Entdecken, was verbindet – die Kultur könnte ein Vehikel in der Großregion sein. Lex Delles, Luxemburgs Wirtschafts- und Tourismusminister, sieht nach der Pandemie einen Aufschwung für den Tourismus in seinem Land.
Herr Delles, wieso gibt es im Luxemburger Wirtschaftsministerium eigentlich zwei Minister?
Wir haben im Wirtschaftsministerium sieben große Bereiche, für zwei davon bin ich zuständig und zwar für Mittelstand und Tourismus. Um die anderen kümmert sich mein Kollege Franz Fayot.
Im Großherzogtum Luxemburg arbeiten rund 50 Prozent der Arbeitnehmer in mittelständischen Unternehmen. Der Mittelstand hat ganz andere Herausforderungen zu meistern als die großen Industrieunternehmen, zum Beispiel bei der Digitalisierung oder bei Ausschreibungen. Hier ist es uns wichtig, dass die mittelständische Wirtschaft einen Ansprechpartner beziehungsweise eine zentrale Kontaktstelle hat. Im Übrigen haben wir auch in anderen Ministerien eine Aufteilung, zum Beispiel im Außenministerium mit einer Ministerin für die Großregion. Das zeigt, wie wichtig für uns die Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn ist.
Die Strukturen sind in den jeweiligen Nachbarstaaten sehr unterschiedlich. Wer ist Ihr Ansprechpartner im Saarland, wo es gar keinen Minister für Tourismus gibt?
Das ist richtig, einen direkten Ansprechpartner habe ich auf Ministerebene im Saarland nicht. Dafür gibt es viele bilaterale Beziehungen und einen sehr guten Austausch zum Beispiel mit den Tourismuszentralen in den jeweiligen Ländern. Ob nun mit der Wallonie, mit dem Département Moselle oder mit der Tourismuszentrale im Saarland und auch mit Rheinland-Pfalz. Die Zusammenarbeit ist gut, aber da steckt noch viel mehr Potenzial drin. Wir müssen beim Tourismus in grenzüberschreitenden Dimensionen denken, darauf ist unsere Strategie in Luxemburg ausgerichtet.
Können Sie das näher erläutern?
Das Saarland, Lothringen, Luxemburg und Wallonien haben die gleiche Geschichte, teilen dieselben europäischen Werte und arbeiten so gut wie in allen Bereichen partnerschaftlich zusammen. Wir haben viele Kulturen auf engem Raum, vier Länder, die sie alle, wenn Sie wollen, in einer Stunde erreichen können. So etwas ist in Europa einzigartig, und das müssen wir im Tourismus vermarkten. Es geht in unserer luxemburgischen Tourismusstrategie nicht mehr um Märkte, sondern um Zielgruppen. Wer an die Mosel in Luxemburg fährt, soll auch ins Saarland, nach Rheinland-Pfalz sowie nach Lothringen fahren. Deshalb spielt zum Beispiel das Kulturerbe, le patrimoine, beim Gedenktourismus eine wichtige Rolle. Wir haben eine gemeinsame Industriegeschichte, wir haben die Weltkriege erlebt und eine europäische Dimension in unserer Großregion. Wir denken die Großregion und nicht allein Luxemburg. Für Schengen haben wir das Schiff, auf dem das Schengener Abkommen unterzeichnet wurde, aus Regensburg zurückgekauft und bauen es jetzt zu einem Museumsschiff um. Das ist europäische Geschichte und das mitten in unserer Großregion.
Das Großherzogtum Luxemburg ist flächenmäßig in etwa so groß wie das Saarland. Gibt es viele Luxemburger, die den Urlaub zu Hause verbringen?
Während der Corona-Krise sind sicherlich viele Luxemburger im eigenen Land geblieben, aber primär ist es schon so, dass ein Teil des Urlaubs im europäischen Ausland verbracht wird und Luxemburg für die Einheimischen nicht das erste Urlaubsziel ist. Trotzdem ist unsere Strategie darauf ausgelegt, die große Vielfalt Luxemburgs mit seinen fünf Regionen bekannter zu machen und dazu zu motivieren, die Gegenden neu zu entdecken. Luxemburg ist ein Urlaubsland mit viel Wald im Norden, dem Mullertal als Wandergebiet, der Mosel mit Weinanbau im Osten, dem Tal der sieben Schlösser im Guttland, der Industriegeschichte im Süden und dem Unesco-Weltkulturerbe Luxemburg-Stadt.
In der Gesundheits-Krise haben wir übrigens 50-Euro-Gutscheine verteilt und zwar auch an Grenzgänger, damit das Hotelgewerbe besser durch die Pandemie kommt. Wir haben festgestellt, dass das gut angenommen wurde und mittlerweile auch mehr Besucher aus der Großregion zu uns kommen, weil es ihnen bei uns gefallen hat.
