Die meisten Gespenster, das älteste U-Bahn-Netz, die teuerste Rasur: London ist nicht nur bei der Krönung von König Charles III. eine Stadt der Superlative. Frei nach dem Motto „Britain is Great“ bietet die Metropole etliche Rekorde – viele davon höchst ungewöhnlich.
Die Gespenster hätten es in letzter Zeit vielleicht ein wenig übertrieben, sagen Menschen, die es weiterhin gut mit ihnen meinen. Ihre Kritiker dagegen haben inzwischen die legendäre britische Contenance verloren. Sie konstatieren, die Wunderwesen seien von allen guten Geistern verlassen. Die Forderung, sich künftig gefälligst zu benehmen, wird indes vermutlich keine Wirkung zeigen. Die Angesprochenen hören partout nicht auf Ratschläge von Normalsterblichen. Traditionell scheuen Gespenster das Licht der Öffentlichkeit. Sie sind unterwegs im Verborgenen, zeigen sich nur selten und recht unerwartet.
Doch am Rande Londons tummeln sich so viele Gespenster und Poltergeister wie nirgends sonst auf der Welt. Im 500 Jahre alten Schloss Hampton Court des Tudor-Königs Heinrich VIII. spukt es an jeder Ecke – so erzählen es jedenfalls die Leute. Zwar ist es einerseits schön für Besucher, dass die Geschichte noch derart lebendig ist. Doch nur Vorteile haben die wunderlichen Aktivitäten anscheinend nicht.
„Es gibt Kollegen, die hier nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr arbeiten wollen“, sagt Ian Franklin, einer der Aufseher. In letzter Zeit ist wohl einfach zu viel passiert. Jane Seymour, dritte Frau des insgesamt sechsmal verheirateten Heinrich VIII., wurde gesichtet, als sie mit einer Kerze in der Hand über das Kopfsteinpflaster eines Innenhofs spazierte. Eine in Grau gewandete Dame, die an verschiedenen Stellen des Schlosses auftauchte, wurde als Sibell Penn identifiziert, die einst als Krankenschwester des Königssohns im Schloss wohnte.
Ein Gespenst wurde gefilmt
Die „Haunted Gallery“, berühmt-berüchtigt für seltsame Vorgänge, machte ihrem Namen alle Ehre, als zwei Besucherinnen in Ohnmacht fielen – vermutlich war Catherine Howard schuld, die fünfte Frau des Tudor-Regenten, die der Herrscher im Tower von London exekutieren ließ. Anderswo hören Nachtwächter ab und an einen Hund bellen, den man nie findet. Sogar die Überwachungskameras haben das seltsame Treiben dokumentiert und ein Gespenst aufgezeichnet, das einen Notausgang entriegelt. Oder war es doch ein Mensch aus Fleisch und Blut? „Bis heute können wir uns nicht erklären, was passiert ist“, heißt es im Schloss. Selbst auf solche Phänomene spezialisierte Experten haben keine Erklärung.
Wer das alles als esoterischen Hokuspokus abtut, wird andernorts garantiert fündig: Was Rekorde angeht, gibt es wenige Städte, die sich mit London messen können. Schon die Fahrt mit der Tube ist ein Highlight, wenn auch unter der Erde: Der erste Abschnitt der ältesten U-Bahn der Welt wurde 1836 mit einer Dampflok eröffnet. Laut den unabhängigen Experten von „Guinness World Records“, die ihr Büro natürlich ebenfalls in London haben, benötigt man mindestens 15 Stunden, 45 Minuten und 38 Sekunden, um alle 270 Stationen abzufahren.
Spannender sind da indes die Rekorde über der Erde. In der Baker Street 221b trifft man auf Sherlock Holmes: Keine fiktionale Figur wurde häufiger porträtiert als der Detektiv, zum Beispiel in den Ealing Studios, den ältesten noch arbeitenden Filmstudios. In der British Library kann man nicht nur Millionen von Schriftstücken ausleihen – hier gibt es auch etwas für die Ohren: 130.000 Geräusche aus der Tierwelt werden in den imposanten Räumen für die Nachwelt aufbewahrt. Wer dann doch lieber ein Bestimmungsbuch kaufen will, sollte in der Buchhandlung Foyle’s vorbeischauen – die Regale des größten Buchladens der Welt sind insgesamt 48 Kilometer lang.
