Der Golfsport ist durch die Einführung der lukrativen, aber auch heftig umstrittenen Liv-Tour nach wie vor gespalten. Doch bei den großen Turnieren wie jetzt dem Masters in Augusta kommen die weltbesten Spieler wieder alle zusammen.

Der Golfsport gilt als elitär, Traditionen und auch gewisse Verhaltensregeln werden hier eigentlich großgeschrieben. Doch zuletzt ging es im Golfsport fast so ruppig zu wie bei einem Boxkampf. Es wurde heftig gestritten, es fielen Worte wie „Blutgeld“, „Rachsucht“ oder „Golf-Krieg“. Anwälte wurden auch eingeschaltet. Die Einführung der umstrittenen Liv Golf-Tour hat 2022 zweifelsohne zu einer Spaltung in der Golf-Familie geführt, die heftigen Risse sind bis heute nicht gekittet. Wie auch? Der Rechtsstreit wegen des Rauswurfs der abtrünnigen Spieler von der PGA-Tour, die dem Lockruf des Geldes aus Saudi-Arabien gefolgt sind, ist noch nicht beigelegt. Doch zumindest bei den großen Turnieren können die Fans weiter ein Kräftemessen der Besten erwarten – auch wenn im Hintergrund die Ränkespielchen weitergehen.
Fast so ruppig wie im Boxring
„Wir haben einen entscheidenden Punkt in der Geschichte unseres Sports erreicht. Wir in Augusta National glauben daran, dass der Golfsport, der im Laufe der Jahre viele Herausforderungen gemeistert hat, wieder Bestand haben wird“, sagte der OK-Chef Fred Ridley in einer Erklärung, auf die die Szene sehnsüchtig gewartet hatte und die sich mit der Frage beschäftigte: Dürfen Liv-Golfer auch beim US-Masters in Augusta vom 6. bis 9. April antreten? Sie dürfen – sofern sie sich für dieses exklusive Teilnehmerfeld qualifiziert haben. Obwohl man über die aktuellen Entwicklungen im Golfsport „enttäuscht“ sei, erklärte Ridley, „konzentrieren wir uns darauf, die Tradition zu wahren und im kommenden April ein herausragendes Feld von Golfern zusammenzubringen“.

Diese Entscheidung Ende des vergangenen Jahres hatte eine Signalwirkung für die anderen drei Major Events. Auch bei der PGA Championship im Mai, den US Open im Juni und wohl auch bei den British Open im Juli sollen Profis aus der Liv-Serie zugelassen werden. Das ist aber nicht nur ein Entgegenkommen der Profi-Tour PGA, sondern hat natürlich auch finanzielle Gründe: Nur ein Wettstreit der Besten garantiert auch beste Einnahmen. Außerdem hatten die Profis Dustin Johnson, Patrick Reed, Sergio García, Bubba Watson, Charl Schwartzel und Phil Mickelson aus dem Liv-Zirkel durch ihre früheren Siege beim Masters ohnehin ein lebenslanges Startrecht in Augusta. Sie und auch andere Topstars wie Cameron Smith, Bryson DeChambeau oder Brooks Koepka schlagen also bei der 87. Ausgabe des traditionellen Masters im Augusta National Golf Club auf, obwohl sie für einige in der Szene Verräter sind. Auch, weil sie sich von den Millionen aus den Staatsfonds Saudi-Arabiens für ein sogenanntes „Sportswashing“, das von den schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im Land ablenken soll, benutzen lassen. Habgier auf Kosten des Sports ist ein weiterer Vorwurf.
Liv-Golf veranstaltete in seiner Premierensaison acht Events mit jeweils 25 Millionen Dollar Preisgeld, dazu kamen 50 Millionen Dollar Preisgeld für die Team-Meisterschaft. Keine einzige PGA-Veranstaltung kommt auch nur in die Nähe solcher Summen. „Was sie dort machen, hat keine Bedeutung – außer dem Einsammeln von einem Haufen Kohle“, sagte der viermalige Major-Champion Rory McIlroy. Der deutsche Golfprofi Martin Kaymer, der sich der Liv-Tour ebenfalls angeschlossen hat, gab bei Sky Sports UK die finanziellen Überlegungen offen zu: „Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass Geld kein Motivator wäre.“ Phil Mickelson glaubt dagegen, auf der richtigen Seite der Golf-Geschichte zu stehen. „Man muss sich für die Seite entscheiden, von der man glaubt, dass sie erfolgreich sein wird. Und ich bin fest davon überzeugt, dass ich auf der Gewinnerseite stehe, wenn es darum geht, wie sich die Dinge in den kommenden Jahren im Profigolf entwickeln und gestalten werden“, sagte der US-Amerikaner: „Ich sehe Liv-Golf im Aufwärtstrend, ich sehe die PGA Tour im Abwärtstrend, und ich liebe die Seite, auf der ich stehe.“
Das grüne Jackett übt Faszination aus
Die Einladung zum Masters, das er 2004, 2006 und 2010 gewinnen konnte, nimmt Mickelson aber liebend gern an. Natürlich hat auch er mitbekommen, dass der durch die vielen spektakulären Wechsel ausgelöste Hype der Liv-Tour nach der Premierensaison stark nachgelassen hat. Geld allein macht eben auch nicht glücklich. Das grüne Jackett zum Beispiel, das der Gewinner des Masters seit 1949 in einer Sieger-Zeremonie übergestreift bekommt, übt auf alle Profis nach wie vor eine gewaltige Faszination aus. Das Masters hat zudem das exklusivste Teilnehmerfeld aller Major-Events, nur etwa 100 Spieler dürfen hier starten. Da will jeder dabei sein.

