Das Projekt Europa hat manche Um- und Seitenwege gehen müssen, aber immer mit dem klaren Ziel: eine freie Welt ohne Grenzen, in Frieden und Demokratie. Die „Via Democratia Europa“ führt von Straßburg bis Brüssel, mit vielen Zwischenstationen. Ein Reiseführer der besonderen Art, der auf 850 Kilometern fünf Länder verbindet.
Winston Churchill hat viele kluge Sätze gesagt, die noch heute zitierfähige Gültigkeit haben. Ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs betonte er im Blick auf eine europäische Friedensordnung: „Der erste Schritt zur Widerherstellung einer Familie europäischer Nationen muss der Beginn der deutsch-französischen Verständigung sein.“ Es sollte dann noch mehr als eineinhalb Jahrzehnte dauern, bis die Aussöhnung der einstigen „Erbfeinde“ im Elysée-Vertrag feierlich besiegelt wurde. Ein Kernbaustein auf dem Weg zur Europäischen Union.
Der erste große Schritt war 1951 die sogenannte „Montanunion“, die Europäische Gemeinschaft Kohle und Stahl (EGKS). Die Idee von Robert Schuman, damals französischer Außenminister, war, durch Vergemeinschaftung und damit gegenseitige Kontrolle der kriegswichtigen Güter Kohle und Stahl innereuropäischen Frieden zu sichern. Das europäische Friedensprojekt nahm dort seinen Anfang, wo sich zuvor in zwei Weltkriegen fürchterliche Schlachten abspielten, an den Grenzen zwischen Deutschland, Frankreich und den Beneluxstaaten.
EU-Geschichte „er-fahren“

Genau in dieser Grenzregion liegen auch die zentralen Institutionen der heutigen EU: das Parlament in Straßburg, Gerichte in Luxemburg und die Kommission in Brüssel, Gewaltenteilung eines demokratischen Projektes. 850 Kilometer auseinander, eine Strecke, auf der auch weitere mit der Entwicklung dieses einzigartigen Projektes verbundene Orte liegen: Aachen, Schengen, Maastricht – und das Saarland mit seiner symbolhaft-wechselvollen Geschichte mittendrin. Jeder Ort steht für sich, seinen Teil der Geschichte. Richtig spannend wird das, wenn man es als „Europastraße der Demokratie“ erlebt. Diese Idee hat sich ein privater Verein zu eigen gemacht. Vor gut zwei Jahren, schildert Gerhard Laux, hätte sich im Gespräch mit dem saarländischen Schriftsteller Gerhard Bungert die Vorstellung entwickelt, diese Geschichte einer „Via Democratia Europa“ in ihren vielen Facetten und Stationen im wörtliche Sinn „er-fahrbar“ zu machen. Das Ergebnis liegt jetzt als ein Reiseroutenführer der besonderen Art vor.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen würdigt in einem Vorwort das Projekt als „Kompass“, mit dessen Hilfe man sich den unterschiedlichen Aspekten nähern könne: „der kulturellen Tiefe und Schönheit unserer Gemeinschaft, aber auch ihren Wurzeln und dem schrittweise Entstehen der Verfassung unseres heutigen Europas. Wer sich auf den Weg macht, kann nachempfinden, dass Weitsicht, Mut und Ausdauer notwendig waren, um unsere Europäische Gemeinschaft zu bauen.“
Die Würdigung von höchster Stelle gilt vor allem dem ungewöhnlichen Ansatz, weit mehr als die bekannten europäischen Stationen und Sehenswürdigkeiten vorzustellen. Die „Via Democratia Europa“ führt insgesamt durch eine große Grenzregion, zu der neben ihrem faszinierenden historischen Erbe mit glanzvollen Höhepunkten ebenso ernste Mahnmale wie der Soldatenfriedhof von Verdun und der Westwall beziehungsweise die Maginot-Linie gehören.
Eindrucksvolle „Stationen der europäischen Integration“, nennt es der langjährige Europaabgebordnete Jo Leinen. „Eine Reiseroute durch ein friedliches und grenzfreies Europa, sagt Timo Stockhorst, Vorsitzender der Jungen Europäischen Föderalisten Saarland. Die „Via Democratia Europa“ verlaufe „dort, wo alles angefangen hat“, und zeige gleichzeitig, „was weiterhin entsteht und was wir jeden Tag leben“. „Entdecken, was verbindet“, heißt folglich auch das Motto dieses besonderen Reiseführers.
Einzigartiger europäischer Weg
Der lässt sich vielfältig nutzen. Als detailreicher Führer „durch schöne Landschaften mit einer Vielzahl von Sehenswürdigkeiten und einem besonderen, regional-multinationalen Flair“, sehr übersichtlich, mit empfohlenen Stadtrouten an den großen Stationen auf diesem besonderen Weg durch Europa, ergänzt durch viele sehr spezielle Tipps, die deutlich machen, dass jede Station für sich schon einen Tag (oder mehr) lohnt. Was nicht zuletzt auch dadurch unterstrichen wird, dass jede der Regionen auf der Strecke mit kulinarischen Spezialitäten aufwartet, „zwischen Sauerkraut-Pol im Süden bis Pommes-frites-Pol im Norden“, so formuliert es Peter Michael Bitz, einer der Autoren des Reiseführers. Testen lässt sich das nach den Etappen-Empfehlungen wahlweise für Auto-, Motorrad-, Wohnmobil- sowie Radfahrer.
Was die „Via Democratia Europa“ zusätzlich auszeichnet, ist, dass mit den begleitenden Informationen über 850 Kilometer durch fünf Länder erlebbar und spürbar wird, was Europa mit seinen großen gemeinsamen, aber regional sehr ausdifferenzierten Wurzeln zu einem einzigartigen Projekt macht: Wie aus den Jahrhunderten von Feindschaften, Kriegen, Grenzverschiebungen, Aufteilungen und Zersplitterungen ein Ort des Zusammenlebens mit gemeinsamen Werten und Ideen und einer gleichzeitig reichen regionalen Vielfalt gewachsen ist.