der Sporteinheit in der Lounge. Die ähnelt eher einer Hotel-Lobby als dem Relax-Bereich eines Sportstudios. Wer nicht weiß, dass Kati Witt hier Chefin ist, kann kaum glauben, dass sie plötzlich am Check-in steht. „Da, wo Katarina Witt draufsteht, ist auch Katarina Witt drin“, lacht die Geschäftsführerin. Nach „Wanderjahren auf dem Eis“, so beschreibt sie augenzwinkernd ihre Ausnahmekarriere, habe sie sich in Potsdam quasi selbst den ersten festen Arbeitsplatz geschaffen.
„In Sachen Fitness habe ich eigentlich für mich selbst etwas gesucht, aber nichts gefunden“, sagt der frühere Weltstar. Daraufhin feilte Katarina Witt mit Experten am Konzept des „Kurvenstar“. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Sportgeräte und Trainingsmodus dürften in Berlin-Brandenburg ziemlich einmalig sein. Per Body-Scan werden Aktive „ausgemessen“ – danach stellen Trainer alle Geräte über Chip und Sensor individuell auf die Sportler ein. Die können Trainingsziel und -erfolg jederzeit digital verfolgen. Das individuelle Zirkeltraining dauert etwa eine Stunde, erklärt Kati Witt.
Mit ihrer offenen und herzlichen Art nimmt die prominente Chefin Gästen gleich jede Scheu. Sie verrät Tricks und gibt Tipps, die man anderswo so nicht bekommt. Neben Jogging-Runden am Tiefen See vor der Haustür, wird sie selbst zwei- bis dreimal in der Woche im Studio aktiv. Ab 9 Uhr geht’s los. Wer so früh da ist, trifft die Olympiasiegerin oft persönlich an. Auch der Reporter muss gleich ran – doch es ist einfach zu früh am Tage.
Das „Kurvenstar“ ist keine typische Muckibude und ein paar Euro teurer als andere Sportstudios. Doch der Einsatz lohnt sich. Prophylaxe sei schließlich besser als spätere Arztbesuche und teure Medikamente, so Katarina Witt. „Von allein bleiben wir nicht gesund. Von nüscht kommt nüscht.“ Das gelte gerade nach Weihnachten, so die Produzentin etlicher Eislaufshows. Gänsekeulen, Braten und Stolle? Auch die taffe Geschäftsfrau genießt an Feiertagen das volle kulinarische Programm. „Ich bin ein Genussmensch, muss dann aber wieder die Kurve kriegen“, lächelt die mehrfache Buch-Autorin. Wo gelinge das besser als im „Kurvenstar“, wirbt Witt gleich nochmal in eigener Sache. Der Name beziehe sich natürlich nicht auf weibliche Rundungen, sondern auf „die Höhen und Tiefen der Lebenskurven“ sowie Kurven auf dem Eis, so die sympathische Gesprächspartnerin.
Kati Witt ist nicht verheiratet und hat keine Kinder
In der Pandemie zog sich Katarina Witt etwas aus der Öffentlichkeit zurück, haderte auch mit Entscheidungen der Politik, die zu Lockdowns und damit zur Schließung vieler Sportstätten, auch ihres Studios, führten. „Ich hab mich schon ein bisschen eingeigelt, gleichzeitig aber Freundschaften gepflegt und mich um die Familie gekümmert.“ In der Corona-Zeit holte sie ihre Eltern aus Chemnitz in ihre Nähe nach Berlin-Brandenburg.
Privates ist Katarina Witt ansonsten kaum zu entlocken. Sie ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Anscheinend wohnt sie noch in Berlin, aber wohl nicht mehr lange. Die Ex-„Eisprinzessin“ schwärmt auffallend von Potsdam. Die Stadt habe Flair, Mythos und eine große Historie. „Und umgeben ist Potsdam von toller Natur. Schauen Sie nur rüber zum Tiefen See. Herrlich“, schwärmt die Frau, die sich selbst als unruhigen Geist bezeichnet. „Vielleicht suche ich noch nach den Wurzeln. Am Ende sind es doch immer Menschen, die dich halten.“ Brandenburg habe davon eine ganze Menge zu bieten. Mit Berlin, wo Katarina Witt lange in der Wilhelmstraße wohnte, hat die frühere Olympiasiegerin offenbar nicht mehr viel am Hut.
Welche Pläne sie noch hat? „Oje, langfristige Lebenspläne habe ich nie geschmiedet. Ging ein Fenster zu, ging immer ein anderes auf.“ Das ZDF verfilme demnächst ihr Olympia-Comeback in Lillehammer 1994. Wer Katarina Witt spielt, werde gerade in Castings ermittelt. Sie selbst berät das Filmteam. „Meine Kür lief ich damals zum Antikriegslied ‚Sag mir, wo die Blumen sind‘ – mit den Gedanken an Olympia in Sarajevo 1984, wo später in den 90ern ein furchtbarer Krieg tobte.“
Weiterhin unterstützt die Sportsfrau als Komitee-Mitglied die Vorbereitung der „Special Olympics World Games Berlin 2023“. Es handelt sich um die weltweit größte Sportveranstaltung für Athletinnen und Athleten mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung, wie Witt berichtet. Für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung setzt sie sich auch mit ihrer Katarina-Witt-Stiftung ein. Weltweit seien so bislang fast 900 Sportprojekte gefördert worden.
Zum Schluss gibt’s noch mal einen Themenwechsel: Die DDR Richtung Westdeutschland oder Westberlin zu verlassen, sei für sie nie in frage gekommen. Darüber habe sie mit Blick auf die eigene Familie und Freunde keine Sekunde nachgedacht. „Ich wäre mir wie eine Verräterin vorgekommen“, sagt sie kürzlich auch in einer Dokumentation des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Andere, denen in der DDR Grenzen gesetzt wurden, hätten dagegen Gründe gehabt, das Land zu verlassen. Für Katarina Witt traf das selbst nicht zu, wie sie sagt, Sie hatte in der DDR laut der Fernsehreportage im Osten nichts auszustehen und konnte immer wieder ins westliche Ausland reisen. DDR-Staatschef Erich Honecker traf sie auf Empfängen auch persönlich. Doch die Unterhaltungen liefen immer schleppend: „Honecker hat so genuschelt. Ich hab ihn einfach nicht verstanden“, lächelt die Frau, die eine US-Zeitung mal als „schönstes Gesicht des Sozialismus“ bezeichnete.
Eiskunstlauf sieht Katarina Witt im Fernsehen nur noch selten, wie sie auf Nachfrage erklärt. Es fehle heute an Idolen, die das Publikum an den Sport binden, wie zu ihrer Zeit. Auf dem Eis, da sei sie wirklich frei, sagt die große Katarina Witt zum Schluss nachdenklich. Es klingt so, als wäre sie gern noch ein wenig länger auf Kufen unterwegs gewesen. Vom großen Welterfolg zurück ins normale Leben scheint für sie ein Prozess zu sein, der bis heute andauert.