Connie Britton, der Star aus der Kult-Serie „Nashville“, spielt in der neuen Serie von AppleTV+ „Der Morgen davor und das Leben danach“ eine Frau, die durch einen tragischen Todesfall aus ihrem Luxus-Leben gerissen wird.
Frau Britton, im Laufe Ihrer Karriere haben Sie sehr unterschiedliche Frauen dargestellt. Was hat Sie an der Rolle der Dee Dee am meisten gereizt?
Wichtig für mich ist, dass sich jede Rolle von der vorigen unterscheidet. Ich liebe es auch, mich bei jedem Projekt neuen Herausforderungen zu stellen. Und in letzter Zeit suche ich immer öfter nach Geschichten, die etwas Wesentliches über Frauen erzählen. Aber nicht Geschichten im engen, feministischen Sinn, sondern solche, die auch eine universelle Bedeutung haben. In denen wir uns alle wiederfinden können.
Etwa in der superreichen, oberflächlichen und immer leicht beschwipsten Dee Dee?
(lacht) Ich gebe zu, dass sich mit Dee Dee nur die wenigsten von uns identifizieren können. Aber wenn wir ehrlich sind, hätten wir gegen ein solches Luxus-Leben und diesen immensen Reichtum eigentlich nichts einzuwenden. Doch das Wesentliche dabei ist, wie sich Dee Dee im Laufe der Zeit verändert. Der tragische Flugzeugabsturz, bei dem auch ihr Ehemann ums Leben kommt, wirft sie ja ziemlich aus der Bahn. Das ist ein schockierender Weckruf.
Braucht es eigentlich immer erst eine Katastrophe, bevor sich Menschen wirklich ändern?
Hoffentlich nicht. Der Königsweg wäre natürlich die Selbsterkenntnis und die Einsicht, dass man sich ändern muss. Aber der Verlust eines geliebten Menschen und die abgrundtiefe Trauer, in die uns das stürzt, ist oft der Anlass für eine drastische Kurskorrektur. Trauer und Schmerz gehören gerade in unserer Zeit doch sehr zu unserem täglichen Leben. Denken wir nur einmal an die schreckliche Corona-Pandemie, an die globale Klima-Krise oder den furchtbaren Krieg in der Ukraine … Es gibt so viel Leid auf der Welt.
Das stimmt. Wären also Geschichten mit einer weniger traurigen Botschaft für uns Zuschauer nicht trostreicher?
Ich glaube schon, dass wir durchaus dazu bereit sind, uns mit tragischen Vorkommnissen zu beschäftigen. Die Zuschauer werden damit ja nicht alleine gelassen. Gerade bei unserer Serie gibt es doch viel Trost, viel Empathie und viel Verständnis. Und zwar nicht nur für den kleinen Edward – den einzigen Überlebenden der Katastrophe – sondern vor allem auch für die Hinterbliebenen. „Der Morgen davor und das Leben danach“ erzählt eine sehr komplexe Geschichte, die mitten im Leben spielt. Und das gibt uns ein Gefühl der Verbundenheit miteinander. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist mir sehr wichtig.
Es gibt seit einigen Jahren immer mehr Rollen für Frauen, die viel komplexer und lebensechter sind als früher. Würden Sie dem zustimmen?
Aus vollem Herzen! Und ich bin sehr froh darüber. Ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich bei dieser positiven Entwicklung mit dabei sein kann. Vor allem die Arbeit für das Fernsehen hat sich sehr verbessert, nicht zuletzt durch die diversen Streaming-Plattformen. Man nimmt sich jetzt viel mehr Zeit, um eine Geschichte ausführlich zu erzählen, gibt den Schauspielern viel mehr Raum, um ihre Rollen zu entwickeln und arbeitet viel sorgfältiger an der Charakterzeichnung. Ich hatte ja das Glück, an der wunderbaren TV-Serie „Friday Night Lights“ mitzuwirken. Wie sensibel da aufeinander eingegangen wurde, und wie wir als Team immer das Beste gegeben haben – das hat mich sehr geprägt. Nicht nur meinen Arbeitsethos, sondern auch mich persönlich.
Spielt es bei der Modernisierung des Frauenbilds auch eine Rolle, dass es viel mehr weibliche Zuschauer als männliche gibt?
Aber sicher! Und die sollten unbedingt auch repräsentiert werden! Dass immer mehr starke und unabhängige Frauen im Fernsehen und Film zu sehen sind, hängt auch damit zusammen, dass in den letzten Jahren viel passiert ist, was uns Frauen wirklich auf den Nägeln brennt. Denken wir doch nur an die diversen Frauenbewegungen oder die „MeToo“-Debatten. Gerade in letzter Zeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass Frauen immer mehr an Einfluss gewinnen. Das ist auch mein Ziel, vor allem was meine Arbeit betrifft.
Gelebte Selbstbestimmung im Filmbusiness? Ist das nicht utopisch?
Zu dem zu stehen, was man für gut und richtig hält, ist sicher nicht leicht. Aber es lohnt sich auf jeden Fall dafür zu kämpfen. Ich habe ganz bewusst einen künstlerischen Beruf gewählt. Natürlich bin ich da auch nicht frei von kommerziellen Zwängen. Aber bis jetzt bin ich eigentlich ganz gut damit gefahren, das auszubalancieren.
Und wie schauen Sie aufs Leben? Durch die Linse der Künstlerin oder durch die der Geschäftsfrau?
