Annalena Baerbock (Grüne) und Svenja Schulze (SPD)setzen auf feministische Außenpolitik und haben erstmals Leitlinien dazu vorgestellt. Doch einigen Feministinnen geht das Konzept nicht weit genug.
Nun also auch im Bundesentwicklungsministerium. Auch dort soll jetzt feministische Politik Einzug halten. Zumindest auf dem Papier. Sehr medienwirksam haben die Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gemeinsam ihre Leitlinien für eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik vorgelegt. Anfang März wurde das gemeinsam erstellte Konzept vorgestellt. Darin erläutert die Außenministerin feministische Außenpolitik als „bitternötig“, da Männer und Frauen weltweit noch immer nicht gleichgestellt seien. Und weil „Frauen, aber auch Kinder oder Ältere“ in Konflikten besonders verletzlich seien.
Monatelang waberte der Begriff feministische Außenpolitik immer wieder durch die Medien. Auch auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes war das Schlagwort schnell zu finden. Nur, was es ganz konkret bedeutet, war für viele Menschen gar nicht klar. Während Schweden das Konzept unter der Federführung seiner damaligen Außenministerin Margot Halström schon im Jahr 2014 eingeführt und sich kürzlich wieder davon distanziert hat, blieb das Thema hierzulande wie ein Buch mit sieben Siegeln. Nach einer Umfrage der Körber-Stiftung im vergangenen Jahr gab fast die Hälfte der Befragten an, noch nie von diesem Begriff gehört zu haben. Von der anderen Hälfte konnte nur gut jeder Zehnte sagen, dass er wisse, was feministische Außenpolitik bedeute.
Wie ein Buch mit sieben Siegeln
Nun ist es da – das knapp 90 Seiten dicke Pamphlet. Zehn Leitlinien werden dort beschrieben. Vier davon thematisieren ausschließlich die Arbeitsweise und Personalpolitik des Auswärtigen Amtes. Dort soll es unter anderem um Chancengleichheit, Diversität und Inklusion gehen, aber auch um mehr Frauen in Führungspositionen. Für die Ausarbeitung des Konzeptes soll es mehr als 100 Treffen und Gespräche gegeben haben – „mit Expert*innen aus Bundestag und Verwaltung, Think Tanks und Zivilgesellschaft“, heißt es im Vorwort der Schrift. Zu den Expertinnen zählt auch die Politologin Kristina Lunz vom „Centre for Feminist Foreign Policy“ (deutsch: Zentrum für feministische Außenpolitik). „Die traditionellen Ansätze von Außen- und Sicherheitspolitik, die haben uns nur dazu geführt, dass sich die Zahl der Konflikte weltweit in den letzten Jahren verdoppelt hat“, sagte sie der ARD.
Tatsächlich zählen Konfliktlösung und Abrüstung zu den Kernzielen einer feministischen Außenpolitik. So sieht es auch Kristina Lunz und weist darauf hin, dass sich Feministinnen seit „über 100 Jahren für ein Ende des internationalen Waffenhandels“ einsetzten. Doch von Abrüstung ist in den Leitlinien des Auswärtigen Amtes kaum die Rede.
