Am Ende der Sonne ging es ums Geld. Und um die Technologie. An der Auffahrt zur Serienfertigung sollte die Community Schicksal spielen. Doch die Macht der Finanzen war nicht mit einem bezahlbaren Solar-Elektroauto Sion aus der Gründer-Garage.

Der Traum von einem sonnengeladenen, bequemen, sicheren, komfortablen, effizienten und bezahlbaren Fünfsitzer-Familienelektroauto war einmal: Von einer solar gewordenen Mobilität, die ihre Energie für den grauen Alltag klimafreundlich aus der Sonne bezieht. Manifestiert in einem Solar Electric Vehicle (SEV), das sich selbst lädt.
Ein Abhängiger des Aktienkurses und der Finanzmarkt-Ratio zu sein, das passte nicht so recht zum (Vi)sion-Auto Sion. Nicht zum Start-up-Traum vom gelebten Klimaschutz, der um sein Moos-Interieur als natürliche Klimaanlage waberte. Nicht zum Anspruch einer Synthese aus innovativer Hightech mit Solarmodulen in der Haut und umweltverständiger Moral, die sich auch Normalbürger für eine CO2-sparsame Mobilität leisten können.
So schön der Traum, so grausam das Erwachen – nach mehr als zehn Jahren investierter Arbeit in Prototypen bis hin zum verkehrstauglichen, vom TÜV abgenommenen, seit Monaten bereits vorserienreifen Modell. Ab Sommer sollte in Finnland produziert werden. Nach Crashtests im Land der Sonne, Italien, wollte das einst von Jona Christians, Navina Pernsteiner und Laurin Hahn gegründete Sion-Projekt im hohen Norden ins Leben starten.
Zielmarke wurde nicht erreicht
Eine Gemeinschaft der Gutwilligen war die Community. Was 2019 wundersam gelungen war, funktionierte nach dem Gang an die Börse nicht mehr gut genug: ausreichend Fans, Anzahler und Investoren zu bewegen, ihre letzten Groschen zusammenzukratzen. Damit in der Sonnenauto-Garage, in die zum Ende des Sions um die 400 Mitarbeiter passten, nicht die Lichter ausgingen. „Trotz der mehr als 45.000 Reservierungen und Vorbestellungen für den Sion waren wir gezwungen, auf die anhaltende Instabilität der Finanzmärkte zu reagieren und unser Geschäft zu verschlanken. Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen“, teilte das Unternehmen am 24. Februar mit.
Es reichte nicht. Dabei hatten sich Jona Christians und Laurin Hahn in einem Motivationsvideo mit dem Titel: „Wir haben es geschafft. Das ist vielleicht das Ende des Sion“, zum Start ihrer #savesion-Kampagne Ende 2022 hochemotional ins Zeug gelegt. Die beiden im Unternehmen verbliebenen Gründer tourten durch viele Städte zu ihren Anhängern, den „Pionieren“, warben für Spenden und Reservierungen. Eine Abstimmung mit dem Geldbeutel über die Zukunft des Sion stand an. Es ging darum, in die Produktion zu starten – oder den sonnendurchwärmten Traum endgültig platzen zu lassen.

Schwierige Botschaften richteten zwei der ursprünglich drei Gründer im Video an ihre Community. An die treuen Fans, deren Kinder nach all den Jahren allmählich der Mitfahrt im erträumten, klimafreundlichem Familienauto entwuchsen. Eine war: „Wir sitzen hier, weil wir sagen, wir können es nur gemeinsam mit Euch schaffen. Wenn wir es schaffen, dann ziehen wir es durch – bis zum Ende.“
Die Zielmarke lag bei 3.500 neuen Reservierungen. Von Beginn der Kampagne im Dezember 2022 bis zum 26. Januar verzeichnete Sono Motors mehr als 1.500 neue private Reservierungen für den Sion. „Die Entschlossenheit, die wir in Tausenden von Anrufen, E-Mails und persönlichen Gesprächen mit der Community spüren, kombiniert mit den interessierten Rückmeldungen zahlreicher potenzieller Investoren, bestärkt uns darin, sowohl die Kampagne als auch unseren Kampf für den Sion fortzusetzen – unsere erschwingliche, klimafreundliche und einzigartige Mobilitätslösung“, sagte Laurin Hahn, Mitbegründer und CEO von Sono Motors, anlässlich einer Verlängerung der 50-tägigen Entscheidungsfrist bis – eigentlich – zum 28. Februar. Dennoch war bereits kurz nach Aschermittwoch alles vorbei für das Sonnenauto, dessen Solarzellen einspannende Karosseriehaut in Mattschwarz nunmehr Trauer trägt.
Die Technologie lebt weiter
Voller Blues um den Traum dreier Abiturienten vom pragmatischen Sonnenauto, der 2012 in einer Garage begonnen hatte und 2023 mit einem verkehrstauglichen Fahrzeug endete. Das von ihnen nicht in Serie gebaut werden wird. Das Ende des Sion soll 90 Prozent des Finanzierungsbedarfs für 2023 von den Schultern des Unternehmens nehmen.
Die Technologie, mit Solarmodulen auf dem Fahrzeug während der Sonnenstunden bei der Fahrt Energie zu laden, lebt und soll idealerweise künftig Gewinn fürs verkleinerte Unternehmen erwirtschaften. Auf den Gefährten anderer. Die Sonnenhaut ist gerettet.
Die Solarlösungen des Unternehmens, bestehend aus Hardware wie Leistungselektronik und Software, sollen bereits von 23 Geschäftspartnern in Europa, Asien und den USA eingesetzt und in einer Vielzahl von Fahrzeugen, darunter Autos von anderen OEMs, Busse, Kühlfahrzeuge und Wohnmobile, getestet werden, heißt es vom Unternehmen. Sono Motors arbeite derzeit als Entwicklungspartner und Zulieferer mit Unternehmen in zehn Märkten in Europa, Asien und den USA zusammen. Unter anderem mit Mitsubishi Europe, Chereau und den beiden Volkswagen-Tochterunternehmen Scania und MAN Truck & Bus.

