Das Ex-Messegelände „Am Schanzenberg“ verändert seit gut einem Jahr sein Gesicht. Eva-Maria Klappauf, Tochter von Investor Josef Reichenberger, vermarktet das Gelände für die Familie. Die Vision ist ein branchengemischtes Viertel, das auch nach Büroschluss attraktiv bleiben soll.

Frau Klappauf, wie ist Ihr Vater Josef Reichenberger überhaupt auf dieses Gelände gestoßen?
Bei einem Besuch von guten Freunden im Saarland kam das Gespräch am Mittagstisch auf das Thema des Verkaufs des ehemaligen Messegeländes in Saarbrücken. Mein Vater kannte das Gelände von vorherigen Besuchen in Saarbrücken und fand es schon immer spannend. Dadurch war das Interesse geweckt und meine Eltern sind zum Gelände gefahren, um es sich anzuschauen. Und ja, erst einmal hieß es, das brauchen wir nicht, das ist zu weit weg von daheim, von Bayern. Aber mein Vater war überzeugt davon, von der Verkehrsanbindung, der Lage, dem flexiblen Baurecht, und hat die gesamte Familie über das Gelände geführt. Die Wege zur Hochschule, zum Deutsch-Französischen Garten sind kurz, wir haben eine Autobahnabfahrt, einen Radweg und den Bahnhof. Der Weg zur Innenstadt ist nicht weit. Letztlich hat er die Familie überzeugt. Also haben wir uns beworben.
Was, glauben Sie, hat die Jury von Ihrem Konzept überzeugt?
Wir finden das Gelände insgesamt zu wertvoll, um nur eine Lösung mit Hallen wie bisher umzusetzen. Daher haben wir uns getraut, ein hohes Gebäude in die Mitte des Areals zu setzen. Zusammen mit der Stadtplanung haben wir dann einen baurechtlichen Grundlagenplan in einem Wettbewerb ausgelobt. Diesen Wettbewerb hat das Architekturbüro Arus aus Püttlingen gewonnen, auf dessen Grundlage wir nun weiterbauen – im finalen Entwurf nun eben nicht mit einer Landmarke in der Mitte, sondern mit zwei geplanten Hochhäusern an beiden Enden des Geländes. Die Vision ist, einen Nutzermix aus zukunftsfähigen Branchen hier anzusiedeln und ein modernes, belebtes Quartier zu schaffen.
Wird es tatsächlich diese beiden Hochhäuser geben? Wovon hängt das ab?
Das westliche Hochhaus kann beispielsweise bis zu 16 Stockwerke hoch sein, plus ein Penthouse. Im Osten in Richtung City könnte ein zwölfgeschossiges Hochhaus stehen. Das Baurecht dafür ist vorhanden. Ein Hochhaus können wir nicht auf Verdacht bauen. Deshalb ist nun eine unserer Hauptaufgaben, entsprechenden Interessenten zu zeigen, wie wertvoll dieser Standort wirklich ist.
Einige Interessenten und Mieter konnten Sie bereits gewinnen, welche sind das?
Die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland hat bereits im vergangenen Jahr gemietet und möchte ihren Verwaltungssitz mit Kundencenter hierher verlegen. Außerdem eine IT-Firma für Unternehmensdatenanalyse, Previsionz, sowie die GSE, ein Unternehmen für biologische Nahrungsergänzungs- und Heilmittel. Produktion, Lager, Forschung und Entwicklung der GSE finden dann ebenfalls in der gegenüberliegenden Halle statt, die gerade komplett saniert wird. Mit diesen Mietern haben wir den ersten Neubau am zentralen Quartiersplatz bereits komplett vermietet, obwohl der Rohbau noch nicht mal steht. Das spricht sehr für den Standort und das Angebot, welches wir den Mietinteressenten anbieten können.
Das Saarland hat einen stabilen Mittelstand, der oftmals auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten ist, die den Arbeitsplatzanforderungen nach Corona gerecht werden und Flexibilität bieten. Diesem Bedarf möchten wir durch unseren nächsten Baustein gerecht werden, der den internen Arbeitstitel „Saarbrücken-Haus“ trägt. In diesem Bauabschnitt kann man eigene Räumlichkeiten ab etwa 200 Quadratmeter bis hin zu mehreren Tausend Quadratmetern dauerhaft anmieten. Gleichzeitig können die Mieter gemeinsam Mehrwerte wie zum Beispiel durch einen repräsentativen Empfangsbereich, große Besprechungsräume, ein kulinarisches Angebot und weitere Annehmlichkeiten je nach Bedarf in Anspruch nehmen. Ziel ist es, eine repräsentative, moderne und vernetzte Arbeitswelt „erlebbar“ zu machen. Gleichzeitig wird durch den Ausbau der Anbindungen an ÖPNV und durch die Schaffung des passenden Umfeldes eine hohe Lebensqualität und Verweildauer für die Nutzer des Quartiers geschaffen. Wir können Interessenten Flächen nach Bedarf anbieten und für eine rasche Umsetzung sorgen, weil ein äußerst flexibles Baurecht vorhanden ist. Gleichzeitig denken wir langfristig und haben keinen Zeitdruck. Uns ist wichtig die passenden Nutzer zusammenzubringen, um Qualität zu schaffen.
Wie geht es nun weiter mit dem Ausbau?