Als Künstlerin! Ich bin absolut keine gute Geschäftsfrau. Ich versuche das Leben wirklich mehr durch die Kunst und die Poesie zu erleben. Und: Ich habe mir das Staunen bewahrt. Deshalb bin ich aber nicht weltfremd. Wenn ich mich so umschaue, sehe ich leider, wie die Welt immer mehr verkommt. Unser Leben wird immer mehr von gigantischen Business-Konglomeraten bestimmt. Das finde ich höchst bedenklich. Und trotzdem: Im Leben lasse ich mich von der Kunst leiten. Das macht mich glücklich.
Dee Dee findet heraus, dass ihr verstorbener Mann ein Paralleleben führte, von dem sie nichts wusste. Wie sehr glauben Sie die Menschen zu kennen, denen Sie nahestehen?
Das ist eine sehr interessante Frage. Genau darum geht es ja auch in unserer Serie. Wie gut kennen wir unsere Liebsten wirklich? Was mich persönlich betrifft, habe ich mich das schon oft gefragt. Wir gestalten doch immer nur das Leben, das wir glauben, erschaffen zu müssen. Wie gut können wir also überhaupt die Menschen kennen, die wir lieben? Sehen wir sie wirklich so, wie sie sind? Oder sind sie Projektionen unserer Sehnsüchte und Wünsche? Und wie sehr bin ich eigentlich bereit, Beziehungen zu beschönigen?
Tun Sie das etwa?
(lacht) Ja, schon, bei Gelegenheit.
Wie gehen Sie mit dem Verlust eines geliebten Menschen um?
Ich versuche den Schmerz anzunehmen und zu durchleben. Nicht zu verdrängen. Dabei hilft es mir, dass ich regelmäßig meditiere. Aber die größte Überraschung, die ich bei meiner ganz persönlichen Schmerzbewältigung hatte, war das Lachen! Ich war tieftraurig, als meine Eltern gestorben sind. Da haben mir Menschen, die mir nahestehen, mit ihrem Humor geholfen, diese schweren Zeiten gut zu überstehen. Und sie haben mich oft zum Lachen gebracht. Da wurde mir bewusst, wie befreiend Lachen sein kann.
Haben Sie Ihr Schicksal selbst in der Hand? Oder wird Ihr Lebensweg eher von äußeren Einflüssen bestimmt?
Auch eine gute Frage … Spontan fällt mir da folgende Anekdote ein: Ich hatte als Schauspielerin gerade meinen Durchbruch geschafft und wurde zum Casting für den neuen Tom-Cruise-Film „Jerry Maguire“ eingeladen. Da sollte ich die weibliche Hauptrolle spielen. Das war 1995. Und wie das bei so großen Hollywood-Projekten ist, musste ich eine ganze Reihe von Vorsprechterminen wahrnehmen. Schließlich war ich in der Endauswahl. Ich war mir so sicher, dass ich den Part bekommen würde. Der ging dann aber bekanntlich an Renée Zellweger. Ich war am Boden zerstört. Wirklich total fertig! Wenig später ging ich zu einem Casting für die TV-Serie „Chaos City“ und wurde angenommen. Fünf Jahre lang habe ich da mit großem Erfolg mitgespielt. Das hat mein Leben in eine völlig andere Richtung gelenkt, als ich geplant hatte.
Welcher Charakterzug hat Ihnen im Leben am meisten genützt?
Wow, was für eine interessante Frage! Wahrscheinlich Widerstandsfähigkeit, Durchhaltevermögen und Dankbarkeit. Vor allem Dankbarkeit. Dankbarkeit hat mich wirklich sehr weit gebracht im Leben. Und ich versuche auch immer über meinen Tellerrand hinauszuschauen. Offen zu sein für die Welt da draußen. Den größeren Zusammenhang zu erkennen. Und weniger mich in den Mittelpunkt zu stellen, sondern mehr zu geben als zu nehmen.
Wann haben Sie zum letzten Mal bei Facebook ein Foto von Ihrem Frühstück gepostet?
Oh, Gott, das habe ich noch nie getan! Ich habe große Probleme mit den sozialen Medien. Ich habe nämlich einen ausgesprochenen Hang zur Privatheit. Manchmal denke ich, dass ich mir dadurch vielleicht sogar schade, weil ich mein Frühstück oder Mittagessen eben nicht poste. Ich bin sehr vorsichtig, wenn ich mal etwas auf Twitter und Instagram einstelle. Das hängt dann meistens mit einem neuen Projekt zusammen, für das ich Werbung mache.
Zum Schluss noch eine Frage zu Ihren wunderschönen Haaren: Ihre Haarpracht spielt im Internet ja seit Jahren eine große Rolle.
Sie wollen doch nicht wirklich wissen, welches Shampoo ich benutze, oder?
Eher nicht. Aber was machen Sie, wenn Sie mal einen „Bad Hair Day“ haben?
(lacht) Oh, ich hatte schon sehr viele „Bad Hair Days“! Sie meinen damit bestimmt einen dieser Tage, an dem alles schiefgeht. Das sicherste Mittel, um mich da herauszuholen und wieder zum Strahlen zu bringen, ist, wenn ich mit meinem Sohn Eyob zusammen bin (Connie Britton hat vor zwölf Jahren ein Baby aus Äthiopien adoptiert; Anm. d. Red.). Seine bedingungslose Liebe ist ein wahres Lebenselixier für mich.
Um auf Ihr Shampoo zurückzukommen …
Sie glauben sicher nicht, dass ich diesen Look selbst hinkriege, oder? Beim Film und Fernsehen bemühen sich immer sehr viele Stylisten und Make-up-Künstler um mich. Wenn ich mir zu Hause die Haare wasche, lasse ich sie an der Luft trocknen. Danach habe ich einen gigantischen Mop-Krauskopf. Den versuche ich dann zu bändigen, indem ich einen Schlapphut überziehe.