Kann Deutschland beim Eurovision Song Contest das Schlusslicht abgeben?
Beim ESC geht Deutschland am 13. Mai wieder als Favorit für den letzten Platz ins Rennen. Bei 66 Teilnahmen seit 1956 kam es nur zu läppischen zwei Siegen von Nicole (1982) und Lena Meyer-Landrut (2010). Dem stehen aber acht letzte Plätze gegenüber, dreimal sogar mit der Null-Punkte-Höchststrafe. Nur Finnland und Norwegen schnitten noch etwas schlechter ab.
Die vergangenen drei Wettbewerbe endeten für uns besonders desaströs: 2019 Vorletzter, 2021 und 2022 Letzter. Da war es echt ein Glücksfall, dass der ESC 2020 wegen Corona ausgefallen ist! Die rein saarländische Bilanz zeigt ein wenig mehr Höhen als Tiefen: 1974 wurden Cindy & Bert Letzte, 1982 kam Nicole auf Platz eins und 1986 Ingrid Peters auf Platz acht.
Nun also geht es am 13. Mai in Liverpool wieder um die begehrten „Twelve Points“, die unsere Interpreten zuletzt nur noch vom Hörensagen kannten. Beim nationalen Vorentscheid im März konnte wieder mal jeder teilnehmen, der noch nie einen Hit hatte und den niemand wirklich kennt. Durchgesetzt haben sich die Glam-Rocker „Lord of the Lost“, die bezeichnenderweise den Verlust schon im Namen tragen und damit gut in die misserfolgsverwöhnte Reihe deutscher ESC-Nobodys passen.
Kürzlich hat tatsächlich jemand vorgeschlagen, doch besser immer den Vorentscheids-Letzten ins Finale zu schicken, weil dieser wenigstens das Gefühl der Missachtung schon gut kennt. Sowas wäre natürlich Unsinn. Und dass Unsinn beim ESC nichts verloren hat, zeigen doch die einstmals gut platzierten deutschen Beiträge „Wadde Hadde dudde da“ oder „Gildo hat euch lieb“, die unserer Muttersprache maximal huldigten. Daran müsste man anknüpfen und ernsthaft programmatische Titel wie „Nit schon widder Letschder wern!“ oder „ESC, komm hab mich lieb!“ ins Rennen schicken. Das wäre ein verständlicher Hinweis an Jury und Publikum, dass Deutschland sich zuletzt ein wenig im Stich gelassen gefühlt hat.
Auch bei der Interpreten-Auswahl sollten wir lieber auf richtige Stars setzen und dabei natürlich gendergerecht männlich, weiblich und divers berücksichtigen. Da „divers“ allerdings wegen der begrenzten Bühnengröße nur mit einer Person besetzt werden kann, hielten wir ein Trio namens „m/w/d-Singers“ aus Sarah Connor, Mark Forster und Conchita Wurst für durchaus erfolgversprechend.
Bei der Auswahl der Songs sollte man künftig Vorjahreserfahrungen besser nutzen: Statt weiter unsere mainstreamigen Titel an den Start zu schicken, müssten auch wir Lieder nominieren, die nach dem ESC – mit Ausnahme vielleicht im Siegerland – niemand mehr hören wird und will. Im Vorjahr hat die Ukraine gewonnen, weil man zu Recht Mitgefühl mit der überfallenen Nation demonstrieren wollte. Da es sich natürlich aus Gründen der musikalischen Fairness verbietet, sich nur wegen eines ESC-Sieges von einem Aggressor angreifen zu lassen, muss Deutschland sich etwas anderes einfallen lassen. Zur Not könnte man Vorentscheid-Moderatorin Barbara Schöneberger gleich selbst als Interpretin zum ESC-Finale schicken: Sie ist schräg, trägt immer lustige Kostüme und macht alles recht erfolgreich, was irgendwie Geld bringt.
Wenn also künftig die bestmöglichen Vorkehrungen für eine erfolgreiche deutsche ESC-Zeitenwende gestellt sind, müsste nur noch das Problem der fehlenden Voting-Stimmen so gelöst werden, wie es sich für eine erfolgreiche Wirtschaftsnation gehört. Wofür gehen sonst unsere ESC-Millionen drauf? Uns ist kein anderer Bereich bekannt, wo sich ein Hauptsponsor Jahr für Jahr regelrecht demütigen lässt, während zahlungsschwache Nobodys sich gegenseitig die Stimmen zuschanzen. Neid und Missgunst können ja nicht die Ursache dieser Missachtung sein, denn Europa kämpft ja schließlich nicht gegeneinander, sondern gegen … Na ja, Sie wissen schon! Vielleicht könnte Deutschland künftig einfach unter einem anderen Namen antreten oder anonym als „The Masked Nation“?
Von einem Land, das unsere europäischen Freunde beim ESC immer ganz nach hinten verbannen, dürfen sie jedenfalls keine Führungsrolle erwarten!