Eine der teuersten Städte der Welt
Das älteste Geschäft für Magier lag lange Zeit nur ein paar Straßen weiter: Seit 1898 gab es bei Davenports alles, was man als angehender Zauberer so benötigt. Heute ist der Laden verschwunden – oder einfach nur nicht mehr sichtbar für uns Muggel, also Menschen ohne Zauberkräfte?
Wie auch immer: Als Alternative kann man bei der Warner-Bros.-Studio-Tour in die originalen Sets der Harry-Potter-Filme eintauchen und den Zauber des Filmemachens erleben.
Was Souvenirs angeht, können einem die Ladys and Gentlemen von Harrods sicher weiterhelfen: Das berühmte Geschäft sorgt Jahr für Jahr für Schlagzeilen, weil in keinem anderen Kaufhaus so viele Menschen so viel Geld ausgeben wie hier, im Herzen Londons. Und man kann hier so ziemlich alles bekommen, was sich auf der Welt bestellen lässt. Edel geht es auch bei Truefitt & Hill zu, wobei man Haare lassen muss: Wer sich hier den Bart rasieren lässt, frequentiert den 1805 gegründeten, ältesten Friseursalon der Welt. Das Vergnügen, eingeseift zu werden, kostet, denn auch bei den Preisen spielt London in der ersten Liga: Regelmäßig wird die Metropole zu den teuersten Städten der Welt gewählt.
Das ist indes nur die halbe Wahrheit. Für den Besuch bei Madame Tussauds wäre man gern einer derjenigen reichen Stars und Sternchen, die hier in Wachs reproduziert wurden. Um den Eintritt in den Tower von London zu bezahlen (dort feiert man noch heute die älteste militärische Zeremonie der Welt, die „Ceremony Of The Keys“, bei der die Festung zur Nacht geschlossen wird), muss man nämlich fast einen Teil der dort ausgestellten Kronjuwelen verpfänden. Der Spaß kostet ab 40 Euro – pro Erwachsenem!
Ein Irrgarten im Geisterschloss
Dabei kann man als Tourist etliche andere Highlights kostenfrei erkunden. Die National Gallery zeigt Klassiker von Vincent van Gogh und Pierre-Auguste Renoir, dazu seltene Werke der Meister Leonardo da Vinci und Michelangelo. Auch in der Tate Modern, einem der weltweit größten Museen für zeitgenössische Kunst, sind die permanenten Ausstellungen kostenlos. Unbezahlbar schön, aber ebenfalls gratis, ist der Blick vom Café im Obergeschoss auf die Themse. Der bekanntesten Dinosaurier-Art, dem T-Rex, schaut man im Natural History Museum ins Maul, während das Victoria & Albert mit seiner weltgrößten Sammlung für Design und Kunstgewerbe begeistert. Sogar das gigantisch große British Museum, in dem Schätze aus aller Welt versammelt sind, kostet keinen Penny.
Ebenso schön verirren kann man sich vor den Toren der Stadt, im Irrgarten des Geisterschlosses Hampton Court Palace. Und auch im Palast selbst: Das Gebäude hat mehr Zimmer als jedes andere im Vereinigten Königreich. „Wir gehen von 1.000 Räumen aus – plus X“, sagt Aufseher Ian Franklin. „Das bedeutet, dass wir 1.000 kennen – es aber vermutlich noch viel mehr Zimmer gibt, die verdeckt und verborgen sind.“ Es ist nicht nur das größte Gebäude weit und breit, sondern hat auch die meisten Schornsteine: 241 sollen es sein. Die Türmchen sind zwar pittoresk, aber meist nur schöner Schein, denn echte Kamine und Feuerstellen gibt es viel weniger. Auch als Herrscher kam man nicht ohne Imponiergehabe aus: Wer im 16. Jahrhundert viele Schornsteine hatte, besaß augenscheinlich viel Kohle, weil er sich das teure Heizen leisten konnte. In Wirklichkeit musste man in den feuchten englischen Wintern frieren und zog sich warm an. Im Kensington Palace wird mit der Royal Ceremonial Dress Collection nun die größte Kleidersammlung der Welt ausgestellt. Sie umfasst rund 12.000 Stücke höfischer Über- und Unterbekleidung vom 17. bis zum 21. Jahrhundert. Rekord-Highlight und weit entfernt von dem, was Victoria’s Secret in seinen schicken Boutiquen anbietet: die wohl größten königlichen Unterhosen der Welt, getragen von Queen Victoria Ende des 19. Jahrhunderts.