Im Augenblick beschäftigen wir uns baulich seit Mitte letzten Jahres vor allem mit dem Ausbau der Infrastruktur: neue Straßen beispielsweise, eine Hauptallee, die von Roteichen gesäumt werden wird. Die Bäume wurden gewählt, weil sie den klimatischen Veränderungen gut standhalten und eine wunderschöne Färbung im Herbst zeigen werden. Außerdem setzen wir die Sparten, wie Kanalisation, Elektroinstallationen, Fernwärme, Glasfaser und so weiter, komplett neu auf. Es wird auch eine Vorrichtung geben, um autonomes Fahren zu ermöglichen. Aber neben der baulichen und technischen Infrastruktur als Basis ist es mir wichtig, dass es auch ein ansprechendes Umfeld gibt. Deshalb planen wir eine Kita mit 90 Plätzen mit ein, im hinteren Bereich des Areals, zusammen mit Boarding-Appartements, also „Wohnen auf Zeit“. Da werden circa 50 Wohnungen entstehen, einige für Singles, andere für Familien, die man für eine gewisse Zeit lang mieten kann. Diese könnten dann auch ein weiteres Argument für hier ansässige Unternehmen sein, um leichter neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Auch soll es einen Biergarten geben – da bringen wir ein bisschen Bayern mit ins Saarland und verbinden das im besten Falle mit einem saarländischen Schwenker. Die Entréehalle und Halle 1 bleiben übrigens stehen, werden komplett saniert, und es ist geplant die Halle 1 wieder als Eventhalle für bis zu 3.000 Personen zu nutzen. Den Platz davor können wir flexibel gestalten. Damit können wir das Quartier auch abends beleben, damit es nach 17 Uhr hier weiterhin etwas zu erleben gibt.
Ist die Reaktivierung des alten Messebahnhofs eine Option für das Gelände?
Die Bahnstrecke ist zwar seit Jahren außer Betrieb. Aber sie wird noch privat und ehrenamtlich gepflegt – und keiner hat’s gewusst. Wir haben uns deshalb auch noch mal mit Christian Jürgens getroffen und uns bedankt dafür, dass das alles noch so gut in Schuss ist. Das alte Bahnhofsgebäude musste abgerissen werden, weil es einsturzgefährdet war. Aber wir haben von der Deutschen Bahn das Gelände gekauft, auf dem es stand. Der Bahnsteig verbleibt bei der Bahn. Jetzt stehen wir mit der Stadt und dem Land in Verhandlungen darüber, was wir verkehrstechnisch machen können. Eine Möglichkeit als Baustein der Strecke wäre eine reaktivierte Rosseltalbahn, hier gibt es ja seitens des Landes einen laufenden Untersuchungsprozess. Von der anderen Seite könnte die Bahn vom Hauptbahnhof aus in fünf Minuten hier sein.
Wie wird es mit Parkplätzen aussehen?
Diese bauen wir nach Bedarf. Nicht jedes Gebäude wird eine eigene Tiefgarage brauchen, denn wer weiß, was sich die nächsten 20, 30 Jahre verkehrstechnisch tut? Parkplätze an den Gebäuden wird es natürlich geben, aber vor allem planen wir direkt an der Autobahn ein architektonisch interessantes größeres Parkhaus, das auch als Lärmschlucker für die dahinterliegenden Gebäude dienen soll. Der individuelle Personenverkehr wird sich in Zukunft verändern, daher sind jetzt schon zwei Bushaltestellen und ein neu geführter Radweg, der Teil des Saarlandradweges beziehungsweise Leinpfads wird, vorgesehen. Auch führen wir Gespräche bezüglich der Umsetzung eines autonomen Shuttles.
Haben Sie vor, sich auch nach der neuen Bebauung am Schanzenberg zu engagieren?

Wir sind hier nie am Ende, denn es soll ein neues Stadtquartier entstehen. Leben ist Wandel und wir sehen „Am Schanzenberg“ ein Entwicklungspotenzial für rund 125.000 Quadratmeter Nutzfläche in den nächsten zehn bis 15 Jahren. Wir möchten das Areal im Unternehmensbesitz halten. Dies bedeutet, dass wir uns langfristig engagieren und generationsübergreifend denken. Daher können wir neue Gebäude nach Wunsch der Nutzer passgenau umsetzen, und gleichzeitig schenkt diese Denkweise uns die Möglichkeit, schnell und agil auf Veränderungen reagieren zu können. Unser Projekt soll ein kleiner Baustein dessen sein, was den Standort Saarbrücken künftig stärkt.
Auch beim Bau?
In der Zusammenarbeit mit Architekten und Baufirmen bleiben wir regional: Zunächst haben wir einen Architekten aus München mitgebracht, der uns beim Start und beim ersten Neubau für die AOK und die GSE unterstützt, da der erste Baustein sitzen muss. Bei den weiteren Gebäuden setzen wir größtenteils auf Unternehmen aus der Region. Die Zusammenarbeit mit diesen ist sehr konstruktiv und macht meinem Team und mir Freude. Darauf wollen wir weiter bauen.
Sie halten das Gelände im Unternehmensbesitz. Das heißt auch, dass es ein Privatgelände bleibt?
Ja. Das war der Wunsch der Stadt, damit das Gelände insgesamt in einer Hand bleibt.