Politischer Existenzkampf ist für die FDP nichts völlig Neues. Klare Kante in der Koalition soll das Profil für Landtagswahlen stärken. Ein riskantes Unterfangen.
Wenn die FDP zu einem Bundesparteitag lädt, dann ist das auch immer ein Schaulauf der deutschen Wirtschaft. Rein räumlich teilt sich so ein Parteitag der Liberalen in zwei gleich große Sektionen: den Showroom und das Plenum, wo der eigentliche Parteitag stattfindet. In der ersten Halle ist so ziemlich alles an Lobby-Verbänden vertreten, was Deutschland aufzubieten hat. Vom Bundesverband der Personaldienstleister und der privaten Krankenversicherungen über die deutsche Zigarettenwirtschaft bis hin zum Immobilienverband.
Es sind mehrheitlich die Großspender der Liberalen, die sich da ein Stelldichein geben und an die Parteitagsdelegierten und ihre Gäste kleine Geschenke verteilen. Zum guten Ton gehört, dass sich dann auch die Bundesminister der Partei an den Ständen blicken lassen. Bundesjustizminister Marco Buschmann zum Beispiel, der erst bei der Bauwirtschaft für ein paar Selfies vorbeischaut und dann weiter pilgert zum nächsten Lobbyverband. Liberale Kundenpflege könnte man sowas auch nennen, der nächste Wahlkampf kommt bestimmt.
Inhaltlich hat sich die FDP nun erneut noch mal per Parteitagsbeschlüssen weiter von den Ampelpartnern abgegrenzt. Parteichef Lindner pocht auf die Einhaltung der Schuldenbremse, keine Steuererhöhungen und vor allem müsse das Gebäude-Energiegesetz „nachgebessert“ (oder besser: noch weiter verwässert) werden – eines der wichtigsten Vorhaben, wie aus den Landesverbänden zu hören ist. Es geht um das Ende der fossilen Brenner wie Gas- und Ölheizungen in Wohngebäuden. Für die Liberalen ein klarer Angriff auf die Entscheidungsfreiheit der Bürger, vor allem der Wohneigentümer. Der Heizkessel im Keller als zukünftiger Wahlkampfschlager. Auch der forcierte Autobahnausbau ist den Liberalen wichtig, dazu das Leib- und Magenthema: Kein Aus für Verbrennermotoren ab 2035. Die FDP bleibt auch weiterhin Autofahrerpartei.
Die ganze Ausrichtung dieser Beschlüsse hat eine Richtung, schließlich stehen in diesem Jahr noch drei weitere Landtagswahlen an. Wobei der Urnengang am 14. Mai in Bremen nicht ganz so ins Gewicht fällt, doch am 8. Oktober sind Bayern und Hessen dran – zwei Flächenländer mit vielen Pendlern und Eigenheimbesitzern.
Weichenstellung bei Landtagswahlen
Seit der Verantwortungsübernahme in der Ampelregierung haben die Liberalen bei vier Landtagswahlen Schiffbruch erlitten: zwei Mal aus dem Parlament geflogen, zwei Mal die Regierungsbeteiligung verloren. So kann es nicht weitergehen, da sind sich in der FDP alle einig. Doch Mitregieren im Bund und gleichzeitig in den Ländern als Oppositionspartei auftreten ist ein schwer lösbarer Widerspruch.
Die Beschlüsse des Parteitages rütteln an vielen eigentlich vereinbarten Punkten des Ampel-Koalitionsvertrages. Da wird eine Ausweitung von Gentechnologie bei der Nahrungsmittelproduktion oder die Zulassung der Schiefergas-Förderung in Deutschland gefordert. Dazu kommt dann noch die weitere Forschung bei der Kernenergie. Also ein Wiederaufbau der gerade erst abgeschalteten Atomwirtschaft. Die Grünen machen das garantiert nicht mit, auch bei der SPD dürften diese Ideen auf Widerstand stoßen. Doch für die Liberalen geht es um eines ihrer politischen Grundelemente: wirtschaftliches Wachstum. „Wohlstand ist kein Naturgesetz. Wohlstand muss verdient und erarbeitet werden“, bringt es FDP-Generalsekretär Djir-Sarai auf den Punkt. „Das Philosophieren über Nullwachstum und Wohlstandsverzicht mag links-grüne Stuhlkreise faszinieren, für uns ist es aber definitiv kein Zukunftsmodell.“ Klare Kampfansage an die Koalitionspartner in der Ampelregierung mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen. Nach den Landtagswahlpleiten der letzten zwei Jahre geht es für die FDP um die nackte Existenz.
Das Dilemma: Vier FDP-Bundesminister im Kabinett Scholz haben genau gegenteilige Entscheidungen zu ihren Parteitagsbeschlüssen bislang mitgetragen. Die FDP will zum einen also staatstragend auftreten und an bundesweiten Entscheidungen mitwirken, zugleich aber Opposition sein. Hüh und Hott der Bundespartei. Die Landesverbände müssen dies dann irgendwie ausbaden. Viele in der FDP erinnern sich in diesem Frühsommer nur zu gut an den Lindner-Ausspruch vom 20. November 2017, als er morgens um eins die Jamaika-Koalitionsverhandlungen platzen ließ: „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“.