Union Berlin und Eintracht Frankfurt sind in der Bundesliga etwas aus dem Tritt gekommen. Im direkten Duell können die Berliner ihren Konkurrenten im Kampf um die Champions League abschütteln – und eine gelungene Generalprobe für das Pokalspiel im April feiern.
Zehn Spieltage vor Saisonschluss steht der 1. FC Union Berlin immer noch auf einem Champions-League-Platz. Und so langsam glaubt auch Geschäftsführer Oliver Ruhnert, dass die Eisernen Teil der Königsklasse sein könnten. Zumindest hat sich der sonst zurückhaltende Sauerländer zu einem „Was-wäre-wenn“-Kommentar hinreißen lassen. Er denke zwar nicht so sehr über die Champions-League-Qualifikation nach, sagte er in der „Sport-Bild“, „aber wahrscheinlich würde ich mich sinnlos betrinken – dazu reichen schon zwei Bier, mehr bin ich nicht gewohnt“. Die dürften wohl nach dem Abpfiff beim Saisonfinale am 27. Mai gegen Werder Bremen im Fall der Fälle schnell fließen. „Aber so weit sind wir noch lange nicht“, sagte Ruhnert.
In der Tat können die Verantwortlichen mit den rund 30 Millionen Euro, die allein die Teilnahme bringen würde, noch nicht fest planen. Aktuell trennt den Tabellenvierten nur das um vier Treffer bessere Torverhältnis vom punktgleichen Fünften SC Freiburg. Eintracht Frankfurt liegt auf Platz sechs und macht sich auch noch Hoffnungen auf die Champions League. Diese könnten die Unioner mit einem Sieg am Sonntag (15.30 Uhr) im Stadion An der Alten Försterei gegen die Hessen fast schon zunichtemachen. Dann hätte Union ein Polster von acht Punkten auf die Eintracht – und praktisch bereits einen Konkurrenten weniger.
Die Eintracht als Konkurrenz
Doch das Spiel ist auch aus einem anderen Grund brisant. Es ist auch eine Art Generalprobe für das Pokal-Viertelfinale am 4. April in Frankfurt. Nach dem nur knapp verpassten Pokalfinale im Vorjahr sind die Unioner besonders heiß. Sie wollen im Olympiastadion, in der Heimat ihres Stadtrivalen Hertha BSC, das Endspiel austragen, dem die Blau-Weißen seit Ewigkeiten vergeblich hinterherlaufen. Die Freude hielt sich nach der Auslosung aber auf beiden Seiten in Grenzen. „Wir wissen, dass die Eintracht extrem heimstark ist“, sagte Ruhnert, und Eintrachts Sportdirektor Markus Krösche sprach voller Respekt vom Ligarivalen und Pokalgegner: „Union Berlin ist natürlich ein schwieriger Gegner und eine absolute Topmannschaft.“
Vor dem Liga-Duell standen für beide Teams noch Highlight-Spiele im Europapokal auf dem Plan. Union Berlin wollte beim belgischen Vertreter Union Saint-Gilloise (Hinspiel 3:3) ins Viertelfinale der Europa League einziehen. Die Frankfurter reisten mit dem Handicap einer 0:2-Hinspielniederlage zum Champions-League-Duell beim SSC Neapel. Sowohl bei Union als auch bei der Eintracht hat sich eine kleine Ergebnis-Krise breitgemacht, beide Teams sind spürbar aus dem Rhythmus gekommen. „Wir haben keinen Knopf in der Kabine, wo wir den Flow einschalten können. Den Flow musst du bekommen, dafür brauchst du Selbstvertrauen, das haben wir im Moment nicht so“, sagte Eintracht-Trainer Oliver Glasner nach dem 1:1 beim Abstiegskandidaten VfB Stuttgart. Es mache aktuell keinen Sinn, auf die Bundesligatabelle zu schauen. „Wir müssen wieder mehr Selbstverständnis reinbekommen.“
