Polizeireform, Flüchtlinge, kommunale Situation: Über einen Mangel an Herausforderungen kann Reinhold Jost kaum klagen. Seit einem Jahr führt er mit dem Ministerium für Inneres, Bauen und Sport ein Ressort, in dem viele Entwicklungen zusammenlaufen – was schon naturgemäß konfliktträchtig ist.
Dass Minister ihre Aufgaben innerhalb der Landesregierung wechseln und ein anderes Ressort übernehmen, ist zwar nicht alltäglich, kommt aber in schöner Regelmäßigkeit vor. Die Alleinregierung durch die SPD an der Saar nach dem Wahlsieg vor einem Jahr hat für Reinhold Jost den Umzug vom Umwelt- zum Innenressort mit sich gebracht. Nicht unbedingt erwartet, aber auch keine ganz große Überraschung.
Auch wenn Jost durch seine Regierungserfahrung und die recht gute (parteiübergreifende) Zusammenarbeit mit seinem früheren Kollegen und Amtsvorgänger Klaus Bouillon das Innenressort kein völlig fremdes Terrain war, war es dennoch wie ein Wechsel in eine andere Welt. Statt „Bienchen und Blümchen“ harter Polizeialltag, drängende Flüchtlingssituation, klamme Kommunalkassen und offene Baustellen.
Das Ministerium mit dem vergleichsweise knappen Titel „Inneres, Bauen und Sport“ hat es in sich. Vorgänger Klaus Bouillon hatte spätestens, seitdem Bauen als zusätzlicher Aufgabenbrocken definiert war, immer wieder durchblicken lassen, was damit alles auf diesem Haus lastet. Schließlich fordert der Bereich „Inneres“ schon ganze Aufmerksamkeit mit den Zuständigkeiten für Polizei, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz und dem großen Themenfeld Kommunen, vom kommunalen Finanzausgleich bis zur Aufsicht.
Gerade in diesen Bereichen hat der Krieg in der Ukraine, der kurz vor der Wahl und der anschließenden Regierungsbildung durch den Überfall von Putins Truppen auf die Ukraine begonnen hatte, die Arbeitsgrundlagen zum Teil massiv verändert.
Land und Kommunen waren und sind wieder mit den Herausforderungen einer großen Zahl Geflüchteter konfrontiert. Die Bereitschaft, zu helfen, war und ist auf allen Ebenen ausgesprochen groß, allerdings sind wegen der großen Zahl die Möglichkeiten auch an Grenzen gestoßen. Zudem zeichnete sich dann auch ab, dass mit einem schnellen Ende des Krieges kaum zu rechnen ist. Eine baldige Rückkehr in die Heimat, wie sie der ganz überwiegende Teil der Ukrainerinnen und Ukrainer nach wie vor wünscht, bleibt absehbar wenig realistisch.
Gleichzeitig nimmt die Zahl Geflüchteter aus anderen Kriegs- und Krisenregionen wieder zu. Mit dem Containerdorf in Ensdorf wollte Jost für Entlastung und Entspannung sorgen. Während andernorts in der Republik solche Vorhaben auf massive Proteste treffen, wurde das Vorhaben vor allem auf kommunaler Seite begrüßt. Widerspruch gab es trotzdem. Das Vorhaben sei Folge einer verfehlten Strategie für die Aufnahmestelle Lebach, sagt etwa die „Aktion 3. Welt Saar“.
Zwischen Reform der Polizei und Olympia
In dieser Aufnahmestelle ist Jost wiederum in seiner Doppelfunktion als Innen- und Bauminister aktiv. Das Areal ist eine Großbaustelle, neue Gebäude wurden mit aktuellsten Standards beispielsweise in Sachen Klimaschutz errichtet, Renovierungen in Gang gesetzt. Die Aufnahmestelle ist bis zum Anschlag beansprucht.
Unisono geht eine zentrale Botschaft aller Beteiligter in Richtung Berlin: Der Bund muss sich vor allem finanziell mehr engagieren. Dabei geht es nicht nur um die Unterbringung, sondern beispielsweise auch um Themen wie Kitas und Schulen.
Baustellen sowohl im wahrsten wie im weitesten Wortsinn hat der Minister auch bei der Polizei. Noch vom Vorgänger initiiert warten zwei Großprojekte auf Vollendung. Das neue Polizeizentrum Guy Lachmann in Kirkel (ehemalige Praktiker-Zentrale) wartet auf Bezug. Der hatte sich zuletzt noch verzögert. In der Mainzer Straße in Saarbrücken wird es noch etwas dauern, bis das dortige Großprojekt für die Polizei bezugsfertig ist.
Bis dahin sollte die jetzt in Gang gesetzte Reform auch Gestalt haben. Auf der Basis einer Potenzialanalyse will Jost vor allem Doppelstrukturen abbauen und damit mehr Personal für den Einsatz in der Fläche gewinnen. Überhaupt soll die Zahl der Köpfe in der Polizei nach einer Zeit des Personalabbaus wieder wachsen.
Wo jetzt der politische Wille für diese Wende vorhanden ist, wird gleichzeitig die Personalgewinnung schwieriger. Die Konkurrenz um qualifizierten Nachwuchs ist beträchtlich. Da helfen nur gute Arbeitsbedingungen und ein attraktives Berufsfeld, sagt nicht nur die Gewerkschaft der Polizei. Gleichzeitig sieht sich die Polizei – und mit ihr auch andere Hilfs- und Rettungsdienste – einer zunehmenden Respektlosigkeit und damit einhergehenden Attacken und Angriffen im Dienst ausgesetzt. Ein Phänomen, das dringend klare Antworten erfordert. Während die einen schärfere Gesetze fordern, würde man es innerhalb der Polizei schon außerordentlich begrüßen, wenn die bestehenden Möglichkeiten konsequent zur Anwendung und Durchsetzung kämen. Womit die Wurzeln dieser schon länger anhaltenden gesellschaftlichen Tendenz noch kaum berührt werden.
Jost hat sich relativ schnell Vertrauen innerhalb der Polizei erarbeitet, was weniger an markigen Sprüchen liegt, sondern an seiner Art, sich vor Ort und unmittelbar mit den Herausforderungen auseinanderzusetzen. Das heißt aber auch umgekehrt, dass es eine entsprechende Erwartungshaltung gibt. Reformen werden naturgemäß nicht bei allen auf Zustimmung stoßen können.
Da kann er in seiner Funktion als Sportminister womöglich mit anderen Reaktionen rechnen. Die Bemühungen laufen, von den Olympischen Spielen auch als Saarland zu profitieren, wenn diese, wie Jost in seiner Art formuliert, „in unserem Vorort Paris“ stattfinden. Kritiker meinen zwar, der Zug sei bei Veranstaltungen dieser Dimension schon abgefahren, am Einsatz für das Sportland Saarland will der Minister aber keinen Zweifel aufkommen lassen. Das ist allerdings ein ganz anderes Kapitel.