Das gilt auch für den Superstar der Szene: Tiger Woods. Aber ist der 15-fache Major-Champion nach seinem schweren Autounfall 2021 fit genug dafür? Das war eine weitere große Frage, die sich die Golf-Fans in den letzten Wochen gestellt haben. Die Nachricht, dass Woods Mitte März eine Trainingsrunde auf dem Augusta National absolviert haben soll, sorgte für Hoffnung, der Altmeister könnte auch in diesem Jahr dort aufschlagen. Im Vorjahr hatte er die Veranstalter bis kurz vor Turnierstart zappeln lassen, schließlich aber seine Zusage gegeben. Am Ende hatte er mit insgesamt 13 Schlägen über Par keine Chancen auf den Triumph, doch das Publikum feierte ihn wie einen Sieger. „Die Unterstützung und die Anerkennung der Fans können Worte kaum beschreiben. Vor allem mit den Aussichten, die ich vor gut einem Jahr hatte“, sagte Woods hinterher.
Bei dem Autounfall vor zwei Jahren hätte Woods beinahe sein rechtes Bein verloren. Er selbst sei froh, „dass ich noch lebe“, erzählte der exzentrische Golfstar bei seinem Masters-Comeback, „ich glaube nicht, dass Worte das wirklich beschreiben können, dass ich hier dabei gewesen bin und alle vier Runden spielen konnte“. Für diese Saison hat sich der 47-Jährige sogar noch etwas mehr vorgenommen. „Hoffentlich kann ich dieses Jahr alle vier Majors schaffen und vielleicht noch ein paar Turniere hier und da einstreuen“, sagte er. Mehr sei körperlich für ihn aber nicht drin, und damit habe er sich inzwischen auch abgefunden. „So wird das für den Rest meiner Karriere aussehen. Ich weiß das und ich akzeptiere es. Das ist einfach meine Realität.“
Unabhängig davon, ob Woods nun starten konnte oder nicht: Anwärter auf den Gesamtsieg sind andere. Da wäre vor allem Scottie Scheffler zu nennen. Der 26 Jahre alte US-Amerikaner ist nicht nur der Titelverteidiger, sondern auch die aktuelle Nummer eins der Welt. Sollte er tatsächlich erneut triumphieren, wäre er der erste Spieler seit Woods 2001 und 2002, der zweimal hintereinander in Augusta gewinnt. Scheffler ist kein Spieler, der das Publikum mit seiner Art begeistert. Er spielt meist relativ unspektakulär, dafür aber oft fehlerlos. Und genauso unscheinbar äußert er sich auch. „Alles, was ich tun kann, ist zu versuchen, einen guten Schlag zu machen“, sagte Scheffler: „Der Rest liegt nicht in meiner Hand.“
Schafft Scheffler den Doppel-Sieg?

Verglichen mit seinem Charakter und auch seiner Spielweise war das Masters Champions Dinner, das der Vorjahressieger traditionell kurz vor dem Start in Augusta für alle ehemaligen Champions abhält, pompös. Scheffler ließ ein unverschämt teures Vier-Gänge-Menü servieren, er und seine Mitstreiter erfreuten sich an Firecracker Shrimps, Texas Ribeye Steak und Schokoladen-Cookies. Die Tradition wurde 1952 von Ben Hogan eingeführt und ist in den letzten Jahren ein bisschen aus dem Ruder gelaufen, weil man sich gegenseitig übertreffen wollte. Als amtierender Champion hatte beispielsweise Bernhard Langer bei seinem ersten von insgesamt zwei Masters-Siegen 1985 noch Wiener Schnitzel auf den Tisch gebracht. Auch in diesem Jahr schlägt der inzwischen 65-Jährige Langer im Augusta National Golf Club auf, es ist seine insgesamt 42. Teilnahme. Langer hatte mit dem Sieg bei der Chubb Classic in seiner Wahlheimat Florida Mitte Februar einen Rekord eingestellt: Der 45. Sieg auf der US-Seniorentour bedeute Platz eins neben Hale Irwin aus den USA. Langer verbesserte zudem mit 65 Jahren, fünf Monaten und 23 Tagen seine eigene Bestmarke als ältester Sieger auf PGA Tour Champions. Der gebürtige Anhausener ist der große Star auf der US-Seniorentour, die er seit 15 Jahren mit dominiert.
Der erste deutsche Golfprofi, der einst als Caddie auf dem Golfplatz in der Nachbarschaft den reichen Spielern die Taschen getragen hatte, braucht niemandem mehr etwas zu beweisen. Langer hat weit über 100 Turniere gewonnen, er stand auf Platz eins der Weltrangliste – und doch brennt in ihm noch der Ehrgeiz. Und die Klasse hat er auch immer noch. „Natürlich ist es viel schwieriger für mich, ein gutes Ergebnis zu erzielen“, sagte Langer: „Da meine Abschläge so viel kürzer sind, sind meine zweiten Schläge viel länger. Ich kann dann den Ball weniger gut kontrollieren als die Jungs mit den Wedges oder kurzen Eisen. Aber wenn ich mein eigenes Spiel gut spiele, ist es möglich, dass ich noch mithalten kann.“ Die Länge des Platzes ist für einen „Longhitter“ wie Rory McIlroy kein Problem. Und auch an Motivation mangelt es dem Nordiren nicht, nachdem er sich im Vorjahr mit drei Schlägen Rückstand nur Sieger Scheffler geschlagen geben musste. Zuletzt machten Gerüchte die Runde, der 33-Jährige soll bei einer Trainingsrunde für den Kurs in Augusta nur 19 Putts benötigt haben. In seiner Major-Titelsammlung fehlt ihm nur noch das Masters, um den Karriere-Grand-Slam zu vollenden.