Die Pandemie ist zu Ende und für die deutschen Profiligen geht es finanziell wieder aufwärts. Die DFL ist für mehr Geld sogar bereit, sich einem Investor zu öffnen. Die Fans haben Bedenken – zu Recht.
Der deutsche Profifußball erholt sich von den finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie und hat seinen Umsatz in der vergangenen Spielzeit um 10,5 Prozent im Vergleich zur Vorsaison auf 4,48 Milliarden Euro gesteigert. Die Einnahmen liegen aber immer noch rund 325 Millionen Euro unter dem Rekorderlös von 4,8 Milliarden Euro, den die 36 Erst- und Zweitligisten in der Spielzeit 2018/19 erzielt hatten. Das geht aus dem „Wirtschaftsreport 2023“ hervor, den die Deutsche Fußball Liga (DFL) im April veröffentlichte. Ein neuer Umsatzrekord wurde unter anderem deshalb verfehlt, weil es in der vergangenen Saison noch Einschränkungen bei der Zulassung von Zuschauern gegeben hatte. Deshalb lagen die Erträge in diesem Bereich „nur“ bei 402 Millionen Euro – im Vergleich zu 650 Millionen in der Spielzeit 2018/19. Außerdem spielen die etwas niedrigeren Erlöse aus dem Verkauf der deutschsprachigen Medienrechte (1,1 Milliarden statt 1,2 Milliarden Euro) eine Rolle. „Man kann angesichts der vorliegenden Zahlen von einer leichten wirtschaftlichen Erholung sprechen, aber noch lange nicht von einer Entwarnung. Vom Vor-Corona-Niveau sind die Bundesliga und die 2. Bundesliga in Summe noch weit entfernt“, sagte DFL-Aufsichtsratsboss Hans-Joachim Watzke: „Liga und Clubs werden gemeinsam Wege finden müssen, um sich weiterzuentwickeln, die Attraktivität der Wettbewerbe und die sportliche sowie wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit auf internationaler Ebene zu erhalten und zugleich Besonderheiten des deutschen Fußballs zu bewahren.“
Drei Punkte fallen beim Report direkt ins Auge: Niedrigere Gehälter, mediales Minus und mehr Angestellte. Die Umsätze steigen, doch die Gehälter sinken. In der Fußball-Bundesliga wurden in der abgelaufenen Spielzeit rund 1,47 Milliarden Euro an die Spieler gezahlt – das sind knapp 100 Millionen Euro und 6,3 Prozent weniger als im Vorjahr, als die höchste deutsche Spielklasse noch bei rund 1,57 Milliarden Euro lag. Die Personalaufwandsquote ist in der Bundesliga auf den Wert von 40,7 Prozent gesunken und liegt damit unter den anderen Topligen Europas. Nach einem Report der Europäischen Fußball-Union (Uefa) aus dem Februar 2023 liegt die Personalaufwandsquote in der englischen Premier League, der italienischen Serie A, der spanischen Primera Division und der französischen Ligue 1 um sechs bis 28 Prozentpunkte höher. In der 2. Bundesliga sind die Gehälter an sich zwar gestiegen. Da der Umsatz deutlich stärker anwuchs, sank die Quote für die Ausgaben in die Profimannschaft auf einen Tiefstwert von 30,2 Prozent.
Weniger Gehalt, mehr Angestellte
Die im DFL-Report ausgewertete Spielzeit ist die erste mit dem neuen Medienvertrag über vier Jahre. Wurden im vorherigen Zeitraum durchschnittlich 1,16 Milliarden Euro pro Saison verteilt, sind es ab 2021/22 noch 1,1 Milliarden Euro. „Wir haben ein ordentliches Ergebnis erzielt, das sich in diesen Zeiten sehen lassen kann“, hatte der damalige Geschäftsführer Christian Seifert zum damaligen Ergebnis, das mitten im ersten Corona-Jahr ausgehandelt wurde, gesagt. Den Rückgang legt auch der nun veröffentlichte DFL-Report dar. Die Kennzahlen der medialen Verwertung sanken im Vergleich zur Vorsaison merklich, sowohl absolut als auch anteilig. Aufgefangen wird das Minus von den deutlich gestiegenen Spiel-Erträgen durch die Rückkehr der Zuschauer in die Stadien, nachdem pandemiebedingte Einschränkungen teilweise aufgehoben wurden. Der mögliche Teilverkauf von Medienrechten an Finanzinvestoren soll nun helfen, frisches Geld für die Clubs bereitzustellen. „Ein Liga-Partner könnte, aus meiner Sicht, übrigens auch ein zusätzlicher Schutz für 50+1 sein. Denn: Eine gut funktionierende DFL ist für alle beteiligten Clubs gut und wichtig. Über die Ausschüttungen erhalten die Clubs ihren jeweiligen Anteil, und ein Rattenrennen um Investoren auf Clubebene wird so eher unterbunden“, sagte DFL-Aufsichtsratsmitglied Rüdiger Fritsch dem „Kicker“. Die Fans sehen den Schritt kritisch und planen Proteste.