„Auch wenn wir mit dem Sion-Programm unser ursprüngliches Herzensprojekt einstellen mussten, bietet uns die Verlagerung unseres gesamten Fokus auf B2B-Solarlösungen die Möglichkeit, weiterhin innovative Produkte in der Solarindustrie zu entwickeln“, sagte Laurin Hahn. In Zukunft will sich Sono Motors speziell auf Busse und Autos von anderen OEMs konzentrieren, hieß es ergänzend.
„Deshalb ist es unsere Mission zu sagen, wir wollen jedes Fahrzeug da draußen mit Solar ausstatten“, betonte Mitgründer Jona Christians im Sion-Abschiedsvideo nach dem Aus. Beispielsweise soll die nächste Generation des „Solar Bus Kit“ – einer „massentauglichen Nachrüstlösung für einen umweltfreundlicheren ÖPNV“ – eingeführt werden. Zusätzlich beabsichtige Sono Motors, das Sion-Programm zu verkaufen.
Für die visionäre Route des Sonnenautos reichte es im Februar 2023 bei Sono Motors nicht mehr. Die Gründer trennten sich vom teuren Autobau. Sie folgten dem Rat der Finanzstrategen, konzentrieren sich nunmehr mit einem Viertel der Belegschaft auf die Nachrüstung und Integration von Solartechnologie. Mit ein wenig Glück vermeiden sie so die in früheren Krisen befürchtete Abwanderung von Technologie-Know-how und Patenten. Die zweite Sono-Sparte übernimmt mit Solarpanels für Drittanbieter: „Obwohl Sono Motors das Sion-Programm eingestellt hat, wird das Unternehmen weiterhin seine patentierten Technologien für das laufende Nachrüstungs- und Integrationsgeschäft nutzen“, heißt es dazu.
Von der Technologie ist man, den offiziellen Verlautbarungen zufolge, bei Sono Motors nach wie vor überzeugt: „Die Erfolge im Rahmen des Serien-Validierungsprogramms des Sion mit 18 Fahrzeugen waren nach Ansicht des Unternehmens Beweis dafür, dass das Konzept eines Solar-Elektrofahrzeugs (SEV) funktioniert. Kurz vor dem Eintritt in die Vorserienproduktion war der Sion auf dem besten Weg, die Solartechnologie in der Automobilbranche zu revolutionieren.“
Auch der für das operative Geschäft zuständige Führungsmanager geht. „Leider endet meine Aufgabe bei Sono Motors, das erste bezahlbare Solar-Elektroauto zu bauen. Ich bin persönlich überzeugt, dass wir früher oder später viele SEVs auf der Straße sehen werden, auch ohne den Sion“, sagte Thomas Hausch, COO von Sono Motors. „Das Unternehmen und die Gründer werden die Vision einer Welt ohne fossile Brennstoffe weiterverfolgen, auch mit dem neuen Fokus. Das stimmt mich positiv für die Zukunft.“
Für Sion-Reservierungen, die vor der #savesion-Kampagne angezahlt wurden, habe das Unternehmen einen Plan: „Dieser sieht die Rückzahlung in mehreren Raten zuzüglich eines Bonus über die nächsten zwei Jahre vor, beginnend mit der ersten Rate im Mai 2023“. Die Beträge sämtlicher Zahlungszusagen, die seit 8. Dezember 2022 im Rahmen der #savesion-Kampagne getätigt wurden, werde Sono Motors nicht einziehen.
Unterstützung aus Politik vermisst

Mangelte es an staatlicher Förderung? Hätten die jungen Gründer ohne eine Milliarde auf dem eigenen Sparkonto nie anfangen sollen, ein Auto zu bauen, dessen Karosseriehaut wild auf reichweitenverlängernde, kostenlose Sonne ist und das dennoch nicht umsonst zu produzieren sein kann?
Erst kürzlich habe sich Sono Motors eine Finanzierung in Höhe von 1,46 Millionen Euro von der Europäischen Exekutivagentur für Klima, Infrastruktur und Umwelt (Cinea) gesichert, um die Entwicklung der unternehmenseigenen Solartechnologie voranzutreiben, hieß es in einer Pressemitteilung von Ende Januar. Versehen mit einem Hinweis: „Die oben genannten Cinea-Mittel werden ausschließlich für die mit den Projektpartnern und der Europäischen Kommission vereinbarten Aktivitäten des Seamless-PV-Projekts verwendet und werden nicht für andere Aktivitäten eingesetzt.“
Im Sion-Abschiedsvideo sprachen Laurin Hahn und Jonas Christians an, dass aus der Politik kaum Unterstützung gekommen sei. Trotz einer Vollzeitstelle, die nur für Förderungen da war. „In Summe haben wir rund 3,3 Millionen Euro Fördergelder von der EU, dem Bund und vom Freistaat für sieben Projekte erhalten. Davon rund 1,1 Millionen Euro vom Bund und dem Freistaat“, teilte der Pressesprecher des Unternehmens auf Nachfrage mit. Sono Motors, hervorgegangen aus einer Garage, hatte zwei Sparten. Das Visions-Auto parkt jetzt auf einem dunklen Abstellplatz, aber die Solartechnologie für Fahrzeugaußenseiten bleibt im Licht. Die Fans des Sion können sich auf ein Wiedersehen mit der Sonnenhaut freuen. Vielleicht.