Die britische Schauspielerin Lily James sprach mit uns über arrangierte Hochzeiten, romantische Liebe und warum sie vor Dating-Apps einen Horror hat. Gut gelaunt und mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen kam sie zum Video-Interview nach London.
Frau James, in Ihrem letzten Film „What’s Love Got To Do With It?“ geht es um eine arrangierte Hochzeit, wie sie in Pakistan immer noch typisch zu sein scheint. Sie sind in Großbritannien aufgewachsen und wurden durch ein westliches Wertesystem geprägt. Wie findet man sich da als Schauspielerin zwischen diesen so unterschiedlichen Welten zurecht?
Anfangs lehnt Zoe (James’ Charakter im Film; Anm. d. Red.) diese Art der fremdbestimmten Eheanbahnung entschieden ab. Sie kann mit einer so altmodischen Idee überhaupt nichts anfangen. Denn bei dieser Form von Verkupplung hat die Frau ja eigentlich gar keine Wahl. Sie muss heiraten. Im Laufe der Zeit erkennt Zoe aber auch die Vorteile gegenüber einer sogenannten Liebes-Hochzeit, wie sie in unseren Breiten üblich ist. Das Spannende an „What’s Love Got To Do With It?“ ist ja gerade, dass der Film unsere Vorurteile konterkariert und uns von oberflächlichen Betrachtungen wegführt. Und uns dabei nach und nach eine ganz faszinierende neue Welt und Kultur eröffnet.
Was haben Sie persönlich aus dieser Film-Erfahrung mitgenommen? Was hat Sie am meisten überrascht?
Mir wurde bewusst, dass es nicht nur einen Weg gibt, der zur Liebe führt, sondern viele. Wenn zwei Menschen den großen Schritt gehen und heiraten, dann kann das wirklich viele Gründe haben. Und ich bin mir gar nicht so sicher, ob zum Beispiel Dating-Apps wirklich so viel sinnvoller sind … Oder sich an eine Heiratsagentur zu wenden und dann – eben auf westliche Art – verkuppelt zu werden. (lacht) Für eine glückliche Ehe oder für eine glückliche Liebesbeziehung gibt es nun mal leider keine Garantie.
Ist das Casting für einen Film nicht auch eine Art Partnervermittlung? Viele verschiedene Schauspieler werden beim Probe-Vorsprechen doch solange miteinander gemixt, bis die beste Besetzung gefunden ist.
Oh ja, das stimmt. Und da läuft es auch nicht immer so, dass man im Ergebnis den idealen Filmpartner bekommt …
Wie hat denn dieses Matchmaking bei Ihnen und Ihrem Filmpartner Shazad Latif geklappt? Stimmte da die Chemie?
Unser Regisseur Shekhar Kapur hat natürlich bei diversen Vorsprechterminen auch verschiedene Besetzungen ausprobiert. Ich war sehr froh, als dann irgendwann auch Shazad zur Tür hereinkam. Wir kennen uns schon seit gut zehn Jahren und sind seitdem miteinander befreundet. Wir kamen also von Anfang an sehr gut klar. Das ist natürlich ein Luxus, wenn man sich schon so lange persönlich kennt und gegenseitig schätzt.
Wie muss denn Ihr Traumpartner im richtigen Leben aussehen? Und welche Qualitäten sollte er haben?
Ach, das Aussehen ist nicht so wichtig. Und welche Qualitäten – das ist schwer zu sagen … Ich glaube, es muss einfach jemand sein, der mich ergänzt und ich ihn. Wenn man dann auch noch seelenverwandt ist, hat man wohl die besten Chancen, dass man in einer Beziehung glücklich ist. (lacht) Wenn der Lover außerdem auch der beste Freund ist, dann hat man das große Los gezogen …
Wird romantische Liebe eigentlich überbewertet?
Das weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass romantische Liebe sehr wohl gelingen kann, genauso wie eine Liebe, die arrangiert wurde. Und sowohl das eine wie das andere kann auch scheitern. Was mir an „What’s Love Got To Do With It?“ besonders gefällt, ist, dass der Film stereotypische Verhaltensweisen – wie sie in der östlichen, aber auch in der westlichen Kult vorkommen – aufbricht und mit einigen Klischees aufräumt. Der Film wirft einen sehr wohlwollenden und neugierigen Blick auf all das, was diese Menschen umtreibt, was ihnen wichtig ist. Und er tut das mit viel Sinn für Humor. Ich finde das extrem wichtig. Denn wenn man über etwas lachen kann, dann ist man offen und somit viel eher bereit, sich auch auf etwas Fremdes einzulassen. Um es dann vielleicht auch besser zu verstehen.
