Am 3. Mai ist Tag der Pressefreiheit. Wie geht es den Medien hierzulande? Laut „Reporter ohne Grenzen“ liegt Deutschland nur noch auf Platz 17.
Behangen mit Presseausweisen und schwer bepackt mit seiner Ausrüstung ist der Fotoreporter unterwegs zu seinem nächsten Einsatz. Ob auf einer Friedensdemonstration oder bei einer Blockade von Klimaaktivisten – viele Demonstrationen in der Hauptstadt sind für den Berliner Journalisten regelrechte Großkampftage. Absolut unberechenbar sind in Berlin die Demonstrationen am 1. Mai.
Auf dem Hermannplatz in Berlin-Neukölln haben sich am Tag der Arbeit im vergangenen Jahr wieder die verschiedenen Blöcke zur revolutionären 1. Mai-Demonstration versammelt. Die Teilnehmer beinahe allesamt in schwarz gekleidet, der Kapuzenpullover gehört als Outfit fest dazu, die Kopfbedeckung tief ins Gesicht gezogen. Doch im ersten Block gibt es schon reichlich Ärger, bevor es überhaupt losgeht. Die Kollegen machen Bilder von den meist weiblichen Demonstranten. Daraufhin mischt sich der Veranstalter ein und verbietet das Fotografieren der Teilnehmerinnen. Dabei beruft er sich auf das neue Recht, dass er sich als Anmelder doch schon aussuchen dürfte, welche Medien da fotografieren und filmen. Der Veranstalter hat Recht, denn das entsprechende Gesetz wurde im Sinne der Veranstalter einer Demonstration geändert. Demnach kann der Anmelder ihm unliebsame Journalisten vom Aufzug ausschließen. Eine Gesetzesänderung, die allerdings nur in Berlin so besteht.
Veränderte Arbeitswelt
Bei der anschließenden Diskussion beruft sich dann der Anmelder auch noch auf die Scharia, wonach muslimische Frauen auf der Straße nicht einfach so abgelichtet werden dürften. Die involvierten Polizisten geben ihm auch da Recht und die Fotografen müssen ihre Bilder wieder löschen. Entgegen der allgemein gültigen Rechtsprechung. Ist eine Demonstration auf öffentlichem Straßenland angemeldet, gilt das Gebot, die Demonstranten auch ablichten zu dürfen. Das Wort Demonstration kommt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt „zeigen“. Bislang galt in Deutschland, wer angemeldet in der Öffentlichkeit seine Meinung kundtut, der muss sich auch gefallen lassen, von der Presse wahrgenommen, also fotografiert oder gefilmt zu werden.
Doch dieser Grundsatz gilt, zumindest in Berlin, nicht mehr. Das hat Folgen, denn nicht nur muslimische, oder radikal linke Gruppen machen sich diesen juristischen Kniff zu eigen. Auch auf der anderen Seite, beispielsweise bei Rechtspopulisten, sucht man sich längst die Berichterstatter handverlesen aus. Doch wenn die Reporter nicht mehr im Demonstrationszug mitlaufen dürfen, sondern nur noch hinterherdackeln müssen, dann ist eine umfassende, offene Berichterstattung nicht mehr möglich.
Gerade in den letzten vier Jahren hat sich die Arbeitswelt für Reporter erheblich zum Nachteil verändert. Spätestens mit den Corona-Maßnahmen wurde das Arbeitsumfeld erheblich eingeschränkt. Da gab es unter anderem den Streit zwischen Polizei und Berichterstattern über die Teilnehmerzahl bei diversen Demonstrationen, die skurril anmuteten. Laut Infektionsschutzgesetz durften in den Tagen der Corona-Maßnahmen nicht mehr als 4.000 Menschen demonstrieren. Anderenfalls hätte der der Protestzug aufgelöst werden müssen. Also behauptete die Polizei fortan, „bis zu 4.000 Personen“ hätten an einer Demonstration teilgenommen, auch wenn die Zahl für jeden Anwesenden offensichtlich viel zu tief gegriffen war. Doch hätte die Polizeiführung eingestanden, dass da eventuell bis 30.000 Menschen unterwegs waren, hätte dies für die Polizeieinsatzleiter, mit allen disziplinarischen Maßnahmen, erhebliche Folgen gehabt. Also rechnete man die Teilnehmer kurzerhand auf das zulässige Mindestmaß runter. Jeder Fernsehzuschauer konnte sehen, dass da was mit der angegebenen Teilnehmerzahl nicht stimmen konnte. Vielleicht auch ein Grund, warum im weiteren Verlauf der Corona-Demonstrationen dann immer häufiger Reporter als „Lügenpresse“ beschimpft wurden.
Publizistische Vielfalt nimmt weiter ab
Auch die nicht abbrechenden Skandale um die öffentlich-rechtlichen Medien sind dem Image der Presse als vierte Gewalt alles andere als zuträglich. Die Öffentlich-Rechtlichen stehen nicht gut da, angefangen bei exorbitanten Zahlungen für Intendantinnen und Direktoren bis hin zu peinlichen Faux-pas wie etwa einem fatalen Übersetzungsfehler des ARD-„Faktenfinders“ hinsichtlich einer Aussage des amerikanischen Investigativjournalisten Seymour Hersh zur Sprengung der Nord-Stream-Pipelines. Jeder weitere Fehler, jeder weitere Skandal der staatlichen Sendeanstalten – und sei er noch so klein – ist wie Öl auf die Mühlen all derer, die sich schon lange von ihnen abgewandt haben. Was selbstredend auch Auswirkungen auf das gesamte Image der Branche hat.
Eine Glanzrolle spielt Deutschland auch nicht in Sachen Pressefreiheit. Nach einer Evaluierung von „Reporter ohne Grenzen“ ist Deutschland bereits 2021 erstmals aus der Spitzengruppe geflogen. Im vergangenen Jahr sah es nicht besser aus. Deutschland lag 2022 nur auf Platz 17, hinter den skandinavischen und einigen anderen europäischen Staaten, aber auch noch hinter Jamaika und Costa Rica. Zum sechsten Mal in Folge liegt Norwegen auf Platz eins – unter anderem aufgrund eines großen Medienpluralismus, großer Unabhängigkeit der Medien von der Politik, starker Informationsfreiheitsgesetze und eines trotz gelegentlicher Online-Attacken journalistenfreundlichen Klimas.
Die publizistische Vielfalt hierzulande nimmt indes weiter ab. Im Mai 2021 übernahmen die „Badischen Neuesten Nachrichten“ in Karlsruhe das bislang eigenständige Badische Tagblatt (Baden-Baden). Die Verbreitungsgebiete der beiden Nachbarzeitungen überschneiden sich und bieten viele Fusionsmöglichkeiten, die eigenständige überregionale Berichterstattung des „Badischen Tagblatts“ soll aber „vorerst” erhalten bleiben. Im Januar 2022 kündigte der Verlag von „Stuttgarter Nachrichten“ und „Stuttgarter Zeitung“ an, rund 50 redaktionelle Stellen abzubauen. Das entspricht etwa 20 Prozent der gesamten Redaktion und betrifft sowohl Mantel- als auch Regional- und Lokalredaktionen. Auch die Zerschlagung des mit RTL fusionierte Zeitschriftenverlag Gruner und Jahr vor Kurzem hat die Vielfalt gedrosselt. Etliche Publikationen wurden eingestellt, 700 Medienschaffende entlassen.