Kritik in diesem Punkt kommt von Vertreterinnen der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit, kurz IFFF. Zwar begrüßten die IFFF-Aktivistinnen, dass man sich hierzulande „endlich“ in die Gruppe von Ländern einreihe, die erkannt haben, dass feministische Politik „der Grundpfeiler und die Voraussetzung“ gerechter Gesellschaften sei. Aber mit dem Schwerpunkt einer der Leitlinien auf „Rüstungskontrolle statt Abrüstung“ werde der Abrüstungsfokus feministischer Forderungen verkannt. Autonome Waffensysteme und ihre „geschlechtsspezifischen und intersektionalen“ Auswirkungen würden ebenso nicht thematisiert wie Cybersicherheit. „Dabei ist ein freies, sicheres Internet eine wichtige Voraussetzung für Teilhabe und Mitbestimmung, insbesondere auch für Menschen in Krisen- und Konfliktgebieten.“ Deutschland übernehme dadurch keine „proaktive Rolle in Abrüstungsinitiativen“ wie bei Atomwaffen, dem Verbot von autonomen Waffensystemen und der Entmilitarisierung des Cyberspace. Abrüstung sei insbesondere deswegen hervorzuheben, so die Aktivistinnen weiter, weil sie den „signifikantesten präventiven Effekt“ habe. In der Tat findet dieses Commitment in den Leitlinien kaum Erwähnung. Stattdessen werden militärische Maßnahmen an einigen Stellen genannt, wie etwa die der Nato. „Diese könnten zwar als ‚kurzfristige Maßnahmen‘ in Situationen, in denen Menschenrechte akut bedroht werden, auch Teil einer feministischen Außenpolitik sein“, räumen die Frauenrechtlerinnen ein. „Jedoch muss der Militarisierung langfristig entgegengewirkt werden.“
Das Stichwort Militarismus ist schon länger ein wunder Punkt in der feministischen Außenpolitik. Bereits in Schweden, das schon länger Erfahrung mit dem Konzept und seiner Umsetzung hat, wurden eklatante Widersprüche offenbar. So widersprach die aktive Rüstungsexportpolitik den Zielen feministischer Politik. Denn weiterhin lieferte das skandinavische Land Waffen auch an repressive Regime, die Menschen- und Frauenrechte massiv verletzen – so etwa nach Saudi-Arabien, das die Waffen im Jemen einsetzt. Mit der neuen Koalition hat die Regierung in Stockholm ihr langjähriges Konzept der feministischen Außenpolitik wieder gekippt. Verschiedene Veröffentlichungen zu dem Thema wurden von der Webseite des Außenministeriums entfernt. „Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein grundlegender Wert in Schweden und auch ein grundlegender Wert für diese Regierung“, sagte zwar der neue Ressortchef Tobias Billström. Der Ausdruck feministische Außenpolitik aber werde gestrichen. „Denn Etiketten haben die Tendenz, den Inhalt zu verschleiern“, erläuterte der Politiker.
Missbrauch feministischer Ideale
Die Gefahr einer Verschleierung sieht die Publizistin und Literatur-Dozentin Jasamin Ulfat-Seddiqzai auch in der deutschen Außenpolitik. Sie warnt am Beispiel Afghanistan vor einem Missbrauch feministischer Ideale: Im Kontext des krisengeschüttelten Landes habe die Bush-Administration im Jahr 2001 die Befreiung der afghanischen Frau als Begründung genutzt, um einen überstürzten Krieg mit zahllosen zivilen Opfern zu beginnen. „Schon damals warnten Experten, dass das Verbinden von feministischer Rhetorik mit einem brutalen Krieg afghanischen Frauen langfristig schaden würde.“ Der Missbrauch feministischer Ideale, den man auch „imperialen Feminismus“ nenne, werde in der Veröffentlichung des deutschen Außenministeriums jedoch nicht problematisiert. So lese sich das Papier „nicht wie ein Kurswechsel“, sondern eher wie ein „Wohlfühlpaket für die eigene Wählerschaft“, kritisiert sie.
Die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis kritisiert die Volkswirtin Rebecca Schönenbach vom Verein „Frauen für Freiheit“. Die Vereinsvorsitzende monierte in der Tagezeitung „Die Welt“, dass nach der Vorstellung der Leitlinien feministischer Außenpolitik Verstöße gegen Menschenrechte für Frauen thematisiert, aber nicht sanktioniert werden sollen. Auf Schönenbachs Kritik hätten Vertreterinnen von NGOs entgegnet, dass Frauen das Recht hätten, „gemäß ihrer Kultur“ zu leben. Die Feministin hält dagegen: „Wenn Frauen im Iran unterdrückt werden, ist das keine Frage der Kultur. Sondern ein Verstoß gegen die Menschenrechte.“ Eine „tatsächliche feministische Außenpolitik“, findet sie, müsse auf die Menschenrechtsverletzungen reagieren, indem sie Tätern die Unterstützung entzieht. Im Falle des Irans müssten die diplomatischen Beziehungen heruntergestuft und internationale Abkommen wie der nicht funktionierende Atomdeal aufgekündigt werden. Auch die deutsch-iranische Journalistin Gilda Sahebi plädiert für einen härteren Umgang mit dem Mullah-Staat: „Man muss wirklich die Sanktionen gezielt durchführen, gezielt gegen das Regime. Damit sie nicht mehr davon profitieren, dass sie Menschen umbringen und foltern, dass sie Frauen vergewaltigen.“