Sie sprachen vorher ziemlich skeptisch über Dating-Apps. Was ist mit Blind Dates oder Tinder?
Das ist absolut nicht mein Ding! Ich war noch nie auf irgendwelchen Dating-Apps unterwegs und habe auch noch nie an solchen Speed-Datings teilgenommen. Vor diesen Dingen habe ich einen wirklich großen Horror. Wenn ich mir das nur vorstelle … Und dann würde das wohl alles ins Netz gestellt werden … Das wäre einfach schockierend. Wissen Sie, meine Großmutter hat mit 19 Jahren geheiratet und ihr ganzes Leben mit meinem Großvater verbracht. Und zwar in einer wirklich sehr glücklichen Ehe. Das finde ich sehr romantisch. Ich glaube auch, dass es ein großer Mythos ist, dass man alles und jeden haben kann und muss – und dass das angeblich so großartig wäre. Ich finde, das ist dummes Zeug. Zumindest trifft diese Art von Lebens- und Liebesweise so gar nicht auf mich zu.
Sie spüren nicht den gesellschaftlichen Druck, erfolgreich sein zu müssen?
Ich sehe schon, dass – gerade in der westlichen Welt – auf den Frauen bereits sehr früh ein immenses Druckszenario lastet: Man soll eine großartige Karriere hinlegen, dabei natürlich viel Geld verdienen, man soll den absoluten Traummann heiraten und viele tolle Kinder haben. Das ist doch ultrastressig. Dieses Spiel mache ich schon lange nicht mehr mit.
Sie lassen die Dinge und die Menschen also eher auf sich zukommen?
Nein, ich bin sicher nicht passiv. Ich kann sehr wohl um die Dinge kämpfen, die mir wichtig sind. Ich entscheide auch oft ganz spontan aus dem Bauch heraus. Was nicht immer gut für mich ist … Aber auch dazu stehe ich. In dem Beruf, den ich ausübe, kann man sowieso nicht allzu viel planen. Da hängen Entscheidungen von sehr vielen Umständen ab, die man eigentlich nur schwer oder gar nicht beeinflussen kann. Was ich tun kann, ist folgendes: Wenn der Regisseur „Action!“ ruft, gebe ich das Beste, was ich habe. Und jede neue Rolle ist auch eine neue Herausforderung. Ich habe ziemlich bald begriffen, dass man sich auf dem Erfolg eben nicht ausruhen darf – sonst ist man ganz schnell weg vom Fenster.
Sie haben sehr unterschiedliche und facettenreiche Frauenfiguren gespielt. Was sind denn Ihre Hauptkriterien für die Auswahl einer neuen Rolle?
Das wechselt. Mal ist es die Geschichte, mal der Regisseur, mal reizt es mich, eine Figur zu spielen, vor der ich regelrecht Angst habe. Die Angst, ob ich das überhaupt schaffe. Als ich zum Beispiel zugesagt habe, in der Serie „Pam & Tommy“ die Sex-Ikone Pamela Anderson zu spielen, hatte ich furchtbaren Schiss davor.
Wie man hörte, war Mrs. Anderson nicht sehr erbaut darüber, dass die Geschichte um das gestohlene Sex-Video mit ihr und ihrem damaligen Ehemann, Mötley-Crüe-Drummer Tommy Lee, noch einmal hochgekocht wurde. Hatten Sie eigentlich direkten Kontakt zu ihr?
Nein, und dazu will ich auch nichts weiter sagen. Außer, dass ich Pamela Anderson immer bewundert habe. Und die Serie versucht ja nicht, sie auszubeuten, sondern ihr gerecht zu werden.
Wie haben Sie es geschafft, dass man Sie nie in eine Schublade gesteckt hat?
Das passiert vor allem jungen Schauspielerinnen sehr schnell. Und aus der Schublade kommen sie mitunter nur sehr schwer wieder heraus.
Ich hatte Glück, dass ich mit Anfang 20 für die TV-Serie „Downton Abbey“ gecastet wurde. Und zwar in der Rolle der rebellischen Lady Rose.
Das hat mich interessant gemacht bei den Leuten, die für die Besetzung von Filmrollen verantwortlich sind, und mich auch gleichzeitig in ein anderes Licht gerückt. Ich war also nie nur der sexy Sidekick für männliche Superhelden. Ich glaube sowieso, dass die Zeit dafür langsam abläuft. Es gibt seit ein paar Jahren in Film und Fernsehen viel mehr interessante Geschichten und Erzählformen, bei denen gerade auch Frauen viel nuancierter, realer und authentischer dargestellt werden. Das sind genau die Rollen, die ich suche. Frauen, die sich echt anfühlen und die ein Leben haben, das wahr ist und relevant.