Alba Berlin hat die Euroleague-Saison mit einem Sieg beendet. Eine Bilanz der Hauptrunde zu ziehen, ist gar nicht so einfach. Es war zwar mehr möglich, die Playoffs wären aber wohl auch bei einem idealen Verlauf unrealistisch gewesen.
Nach der Euroleague ist vor der Euroleague? Ganz so einfach ist die Sache für Alba Berlin nicht. Denn nach zwei Jahren im wichtigsten internationalen Wettbewerb des europäischen Basketballs hat der Deutsche Meister Stand jetzt keine gültige Starterlaubnis für die Saison 2023/24. Alba durfte in den vergangenen zwei Jahren mit einer Wildcard mitmischen, doch diese läuft nun aus. Ende Mai, spätestens Anfang Juni soll darüber entschieden werden, ob Alba auch darüber hinaus an der Euroleague teilnehmen darf. Denkbar sind drei Szenarien für die Berliner. 1. Sie erhalten erneut eine Wildcard. 2. Sie werden durch eine A-Lizenz endgültig in den elitären Kreis aufgenommen. 3. Sie werden von den teilnehmenden Clubs ausgeschlossen und müssen sich bei der Bewerbung für einen Platz wieder hinten anstellen.
„War und ist auch bei uns der Plan“
Letzteres ist jedoch eher unwahrscheinlich, zumal sich die Liga auf Expansionskurs befindet. „Wir gehen davon aus, dass wir auch nächste Saison dort spielen werden“, sagte Albas Geschäftsführer Marco Baldi optimistisch: „Wir haben uns ja über Jahre schon eine Position geschaffen.“ Intern hoffen und erwarten die Macher auch, dass das vorläufige Spielrecht in ein permanentes umgewandelt wird – so wie zuvor auch beim deutschen Rivalen FC Bayern München. „Das war und ist auch bei uns der Plan“, sagte Sportdirektor Himar Ojeda über die feste Mitgliedschaft. Vielleicht wäre die frohe Botschaft der A-Lizenz schon verkündet worden, hätte es auf der Führungsebene der Euroleague keine personellen Wechsel gegeben, die den Prozess der zukunftsweisenden Entscheidungen verlangsamt haben. Doch Zweifel an Albas Zukunft in der Bestenliga gibt es so gut wie keine, weder intern noch extern.
Zum einen erkennen die Verantwortlichen der Euroleague das enorme Potenzial, das ein deutscher Hauptstadtclub mit der 14.000 Zuschauer fassenden Mercedes-Benz-Arena am Ostbahnhof mit sich bringt. Zum anderen hat Alba Berlin in den vergangenen zwei Spielzeiten bewiesen, dass das Team auch sportlich mithalten und eine andere Farbe ins Spiel bringen kann. Alba grenzt sich in der Spiel- und Clubphilosophie durchaus von vielen Vereinen ab, die in der Regel über ein deutlich größeres Budget verfügen und damit meistens fertige Spieler verpflichten und bezahlen, von denen man sicher sein kann, dass sie die Euroleague auch meistern werden. Albas Strategie aber ist eine andere, hier sollen Spieler erst zu Stars geformt werden.
Dass ein Club mit dem geringsten Etat, den jüngsten Spielern und der größten Unerfahrenheit nicht ganz vorne mitmischen kann, ist klar. Trotzdem haben sich Baldi, Ojeda, Trainer Israel Gonzalez, die Spieler und auch die Fans etwas mehr versprochen als Platz 16, der nach der Hauptrunde für die Blau-Gelben zu Buche stand. Elf Siege sind zudem die schwächste Ausbeute, seit der Titelfavorit der Basketball-Bundesliga in der Euroleague mitmischen darf. Zum Vergleich: In den Spielzeiten 2020/21 und 2021/22 hat es noch zwölf beziehungsweise 14 Siege gegeben.
