Vivaldi, Tango, Akrobatik – Salut Salon unternehmen rasante Reisen durch die Welt der Musik. Die vier Hamburgerinnen bieten mitreißende Shows an klassischen Instrumenten. Nun feiert das einzigartige Quartett sein 20-jähriges Bestehen.
Klassischer Anspruch, in eine geistreiche Show gepackt – mit dieser Gratwanderung sind Salut Salon seit zwei Jahrzehnten auf Erfolgskurs. 2016 gab es einen Echo-Preis in der Kategorie „Klassik ohne Grenzen“. Ihre akrobatische Version des „Sommers“ aus Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ ging viral und wurde auf Youtube mehr als 37 Millionen mal angeklickt.
Der Stilbruch ist bei Salut Salon Programm, wobei die Perfektion nicht auf der Strecke bleibt. Das hochvirtuose Spiel der Musikerinnen genügt den strengen Ansprüchen „klassischer“ Musik. Die geistreichen Bearbeitungen und die Art der Darbietung lassen sich hingegen an den Maßstäben exzellenter Unterhaltung messen.
Das in Hamburg lebende Quartett besteht aus Angelika Bachmann und Meta Hüper an den Geigen, der Cellistin Heike Schuch sowie der Pianistin Olga Shkrygunova. Alle vier sind solide ausgebildete Profi-Musikerinnen, die im Konzertbetrieb auch ihre eigenen Karrieren verfolgen.
Als Salut Salon vor zwei Jahrzehnten auf die Idee kam, Kammermusik als aufregende Bühnenshow zu inszenieren, war der Erfolg nicht absehbar. Inzwischen touren die vier Damen weltweit, haben Fans in Israel und den USA, China, Korea, Ostafrika und Südamerika.
Das i-Tüpfelchen dabei: Die Musikerinnen halten überall auf der Welt eine Moderation in der jeweiligen Landessprache ab. „Ich habe mal mit dem Pianisten Lang Lang in einer Talkshow gesessen“, lacht die Frontfrau Angelika „Geli“ Bachmann. „Ich glaube, er hat meine chinesischen Sätze verstanden.“
Die Shows bestehen aber nicht nur aus Musik und Moderation. Mal stampfen die Damen den Rhythmus mit ihren High Heels, dann wieder wirbeln sie ihre Instrumente durch die Luft, garnieren Soli mit akrobatischen Einlagen. Und nicht zuletzt machen sie in ihren schwarzen Cocktailkleidern auch optisch viel her.
Kunst kommt von Können – das althergebrachte Bonmot passt hier haargenau. Ergänzt durch die Grundphilosophie des Quartetts, die Angelika Bachmann so auf den Punkt bringt: „Wir haben viel Humor. Zugleich ist es uns wichtig, der Tiefe der Musik gerecht zu werden.“
Der Tiefe der Musik gerecht werden
Salut Salon mischen klassische Meisterwerke mit Filmmusik, Folk, Jazz und Pop, Chanson oder Kabarett. Die Bandbreite reicht von Tschaikowski über jiddische Folklore bis zum Tango. Angelika Bachmann schreibt zwar die Arrangements, betont aber: „Auf der Bühne sind wir alle Alphatiere.“
Die Shows sind Gesamtkunstwerke, die in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Franz Wittenbrink entstehen. Am Konzept feilen die Musikerinnen gemeinsam. Dabei ist es ihr Anliegen, die gute, alte Idee des Salons in die Gegenwart zu überführen.
Ein kurzer Rückblick: Das Konzept des Salons kam im frühen 19. Jahrhundert auf, in der Zeit des Biedermeier, die den Rückzug ins Häusliche kultivierte. Es traf sich eine private, meist großbürgerliche Gesellschaft. Man gab Opern- und Operetten-Arien, Tänze oder besinnliche Klavierstücke zum Besten. Es ging nicht so steif zu wie im Konzertsaal: Nebenbei konnte man auch plaudern oder etwas trinken.
Auch Salut Salon sehen sich als Alternative zum „klassischen Ernst“ in den philharmonischen Konzertsälen. „Wir wenden uns sowohl an erfahrene Klassik-Liebhaber, als auch Menschen, die ansonsten nie einen Fuß in ein klassisches Konzert setzen würden“, so Angelika Bachmann. „Wenn wir touren, passen wir das Programm außerdem den jeweiligen Ländern und Kulturen an, damit uns alle im Publikum verstehen.“
Eine „Weltkarriere“ wurde Angelika Bachmann keineswegs in die Wiege gelegt. Die Hamburgerin stammt aus einfachen Verhältnissen. Die Eltern und vier Kinder lebten in einer kleinen Mietwohnung. Geli teilte sich das Zimmer mit einem Bruder; oft war schon vor dem Monatsende die Haushaltskasse leer.