Das gilt auch für Union. Beim 1:1 in Wolfsburg erzielte das Team von Trainer Urs Fischer zwar immerhin mal wieder ein Bundesligator. Doch der letzte Sieg liegt bereits fünf Wochen zurück. Das aggressive Vorwärtsverteidigen, das schnelle Umschaltspiel, die beeindruckende Kompaktheit – all das ist nicht mehr ganz so präsent wie zu Saisonbeginn oder direkt nach der langen WM-Pause. Was sich ändern muss? „Besser die Zweikämpfe bestreiten“, antwortete Abwehrchef Robin Knoche. Denn das sei die Basis für das gesamte Union-Spiel. „Wenn wir die Bälle gewinnen, geht es in der Vorwärtsbewegung auch damit in die andere Richtung“, erklärte der Innenverteidiger: „Wenn wir die nicht gewinnen, laufen wir hinterher.“ Dann gehe es nur ums Torverteidigen, und das „zehrt an den Kräften“. Und zwar so sehr, dass dann zwangsläufig Fehler passieren wie beim späten Gegentreffer beim VfL Wolfsburg. „Die Fehler zu den Gegentoren müssen wir abstellen“, forderte Knoche: „Es ist ärgerlich, dass wir es nicht über die Zeit bekommen haben.“
Ähnlich empfand es auch Sven Michel, der im Angriff etwas überraschend den Vorzug vor Jordan Siebatcheu und Kai Behrens erhalten hatte. Im Großen und Ganzen gehe das Unentschieden zwar „in Ordnung“, sagte Michel, „aber wenn du 1:0 führst, dann willst du es auch über die Bühne bringen“. Deswegen sei das Ergebnis auch „ein bisschen bitter“. Die jüngste Sieglos-Serie in der Bundesliga dürfe sich aber nicht in den Köpfen festsetzen, forderte der Stürmer. Seine Devise lautet: „Mund abputzen, weitermachen!“
Kein Kaufrausch in Sachen Kaderplanung
Dass es in Wolfsburg immerhin zu einem Punkt gereicht hat, war auch der Abgezocktheit von Josip Juranovic vom Elfmeterpunkt zu verdanken. Bei seinem ersten Tor in der Bundesliga und für Union setzte der Winter-Zugang den Ball rotzfrech mittig hoch ins Tor, während VfL-Keeper Koen Casteels sich für die aus seiner Sicht linke Seite entschied. „Ich übe das im Training. Als es den Elfmeter gab, wusste ich, wohin ich schießen würde“, sagte Juranovic. Es überraschte etwas, dass der Kroate zum Strafstoß nach einem Foul an Aissa Laidouni angetreten war, doch Trainer Fischer erklärte hinterher: „Die Reihenfolge war vor dem Spiel festgelegt.“
Juranovic hat sich als Nachfolger von Julian Ryerson, den es im Winter zu Borussia Dortmund zog, längst festgespielt. Auch Laidouni überzeugt als laufstarker und technisch versierter Mittelfeldspieler, der zwischen den Strafräumen ein immenses Pensum abspult und seine spielerische Klasse immer wieder aufblitzen lässt. Juranovic und der tunesische Nationalspieler Laidouni, die in der Winter-Transferperiode für über elf Millionen Euro nach Köpenick gewechselt sind, wären vor gar nicht langer Zeit noch unerreichbar für Union gewesen. Doch mit den Erfolgen ist auch vieles andere im Verein gewachsen: die Anzahl der Fans und Mitglieder, das TV-Geld, die Sponsoren-Einnahmen, die Gehälter und Ablösesummen – aber eben auch die Ansprüche.
„Selbstverständlich versuchen wir, Spieler zu bekommen, die wir vor zwei, drei Jahren noch nicht hätten bekommen können, für die Union mittlerweile aber infrage kommt“, bestätigte Ruhnert. Der für die Transfers zuständige Geschäftsführer betonte aber auch, dass eine Champions-League-Teilnahme in der kommenden Saison keinen Kaufrausch zur Folge hätte. Natürlich werde man das viele Geld auch dazu nutzen, „in den Kader zu reinvestieren“, sagte Ruhnert. Allein schon, um im Duell gegen Topclubs wie Manchester City oder Real Madrid möglichst wettbewerbsfähig zu sein. „Trotzdem wollen wir – was die Gehaltsstruktur betrifft –, dass die Spieler nicht zu sehr auseinanderliegen.“ Das bedeutet: Superstars werden auch zukünftig nicht in der Alten Försterei auflaufen. Ein Vorbild, wie der Spagat zwischen sportlicher Weiterentwicklung und finanzieller Vernunft gelingen kann, ist ausgerechnet die Eintracht. „Die Frankfurter haben es vorgemacht nach ihrer Champions-League-Qualifikation: Sie haben nichts Verrücktes gemacht, dazu noch Filip Kostic verkauft“, sagte Ruhnert: „Wir würden nichts auf den Kopf stellen, sondern weiter konventionell planen.“