Im 34. und letzten Europapokal-Saisonspiel gegen Asvel Lyon-Villeurbanne aus Frankreich verabschiedete sich Alba mit einem überzeugenden 88:71-Sieg und schloss die Tabelle als Drittletzter ab. „Diese Euroleague-Saison war hart, und ich bin sehr stolz darauf, wie der gesamte Verein sie bewältigt hat“, sagte der Trainer hinterher. Die Verantwortlichen wollten partout kein negatives Saisonfazit von den Auftritten auf internationalem Parkett ziehen. Die Umstände – sowohl wirtschaftliche als auch sportliche – werden in die Kalkulation mit einbezogen. „Man muss sich nicht schämen, wenn man da unten mit drinsteckt“, sagte Baldi, der von der „bestbesetztesten Euroleague der Geschichte“ sprach. Und in diesem dichten Gedränge an Stars hätte Alba sogar gut performt, obwohl die meisten in anderen Vereinen deutlich mehr verdienen würden. „So hochkarätig hat die Euroleague noch nie aufgefahren, das Geld da überhaupt keine Rolle gespielt hat“, sagte Baldi, „viele haben da massiv hingelangt“. Zieht Alba jetzt nach, um auch international den nächsten Schritt zu gehen? Nein. Zumindest nicht in großem Stil. „Wir können und wollen unser Budget nicht von heute auf morgen massiv erhöhen und uns so zum Playoff-Anwärter machen“, sagte Ojeda der „Berliner Zeitung“. Der für die Transfers zuständige Sportdirektor muss also auch in Zukunft mit anderen Argumenten punkten als mit dicken Geldscheinen – und das weiß er auch: „Alba steht für organisches Wachstum.“
Das ist vielleicht nicht so schnell, dafür aber nachhaltig. Das ist zumindest die Hoffnung der Clubbosse. Und die Strategie zeigt durchaus Wirkung: Anders als in den Jahren davor konnten im vergangenen Sommer zahlreiche Leistungsträger wie Maodo Lo, Jaleen Smith oder Tamir Blatt gehalten werden. Auch deshalb hatte sich im Alba-Umfeld die Hoffnung breitgemacht, in dieser Saison könnte auch in der Euroleague etwas mehr gehen. Sogar mit einem Playoff-Platz hatten manche geliebäugelt. Zumindest aber gehofft, um diesen lange mitkämpfen zu können. Und der furiose Saisonstart nährte diese Hoffnung: Mit drei Siegen in den ersten drei Spielen gegen Partizan Belgrad, Armani Mailand und Panathinaikos Athen lag Alba plötzlich ganz vorne, und nicht wenige sahen sich wohl schon in höheren Sphären schweben. Umso brutaler mutete der Absturz danach an: Eine Horror-Serie von zwölf Niederlagen in Folge bis kurz vor dem Weihnachtsfest drückte mächtig auf die Stimmung – und nagte gehörig am Selbstvertrauen. Von dieser Serie haben sich die Albatrosse nicht mehr richtig erholt, auch wenn sie in besagten Spielen nur selten komplett chancenlos waren. Manche von ihnen hätte Alba sogar gewinnen können. Doch gerade dieses Wissen machte es für die Psyche noch belastender.
Playoff-Zug früh abgefahren
„Nach dem guten Start gab es große Erwartungen“, sagte Sportdirektor Ojeda: „Hätten wir von den zwölf Niederlagen in Serie das ein oder andere knappe Spiel mehr gewonnen, wäre die Situation natürlich eine ganz andere.“ So aber quälte sich Alba oft bis zum Ende der Hauptrunde, spektakuläre Siege wie gegen Mailand, Efes Istanbul oder den FC Bayern München blieben die Ausnahme.
Der Playoff-Zug war früh abgefahren, es ging nur noch darum, nicht als Letzter abzuschließen und sich mit Anstand zu verabschieden. Das Positive ist: Die Niederlagen haben sich nicht negativ auf die Bundesliga ausgewirkt, dort lief und läuft alles nach Plan. Auch wenn die Doppelbelastung körperlich eine Mammutaufgabe war.
„Man sieht es ja, einige können nicht mehr laufen. Das muss man so deutlich sagen. Wenn die rauskamen, sind die zum Teil auf Zehenspitzen so rausgetänzelt, weil sie nicht mehr richtig auftreten konnten. Das ist jetzt schon an der Grenze“, sagte Manager Baldi. Monatelang spielten die Berliner im Drei-Tage-Rhythmus, manchmal war die Pause zwischen zwei Partien sogar noch kürzer. Kein Wunder, dass sich Verletzungen und Erkrankungen häuften, nicht selten schleppten sich Profis auch angeschlagen aufs Parkett. „Manche stecken das ein bisschen besser weg, aber anderen sieht man an, dass null Frische da ist“, meinte Baldi. Der Geschäftsführer will das aber nicht als Ausrede anführen, zumal er weiß: Die Belastungen werden auch in Zukunft nicht kleiner, sollte Alba weiter im Konzert der Großen mitspielen dürfen.