Die Rechnung ist einfach: Mehr Fans, mehr Bratwürste. Nachdem über weite Strecken der Saison 2021/22 coronabedingt keine Zuschauer zugelassen waren, machte sich der Anstieg nicht nur finanziell bemerkbar. Deutlich gestiegen ist laut Bericht die Anzahl der „direkt und indirekt“ rund um die beiden höchsten deutschen Spielklassen beschäftigten Personen. Die DFL vermeldete eine Steigerung um knapp 85 Prozent von zuvor gut 26.000 auf nun gut 48.000 Personen. Während die Anzahl an Lizenznehmern und Tochtergesellschaften ähnlich blieb, stieg die Anzahl der sogenannten indirekten Beschäftigten rasant. Catering-Firmen hatten fast achtmal so viel Personal wie in der Vorsaison, auch der Sicherheits- und Wachdienst (knapp viermal so viel) und der Sanitärdienst (rund dreimal so viel) mussten im Vergleich zum Spieljahr mit extrem vielen Geisterspielen deutlich zulegen.
Im Bereich der Einnahmen und Ausgaben machen die Bundesligisten zudem ordentlich Verluste. Im Detail setzten die Bundesligisten insgesamt 3,61 Milliarden Euro um. Da sich die Ausgaben allerdings auf 3,8 Milliarden beliefen, machten die 18 Clubs insgesamt knapp 200 Millionen Euro Verlust. Das Eigenkapital beläuft sich auf rund 1,6 Milliarden Euro. Dem stehen Verbindlichkeiten von 1,56 Milliarden Euro gegenüber. Die Zweitligisten kamen auf Einnahmen in Höhe von 867,8 Millionen Euro – und schafften damit einen Rekord. Angesichts von Ausgaben in Höhe von 877 Millionen Euro schrieb allerdings auch das Unterhaus in seiner Gesamtheit rote Zahlen. Das Eigenkapital ist drastisch gesunken – von 114,6 auf 21,6 Millionen Euro. Gleichzeitig stiegen die Verbindlichkeiten exorbitant von 308,8 auf 519,1 Millionen Euro an. Angesichts der nach wie vor angespannten Lage mahnte Watzke: „Stillstand darf aus meiner Sicht keine Option sein. Denn Stillstand bedeutet Rückschritt.“ Auch deshalb wird über den Einstieg eines sogenannten Private-Equity-Unternehmens diskutiert, das für 20 bis 25 Jahre 15 Prozent der Anteile einer noch zu gründenden DFL-Tochtergesellschaft für die Medienrechte erwerben soll. Für eine Milliarden-Summe soll der Investor also „zwischen 10 und 15 Prozent“ an einer Tochtergesellschaft erhalten, hatte Hans-Joachim Watzke kürzlich in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt. „Aber: ausdrücklich auf eine Weise, die sicherstellt, dass dieser Partner keinen Zugriff auf sportliche Entscheidungen bekommt, nicht mal auf Spieltagsansetzungen oder dergleichen.“
Fans sprechen von Sprengkraft
Die Fans gehen auf die Barrikaden. „Wir sind der Meinung, dass bei der DFL mit der Öffnung für Investoren in Kürze eine Entscheidung getroffen werden könnte, die die Sprengkraft hat, den deutschen Fußball nachhaltig und ein für alle Mal zu verändern – und dabei wohl erneut nicht zum Besseren aus Sicht von uns Fußballfans“, schreibt das Fanbündnis „Südtribüne Dortmund“. Während Watzke davor warnt, dass die deutsche Liga ohne frisches Geld bald auf einem Niveau wie die niederländische oder portugiesische Liga sinken könnte, halten die Fans dagegen. Schließlich sei das Ziel einer Private-Equity-Gesellschaft, die der DFL-Investor wäre, Geld aus einer Investition zu generieren. „Die Öffnung für Investoren – und insbesondere für Private-Equity-Gesellschaften, die nach maximalem Gewinn streben – birgt das Risiko, dass sie ihren Einfluss geltend machen, um Erlöse zu maximieren. Notfalls auch gegen die Interessen von Fans und Stadionbesuchern“ sagt Jan van Leeuwen, Vorstandsmitglied der Fan- und Förderabteilung des BVB, die die Interessen von etwa 17.000 BVB-Mitgliedern vertritt. „In keinem anderen Wirtschaftszweig wird Geld derart schnell verbrannt wie im Profifußball. Externes Geld wurde im Fußball selten nachhaltig angelegt. Spieler, ihre Berater, andere Vereine wissen, dass plötzlich viel mehr Geld im System ist, Gehälter, Provisionen und Ablösesummen passen sich daran an. Die Geldverbrennungsmaschine kurzzeitig anzuheizen und dafür zukünftige Einnahmen aufzugeben, könnte sich zu einer existenziellen Bedrohung für die Zukunft der Bundesliga als europäische Spitzenliga entwickeln“, heißt es in einem gemeinsamen Statement der Fan-Dachverbände des FC Bayern und von Borussia Dortmund. Das trifft den Nagel auf den Kopf.