Ihre Liebe zur Musik beginnt vor dem Schaufenster eines Musikalien-Händlers. Die dort ausgestellte Geige will die Dreijährige unbedingt haben. Zum vierten Geburtstag liegt das heiß ersehnte Instrument endlich auf dem Gabentisch.
In der Musikschule wird Gelis Ausnahmetalent sogleich offenbar. Schon nach drei Unterrichtsstunden stellt die völlig perplexe Geigenlehrerin das Mädchen einem Professor der Hamburger Musikhochschule vor. Dieser wird ihr Lehrer (strenge russische Schule!) und erwartet stundenlanges tägliches Üben.
Von dieser Disziplin profitiert sie noch heute, wenn es darum geht, ihre zahlreichen Aktivitäten unter einen Hut zu bringen. „Ich kenne es gar nicht anders, als dass mein Tag in Minuten eingetaktet ist. Heute habe ich Spaß daran, weil ich meine Zeit selbst einteilen kann.“
Das Wunderkind-Dasein hätte nahtlos übergehen können in eine Karriere als klassische Musikerin. Bald hätte man wohl von einer „neuen Anne-Sophie Mutter“ gesprochen. Das geschah aber nicht, denn Geli brach aus diesem goldenen Käfig aus. An überlieferten Noten aus vergangenen Jahrhunderten zu kleben – das wurde ihr bald zu eng. „Ich habe schon als Kind nicht verstanden, warum ich die Stücke immer wieder genauso spielen sollte, wie sie notiert waren. Ich habe Noten immer nur als Vorschlag des Komponisten empfunden“, erzählt sie. „Beethoven zum Beispiel hat sehr viel improvisiert und kaum zweimal das Gleiche gespielt.“
Heute hat sie drei Vollzeit-Jobs auf einmal: Musizieren mit Salut Salon, soziale Kinder-Projekte, und außerdem nennt sie sich „Coachin für agile Unternehmenstransformation“. Angesichts dieses Pensums kann einem schwindlig werden.
Die Künstlerin empfindet sich als Glückspilz. „Ich habe schon früh gemerkt, dass ich in einer sehr privilegierten Situation lebe. Dass ich tun darf, was mich erfüllt, und ohne materielle Sorgen lebe, empfinde ich als großen Luxus“, sagt sie nachdenklich. „Auf keinem anderen Weg kann ich mich so intensiv ausdrücken wie über die Musik. Das ist ein Geschenk, das ich mit meinen Mitmenschen teilen möchte.“
Zugleich will sie jenen helfen, die im Leben weniger Glück hatten – sowohl hierzulande, als auch in anderen Regionen der Welt. „Ich kann nicht akzeptieren, dass manche Menschen auf Müllkippen leben und andere im Palast. Es erscheint mir unglaublich ungerecht, dass so viele Menschen auf der Erde kaum die Möglichkeiten haben, sich zu entfalten.“
Vor allem möchte Angelika Bachmann Kindern helfen. Damit begann sie schon mit 14 Jahren, als sie erste eigene Schüler unterrichtete. Bald kommt ihr die Idee, die Schüler zu einem Orchester zu vereinen: den „Coolen Streichern“.
Projekte für Kinder und Jugendliche
Mit den üblichen Partituren, die fortgeschrittene Spielfähigkeiten voraussetzen, lässt sich so eine Idee allerdings nicht umsetzen. Also arrangiert Geli die Stücke neu. Sie schreibt für jeden Spieler eine maßgeschneiderte Stimme, dem jeweiligen Niveau entsprechend – das Ergebnis ist ein wohlklingendes Ganzes. Dafür gab es auf der Frankfurter Musikmesse den Preis für das innovativste Musikprojekt Deutschlands.
Als Botschafterin der Kindernothilfe besuchte Angelika Bachmann 2003 eine Musikschule in einem chilenischen Slum. Sie leitete dort das Jugendorchester. Es wird gemeinsam gekocht und gegessen; seither sammelt sie bei jeder Gelegenheit Spenden für das Projekt. Die chilenischen Kinder und ihre Hamburger „Coolen Streicher“ gingen auf zwei gemeinsame Tourneen.
Ihr neuestes Projekt führte Angelika Bachmann, die für ihr soziales Engagement das Bundesverdienstkreuz erhielt, wieder zu ihren Hamburger Wurzeln: 2020 gründete sie gemeinsam mit dem Rapper Samy Deluxe den Verein „SalutDeluxe“: Kinder und Jugendliche jeglicher sozialer Herkunft können hier die Welt der Musik entdecken.
2022 war für Salut Salon ein anstrengendes Jahr: „Wir haben sämtliche während Corona ausgefallenen Konzerte nachgeholt. Das war ein verrückter Stress, weil sich nun keine sinnvollen Touren mehr ergaben“, sagt Angelika Bachmann.
Nun knallen zum 20-jährigen Bestehen von Salut Salon die Sektkorken. Es gibt auch ein neues Jubiläumsprogramm, das unter dem Motto „Träume“ steht.