Es muss sicherlich unterschieden werden zwischen Freizeit-Tourismus und Geschäftsreisen. Gerade letzteres dürfte für Luxemburg sehr wichtig sein. Wie sieht dazu die Strategie aus – insbesondere, nachdem in der Corona-Krise Geschäftsreisen stark eingeschränkt wurden?
Tourismus ist kein Selbstzweck. Die Wirtschaftsleistung ist enorm. Ein Business-Tourist gibt statistisch betrachtet durchschnittlich knapp 600 Euro am Tag in Luxemburg aus. Was künftig immer wichtiger wird, ist der Kongresstourismus. Dafür gibt es seit 2019 das Luxemburger Convention Bureau. Damit haben wir eine zentrale Stelle, die für potenzielle Kunden einen Kongress komplett organisieren kann, quasi alles aus einer Hand. Dafür werden wir in den nächsten Jahren unsere Infrastruktur modernisieren und zum Teil erneuern, wie das Messegelände Luxexpo, das auf jeden Fall in der Stadt Luxemburg bleibt. Wir konzentrieren uns dabei auf Nischen, in denen wir stark sind, wie Weltraumtechnologie, Gesundheit oder Aus- und Weiterbildung. Unser Ziel ist es, dass Luxemburg zu den weltweit 50 besten Kongress-Destinationen wird. Wir liegen derzeit auf Platz 54.
Luxemburg investiert in den nächsten Jahren allein sieben Milliarden Euro in die Bahn und zwar auch für grenzüberschreitende Verbindungen. Welche Rolle spielt das für den Tourismus im Großherzogtum?
Der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs mit Bus, Bahn und Tram ist enorm wichtig für uns. Jeder, der zu bestimmten Uhrzeiten mit dem Auto nach Luxemburg-Stadt fährt, kennt die Stausituation, die wir deutlich entschärfen wollen. Dazu gehören auch die grenzüberschreitenden Verbindungen wie eine direkte Zugverbindung ins Saarland. Dass derzeit die Strecke über Metz ins Saarland präferiert wird, liegt einfach daran, dass diese Strecke schneller und einfacher zu realisieren ist als die direkte Linie Luxemburg-Saarbrücken. Trotzdem wollen wir auch die Taktung nach Trier erhöhen und das lästige Umsteigen an der Grenze zu Perl vereinfachen, um Europa für die Menschen spürbar zu erleichtern. Daran arbeiten wir.
Seit 2020 ist die Nutzung des ÖPNV in Luxemburg kostenlos. Wie wirkt sich das auf den grenzüberschreitenden Tourismus aus? Lassen die potenziellen Besucher tatsächlich ihre Autos an den Grenzen stehen?
Wir haben festgestellt, dass die Mobilitätsströme innerhalb Luxemburgs seit dem kostenlosen ÖPNV zugenommen haben. Es kommen tatsächlich mehr Besucher aus den Nachbarländern zu uns, unter ihnen auch viele Tagestouristen. Ob sie aber ihr Auto aber tatsächlich an der Grenze stehen lassen und dann den ÖPNV nutzen, das haben wir noch nicht im großen Stil gemessen.
Was liegt Ihnen beim Tourismus besonders am Herzen?
Unser Motto lautet „Menschen, Regionen, Wirtschaft“. Über den Wirtschaftsfaktor haben wir schon gesprochen, ebenso über die fünf Regionen in Luxemburg, die es neu zu entdecken gilt. Uns ist es wichtig, die Menschen über den Tourismus zusammenzubringen – durch Kultur und durch die unterschiedlichen Veranstaltungen. Wenn wir es schaffen, mehr Menschen nach Luxemburg zu locken, dann haben unsere deutschen, französischen und belgischen Nachbarn auch etwas davon. Das gilt natürlich auch umgekehrt. Deshalb ist es so wichtig, die Großregion zu denken. Wir haben schließlich in der Corona-Krise schmerzlich gelernt, was es heißt, auf geschlossene Grenzen zu treffen. Ein offenes Europa muss immer wieder neu gelebt werden.
Zum Abschluss: Spürt man in Luxemburg bereits die kommenden Wahlen?
Wir befinden uns in Luxemburg in einem Superwahljahr. Im Sommer gibt es Kommunalwahlen, im Herbst die Parlamentswahlen und 2024 finden die Europawahlen statt. Wir haben noch viele Projekte vor der Brust, die wir umsetzen wollen, die aufgrund der vielen Krisen verzögert wurden. Ein bisschen spürt man bereits dieses Superwahljahr, aber was die Parlamentswahlen im Oktober angeht, dürfte es erst nach der Sommerpause so richtig losgehen.