Musikerin Caterina Westphal beschreibt in ihrem Roman „Herzstation“ ein Gesundheitssystem, das sowohl Patienten als auch Krankenschwestern schlaucht. Das Buch basiert auf den Erlebnissen ihrer Schwester.
Inkompetente Chefärzte, faule Chirurgen, Sparzwang, Stress und Überstunden ohne Ende: Manchmal ist es schier zum Verzweifeln für Krankenschwester Lenja, Hauptfigur in Caterina Westphals Roman „Herzstation: Lach doch, wenn du noch kannst“ (Eulenspiegelverlag). Das Traurige: Die Geschichten sind grundsätzlich nicht frei erfunden, sondern basieren auf Aussagen ihrer eigenen Schwester, einst Mitarbeiterin einer kardiochirurgischen Intensivstation.
Da werden laut Schilderungen an älteren Patienten Operationen durchgeführt, nur damit die Klinik-Kasse stimmt. Eine neue Herzklappe für einen schwerstkranken 90-Jährigen? Kein Problem. Am nächsten Tag ist der Mann tot. Was sich oft liest, wie ein makabrer Schwank, ist in deutschen Krankenhäusern offenbar bittere Realität. In einer anderen Klinik würden wiederum junge Ärzte als Chefs arbeiten, obwohl sie ihr Handwerk (noch) nicht beherrschen. Mit Folgen für Patienten. Leben beziehungsweise Überleben wird da schnell zum Lotterie-Spiel. Den Profitdruck der Hospitäler bekommen laut Caterina Westphal aber auch Mitarbeitende zu spüren. Die Fluktuation sei hoch, die Bezahlung oft mies.
„Willige und professionelle Pfleger und Krankenschwestern werden in vielen Krankenhäusern verschlissen, weil sie Druck und Umständen nicht gewachsen sein können“, moniert die Autorin. Auslöser der Zustände sei das Gesundheitssystem selbst. Denn mit kranken Menschen müsse hier Geld verdient werden, beklagt die gebürtige Potsdamerin.
Die 58-Jährige beschreibt ihre jüngere Schwester als lebenslustigen, offenen Menschen, der anderen Menschen helfen will. „Doch ich erlebte sie zunehmend einsilbig und desillusioniert, weil sie der Arbeitsalltag schlauchte.“ Der Tipp von Caterina Westphal an die kleine Schwester lautete, das Erlebte aufzuschreiben. „Wie sich herausstellte hatte mein Schwesterherz ein wahres Elefantengedächtnis und notierte auch im Rückblick sehr detailreich. So schrieb sie sich ihren Ärger von der Seele.“
„Sie wurde desillusionierter“
Etwas später las sich die Autorin einige Manuskripte durch und entschied: „Das müssen noch mehr Leute lesen. Ich wollte aber eine Form, die viele Leser erreicht und mehr als die hinlänglich bekannten sachlich-fachlichen Klinikberichte.“ Andererseits sei das (Zerr-)Bild deutscher Krankenhäuser auch von diversen Arzt-TV-Serien geprägt.
nicht nur um Missstände - Foto: Verlag Neues Leben
Caterina Westphal gewährt in „Herzstation“ Einblicke in eine Gesundheitsbranche, die anscheinend selbst krank ist und auch ihre Mitarbeitenden krank macht. „Zwar ist es ein Roman, doch die konkret geschilderten Fälle stimmen zu 100 Prozent“, betont die Brandenburgerin. Im Buch geht es aber nicht nur um Missstände. Am Rande erfährt der Leser etwa, wie eine todkranke Frau im Krankenhaus heiratet und noch in der Hochzeitsnacht verstirbt. In einem anderen Kapitel berichtet die Schreiberin von Patienten, die Tage vorher bewusst merken, dass sie sterben werden. Übereinstimmend sprechen sie von Erscheinungen, etwa von der Einbildung, bereits verstorbene Verwandte stünden vor ihnen. Eine weitere Erkenntnis der Lektüre: Mediziner wissen selten, welchen Status und Beruf ihre Patienten im richtigen Leben haben: Auf der Intensivstation sind alle gleich!
Caterina Westphal schrieb einen traurigen und heiteren Roman zugleich. Es ist ihr erstes Buch überhaupt. Im Café-Gespräch im Berliner Friedrichshain kann man ihr die Betroffenheit über die Zustände in Kliniken anmerken. Ihr etwas Privates zu entlocken ist dagegen schwierig. Die Märkerin ist eigentlich Komponistin, Sängerin, Texterin und Instrumentalistin im Golzower Tonstudio von „Kabumm Records“, das sie mit Partner und Musiker Thommy Krawallo (bürgerlich: Thomas Harendt) betreibt.
Sie spielt unter anderem Keyboard, Klavier und Akkordeon und komponierte zuletzt Songs für die Kinder-CD „Die Welt ist ein Zirkus“. Dazu drehte sie auch ein Musikvideo. „Schriftstellerin wollte ich eigentlich nicht werden“, lächelt die sympathische Musikerin. 1964 in Potsdam geboren, in Berlin und später bei Strausberg aufgewachsen, besuchte sie die musikbetonte Georg-Friedrich-Händel-Schule Berlin. Heute lebt sie in Golzow im Landkreis Potsdam-Mittelmark.
„Als ich 14 war, zogen wir raus ins Märkische. Saubere Luft, Wasser, herrliche Natur: Dass das östliche Brandenburg eine schöne Ecke ist, merkte ich schon damals“, so die Mutter eines Kindes, die an der Berliner Humboldt-Uni einst Kultur- und Musikwissenschaften studierte und später als Redakteurin und Kulturmanagerin tätig war.
Zwei ihrer Musiktheaterstücke (Text und Musik) wurden vom Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden uraufgeführt. Aktuell produziert und arrangiert sie die neue CD „Irreversibel“ von Thommy Krawallo. Sie selbst sei allerdings nicht unbedingt eine „Konzertgängerin“. Zum Schluss erwähnt Caterina Westphal noch, dass ihre Schwester nicht mehr im Krankenhaus arbeitet.