Was wenn die KI mich als Autor überflüssig macht?
Ich bin erledigt! Also nicht körperlich oder finanziell. Aber beruflich. Erledigt als Schriftsteller und Kolumnist. Wegen ChatGPT. Alle Welt redet über dieses Künstliche-Intelligenz-Programm, das inzwischen angeblich so ausgereift ist, dass es beim Romane- und Lyrikschreiben mindestens so beeindruckende Ergebnisse produziert, wie Menschen, die zum Schreiben ein echtes Gehirn benutzen.
„Ist mir doch egal“, ist mein allererster spontaner Gedanke, „soll der Sprachroboter, der Chatbot, doch dichten was er will. Von mir aus können sich die KI-Texte hinten reimen und zwischendrin jamben, geht mich doch nix an, ich schreibe Kolumnen und bin somit unersetzlich“. Eine Kolumne soll diskussionsanregend und witzig gleichzeitig sein, und das obendrein am besten noch mit einer Prise Selbstironie. Das kann eine Maschine doch bestimmt nicht: Selbstironie. Oder?
Ich mache den Test. Alle machen momentan den Test. Jeder chatGPTet gerade fleißig in seinem jeweiligen Fachgebiet herum, um mal zu schauen, was die KI schon zu leisten im Stande ist. Es wird also Zeit, dass ich dem potenziellen Konkurrenten ins Auge schaue. Ich melde mich bei chat.openai.com an. Mir ist klar, dass das ans Eingemachte gehen kann, aber gerade deshalb gehe ich direkt in die Offensive und fordere ChatGPT auf, mir eine Kolumne zu dem Thema zu schreiben: „Braucht die Welt Kolumnisten?“
Ich bin so aufgeregt, dass ich mich zunächst vertippe und ChatGPT frage: „Braucht die Welt Kommunisten?“, worauf ich – sinngemäß – die Antwort erhalte: „Hallo? Ich bin ein KI-Modell, ein Sprachroboter, ich habe keine politische Überzeugung.“ Der Chatbot schiebt noch hinterher: „Ganz ehrlich: Weiß nicht, die einen sagen so, die anderen so. Nö, kein Plan.“ Diese Antwort ermutigt mich. Da hab ich der Künstlichen Intelligenz doch gleich was auf den Deckel gegeben, wenn auch nicht aus intellektueller Überlegenheit sondern nur aus Tipp-Tapsigkeit.
Bei der korrigierten Frage, „braucht die Welt Kolumnisten?“ aber zeigt sich der Sprachroboter schon selbstbewusster (ich zitiere wörtlich): „Ja, die Welt braucht Kolumnisten. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Meinungsbildung und der öffentlichen Diskussion.“ Es folgt ein Loblied auf meine Zunft, die sich jeder Kolumnist über den Schreibtisch hängen könnte. Alles klar: Der Roboter ist scharf auf meinen Job und baut schon mal eine Rechtfertigungsstrategie für sich auf.
„Muss eine Kolumne witzig sein?“ frage ich weiter. Antwort: „Nein, ein Kolumnist“ – ich hatte eigentlich allgemein nach der Kolumne gefragt, aber ChatGPT wird gleich persönlich! – „muss nicht zwangsläufig witzig sein.“ Stimmt zwar, aber ich wittere: Aha, er kann nicht witzig. ‚Er‘? Wieso ‚er‘? Könnte ein Sprachroboter nicht auch weiblich sein oder sächlich?
Ich hole zum entscheidenden Schlag aus und frage, ob ChatGPT selbstironisch schreiben könne. Die Antwort verblüfft mich: „Als KI-basierte Sprachassistentin (oha, also doch weiblich!) ist es für mich schwierig, selbstironische Kolumnen zu schreiben“, (ich horche auf: schwierig, aber nicht unmöglich?) „da ich nicht über menschliche Erfahrungen und das emotionale Verständnis verfüge, um Selbstironie ausdrücken zu können.“
Mal abgesehen davon, dass ich Menschen kenne, die Emotionen und Erfahrungen haben, aber trotzdem nicht selbstironisch sind, muss ich zugeben: weise gesprochen, Chatbot! „Allerdings könnte ich eine Kolumne schreiben“, tickert es auf meinem Bildschirm weiter, „die auf meine eigene technische Natur als KI-Modell abzielt, Titel: Die Einschränkungen eines Chatbots oder wie ich versuche, menschlich zu klingen.“
Alle Achtung, so viel Selbstreflexion hätte ich der Maschine gar nicht zugetraut. Und der Text, den sie zum selbstgewählten Titel liefert, ist beachtlich.
Mir kommt eine Idee: Ich kopiere die KI-geschriebene Kolumne einfach, setzte meinen Namen darunter, schicke sie an die Redaktion und streiche das Honorar dafür ein. Warum nicht? So wäre meine Arbeit ganz rasch … erledigt.