„Can’t Be Tamed“ – kann nicht gezähmt werden. So lautet 2010 der Titel des dritten Albums von Superstar Miley Cyrus. Aber siehe da – scheinbar ließ sich die im November 30 Jahre gewordene US-Sängerin doch ein wenig bändigen und legt nun ein ziemlich astreines Popalbum vor. Es hört auf den Namen „Endless Summer Vacation“ und ist ihr erstes Langprojekt mit ihrer neuen Plattenfirma Columbia. Dieser Neuanfang, die Operation an ihren Stimmbändern, die Trennung von Liam Hemsworth, der Eintritt in ein neues Lebensjahrzehnt, der Verzicht auf Alkohol und Cannabis, das alles scheint ihrer Fokussierung auf die Musik extrem gutgetan zu haben. Die Produktion klingt organisch, ihre Stimme ist wie gewohnt dominierend, aber immer im Dienst des Songs.
Die Vorab-Single „Flowers“ ist Opener und ein astreiner Ohrwurm zugleich, eine Pop-Perle zwischen Aufbruch und Melancholie, die mit zurückhaltenden Breaks punktet und auch in Jahrzehnten noch gespielt werden wird. „Jaded“ folgt auf dem Fuß und zuckerwattiert die Wut auf den betrügerischen Ex in eine sanfte Melodie. „Thousand Miles“ featured Grammy-Preisträgerin Brandi Carlile, mit deren Stimme die von Miley Cyrus verschmilzt und ein kongeniales Duo bildet. In der im Dreivierteltakt dahin mäandernden Ballade „You“ wünscht sie sich „wilden, wilden, wilden Sex“, aber eben mit dem Richtigen. Dass sie trotz aller Fokussierung und Seriosität ihre Sexiness bewahrt hat, kommt dem zweiten Teil des Albums zugute. „Handstand“ ist ein Clublied im Anti-Clubgewand, „River“ wiederum ist Party ab dem Mittagessen, was ihr Händchen für anspruchsvolle Rhythmik erneut zeigt. In „Violet Chemistry“ frickeln die Synthesizer rockig dahin, während „Wonder Woman“ fast nur mit Klavier, Stimme und Gänsehaut auskommt. Eine zurückhaltende Demoversion von „Flowers“ schließt das Album ab und man kommt nicht umhin, sich Miley Cyrus in 30 Jahren als Grande Dame der Popmusik vorzustellen, die nach den Großkonzerten zum Abschluss in der Hotellobby singend am Klavier sitzt und zufrieden auf dieses Album zurückschaut – ein künstlerischer Befreiungsschlag wie einst „Frozen“ für Madonna.