Mithilfe einer Nationalen Wasserstrategie will die Bundesregierung die deutsche Wasserwirtschaft klimafest aufstellen. Kritik aber gibt es von Experten: Ein deutlicher Vorrang für die Trinkwasserversorgung vor Unternehmensinteressen sei nicht zu erkennen.
Es sind vor allem die vagen Aussagen innerhalb der Nationalen Wasserstrategie, die Kritiker auf den Plan rufen. Viel Konkretes hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) nicht vorzustellen. Zunächst ist die Nationale Wasserstrategie eine Zusammenstellung von Absichtserklärungen und Prüfaufträgen ohne konkrete Adressaten. Aber immerhin schaffte es das Thema Wasser in die Nachrichten, wie Monate zuvor die Dürre, wie schon in den vergangenen Jahren der Wassermangel in einigen Regionen Deutschlands. Das könnte ein Fortschritt sein. Dennoch gibt es Kritik. So wie das Papier nun aussehe, dürfe es nicht Gesetzesform annehmen, heißt es.
Einheitliche Entnahmepreise
Laut der Nichtregierungsorganisation Campact, die sich für eine zukunftssichere Trinkwasserversorgung engagiert, sei die Strategie voller Kompromisse. Offenbar wurden einige Passagen aus dem Entwurf gestrichen. So fehlt eine Passage, nach der nur so viel Grundwasser entnommen werden darf, wie neu gebildet wird. Außerdem werde Konzerninteressen, etwa den Mineralwasserherstellern, Vorrang vor den Bürgern gegeben, sagt Campact. Laut dem Bundesumweltministerium sei dies in der nationalen Strategie jedoch nicht der Fall, und auch bereits im aktuell geltenden Wasserhaushaltsgesetz klar zugunsten der Bürger geregelt. Ein Rechtsgutachten des Instituts für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht an der Universität Trier bestätigt die gesetzliche Verankerung nicht jedoch die Vorrangstellung. In Auftrag gegeben wurde das Gutachten bereits 2019 vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches, dem Branchenverband von Gas- und Wasserversorgern. Das Problem: Komplexe Formulierungen führten dazu, dass „die über 800 Wasserbehörden die rechtlichen Bestimmungen nicht einheitlich umsetzen“.
Das könnte sich mit der neuen Strategie jedoch ändern. Das Strategiepapier des Bundesumweltministeriums könnte nun den Anstoß dafür bieten, sowohl alle Bundesländer mit ins Boot zu holen als auch die Entnahmearten einheitlich mit einem Preisschild zu versehen.
Deutschlandweit soll es laut dem Strategiepapier nun Verbundleitungen geben. Wasser aus wasserreichen Regionen soll in wasserärmere geleitet werden, sollte dies aufgrund von akutem Wassermangel nötig werden. Dies ist in einigen Regionen Deutschlands bereits heute der Fall. So haben beispielsweise in der Region Würzburg-Schweinfurt mehrere Wasserversorger eine 26 Kilometer lange Verbundleitung gebaut, um die relativ wasserarme Region im Notfall versorgen zu können.

Neu aber ist der einheitliche „Wassercent“. In 13 von 16 Bundesländern müssen Privatunternehmen, die Wasser aus natürlichen Quellen entnehmen, bereits jetzt schon Geld zahlen. Bayern, Hessen und Thüringen aber haben sich dagegen entschieden. Bayern gilt als eine der wasserreichsten Regionen Deutschlands. Die Regelungen sind unterschiedlich, die Höhe der Wasserentnahmeentgelte ebenfalls. So kosten laut einem Gutachten des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Niedersachsen Entnahmen aus dem Grundwasser zur Berieselung von Feldern 0,7 Cent pro Kubikmeter, zur Kühlung aber 3,7 Cent. In Berlin kostet die Entnahme aus dem Grundwasser generell 31 Cent, die Entnahme aus Oberflächenwasser jedoch nichts. Auch im Saarland muss für Entnahmen aus dem Oberflächenwasser nichts gezahlt werden, Grundwasserentnahmen aber kosten je nach Zweck zwischen einem bis zwölf Cent pro Kubikmeter.
Dem Umweltbundesamt zufolge entfielen von den deutschlandweit genutzten 20 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2019 44,2 Prozent auf den Energiesektor. Das meiste Wasser wird zur Kühlung verwendet und dann wieder in Flüsse abgeleitet, wo es jedoch wegen der Temperaturunterschiede schädlich sein kann. Bergbau und verarbeitendes Gewerbe entnahmen zusammen 26,8 Prozent – genauso viel die öffentliche Wasserversorgung. 2,2 Prozent wurden für die Beregnung landwirtschaftlicher Flächen genutzt.
Das natürliche Wasserangebot in der Bundesrepublik aber ist sehr ungleich verteilt: So ist den Fachinformationen des Umweltbundesamtes zufolge in den Gebirgsregionen Süddeutschlands zehn- bis zwanzigmal mehr Wasser verfügbar als im trockenen Brandenburg. „Zwar herrscht in Deutschland im Mittel kein Wasserstress“, schreibt das UBA, „jedoch gibt es regionale und saisonale Unterschiede“. Der Niederschlag sei sehr ungleich verteilt: Im Osten und Nordosten Deutschlands fällt im Durchschnitt weniger als im Westen und Süden. Wenn mehr als 20 Prozent des verfügbaren Wassers vom Menschen genutzt wird, spricht man von Wasserstress. Dann kommt es nach Expertenangaben zu Problemen für Umwelt und Wirtschaft: Moore und Feuchtgebiete können austrocknen, Wälder können unter der Trockenheit ächzen.
Wasserarme Regionen versorgen
Konkret beinhaltet die Nationale Wasserstrategie ein Aktionsprogramm mit rund 78 Maßnahmen, um das Wassermanagement moderner zu gestalten. Hierbei stellt sich die Frage der Prioritäten im Fall einer Wasserknappheit. „Für mich hat ganz klar die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, sollte eine Mangelware auftreten, Priorität“, sagt die Umweltministerin. „Aber selbstverständlich gibt es auch andere Wasserbenutzer, die dann versorgt werden müssen.“ Beispielsweise Krankenhäuser, Schulen oder Kindergärten. Gemeinsam mit den Ländern sollen nun Leitlinien entwickelt werden, wie die Nutzungsansprüche in Fällen von Wasserknappheit aussehen würden. Das kann konkrete Auswirkungen auf aktuelle Debatten haben – das Tesla-Werk in Brandenburg etwa verbraucht so viel Wasser wie 30.000 Haushalte und steht in einem relativ wasserarmen Gebiet. Laut dem Recherchekollektiv Correctiv landen seit Jahren vermehrt Fälle vor Gericht, in denen die Vorrangstellung von Trinkwasser für die Bürger und Entnahmen durch Unternehmen im Widerstreit stehen.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert nun, den Vorrang für Trinkwasser in der Wasserstrategie noch deutlicher herauszuarbeiten. „So muss die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch bei der Nutzung von Trinkwasserressourcen immer an erster Stelle stehen“, sagt Hauptgeschäftsführer Martin Weyand. „Essenziell ist zudem mehr Transparenz bei allen Arten der Wassernutzung.“ Es müsse klar sein, wie viel Wasser in welchem Bereich verwendet werde, um Nutzungskonflikte frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.