Der Konflikt um Taiwan und die drohende Konfrontation China – Amerika
Es ist ein beängstigendes Bild. Das kommunistische China simuliert Raketenangriffe auf ausgewählte Ziele der demokratischen Inselrepublik Taiwan. Kampfjets und Kriegsschiffe proben eine „Abriegelung“ und „Luftblockade“ Taiwans. Gleichzeitig kreuzt ein US-Zerstörer nahe den von Peking beanspruchten Spratly-Inseln. Und Japan entsendet Kampfjets zur Beobachtung des chinesischen Militärmanövers.
Eine martialische Kulisse, initiiert durch die Volksrepublik, die bereits heute über die größte Marine der Welt verfügt. Kann dies zum Krieg führen? So weit ist es noch nicht. Aber die bis vergangenen Montag andauernden militärischen Macht-Demonstrationen zeugen von den wachsenden Spannungen zwischen China und den USA. Sie bergen in einer bestimmten Konstellation den Stoff für eine gewaltsame Konfrontation.
Einstweilen handelt es sich jedoch bei Chinas Kriegs-Szenarien um Drohgebärden. Es ist eine Reaktion auf das Treffen von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen mit dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy, protokollarisch das dritthöchste politische Amt in Amerika. Die Regierung in Peking betrachtet Taiwan als „abtrünnige Provinz“. Sie reagiert immer allergischer auf Versuche, den von nur wenigen Ländern diplomatisch anerkannten Staat aufzuwerten.
Chinas Präsident Xi Jinping lässt keinen Zweifel daran, Taiwan mit der Volksrepublik „wiederzuvereinigen“ – notfalls mit Gewalt. Allerdings ist Xi ein eiskalt abwägender Machtpolitiker und kein Hasardeur. Er beobachtet den ins Stocken geratenen Vormarsch der Russen im Angriffskrieg gegen die Ukraine genau. Aus der Geschlossenheit des Westens und der Zusage von US-Präsident Joe Biden, Taiwan im Falle eines Angriffs zu verteidigen, dürfte er seine Schlüsse ziehen.
Tatsache ist aber: Chinas Außenpolitik ist aggressiver und machtbewusster geworden. Peking stellt seine Weltmacht-Ambitionen ohne die früher übliche Zurückhaltung zur Schau. Die Volksrepublik lässt immer öfter ihre militärischen Muskeln spielen. 2015 hatte Xi bei einem Besuch von US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus versprochen, sein Land strebe keine Militarisierung des Südchinesischen Meeres an. Das ist passé: China zeigt in der für den Welthandel eminent wichtigen Region zunehmend Flagge, schüttet künstliche Inseln auf und stationiert dort Streitkräfte und Waffen. Nachbarstaaten wie Vietnam oder Malaysia, die ebenfalls Gebietsansprüche haben, werden eingeschüchtert.
Was heißt das für Europa? Die EU ist keine pazifische Macht, braucht deshalb in der Region keine militärische Präsenz. Doch China ist der größte Handelspartner der Gemeinschaft. Über eine zeitgemäße Strategie für den Umgang mit dem aufsteigenden Giganten in Fernost verfügt sie aber noch immer nicht. Zwar bezeichnet sie in ihren Leitplanken China als „Wettbewerber“, „Partner“ und „systemischer Rivale“. Was dies konkret bedeutet, bleibt aber offen.
Absolut kontraproduktiv ist die Solonummer von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er warnte beim Konflikt um Taiwan davor, dass die Europäer nicht „Mitläufer“ zwischen dem „amerikanischen Rhythmus“ und einer „chinesischen Überreaktion“ sein sollten. Das sendet ein fatales Signal an die USA, die im Ukraine-Krieg Schutzmacht Europas sind. Und es produziert einen Riss in der Geschlossenheit des Westens. Taiwan ist der größte Halbleiter-Hersteller der Welt. Wenn sich die Chinesen die Insel einverleiben, sind die Vereinigten Staaten und Europa Peking auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Die EU – das gilt auch für Deutschland – sollte gegenüber der Volksrepublik keine schrille Megafon-Diplomatie betreiben. Sie muss vielmehr kühl ihre Interessen wahren. China macht dies bereits mit gnadenloser Effizienz vor. Der Globus wird eingeteilt in Absatzmärkte und Knowhow-Spender (Europa, USA, Ostasien) sowie Rohstoff-Lieferanten (Russland, Afrika, Lateinamerika). Die Europäer sollten weiter Handel mit der Volksrepublik treiben, aber strategische Industriebereiche besser schützen. Dies betrifft vor allem die wenigen Sektoren, wo sie noch Weltmarktführer sind. Der Ausverkauf des Augsburger Industrieroboter-Herstellers Kuka 2016 an die Chinesen war ein ökonomischer Sündenfall. Einige deutsche Unternehmen sind beim Wettbewerb mit dem Riesen in Fernost noch immer zu naiv.