Er trägt einen großen Namen. Viele trauen ihm auch zu, ein großer Trainer zu werden. Beim ersten Engagement in der Bundesliga ging es steil nach oben – und rasant nach unten. Nun ist er zurück.
Die Frage, ob der Name „Hoeneß“ im Fußball ein Vorteil oder ein Nachteil ist, lässt sich eigentlich ganz einfach beantworten: ganz sicher beides. Dennoch ist die Frage, wie es für Sebastian Hoeneß war, sehr interessant. Der 40-Jährige, seit 3. April Cheftrainer des Bundesligisten VfB Stuttgart, würde sich wahrscheinlich wünschen, einmal ein Porträt über sich zu lesen, in dem es nicht nur um seinen Namen geht.
Sondern alleine um ihn als Trainer. Doch das ist mit diesem Namen einfach nicht möglich. Denn Sebastian Hoeneß ist schon der dritte Hoeneß in der Fußball-Bundesliga. Und die beiden anderen haben dem deutschen Fußball sehr markant ihren Stempel aufgedrückt. Sebastians Onkel Uli wurde als Spieler 1972 Europameister, 1974 Weltmeister und gewann mit dem FC Bayern dreimal den Europapokal der Landesmeister, den Vorläufer der Champions League. Als Funktionär wurde er noch mehr zur Bundesliga-Ikone und gilt nach drei Jahrzehnten als Manager und Präsident als der Baumeister des heutigen FC Bayern. Bruder Dieter war eigentlich auch schon extrem erfolgreich. Er war ebenfalls Nationalspieler, wurde 1986 Vize-Weltmeister und mit dem FC Bayern – wohin ihn Bruder Uli als eine seiner ersten Amtshandlungen 1979 holte – fünfmal Deutscher Meister. Als Manager arbeitete er von 1990 bis 1995 beim VfB Stuttgart und wurde 1992 Deutscher Meister. Von 1997 bis 2009 war er das Gesicht von Hertha BSC. Doch schon über ihn schrieb der „Spiegel“ im Jahr 2003, er trage „die Bürde, nur der zweite Hoeneß zu sein. DER Hoeneß ist ein anderer. Wer von Dieter Hoeneß spricht, muss das explizit sagen, jedenfalls außerhalb von Berlin.“
Wenn also schon der erfolgreiche Dieter immer nur als „Bruder von“ tituliert wurde, wie würde es dann erst bei Sebastian sein, dem „Sohn von und Neffen von“? „Gerade zu Schulzeiten war das nicht so einfach“, sagte dieser selbst einmal: „Da hat man sich schon gewünscht, dass das keine Rolle spielt, sondern dass man der Sebastian ist, wie jeder Mitschüler auch.“
Andererseits hat er den Fußball und das ganze Geschäft von klein auf kennengelernt. „Wenn mein Vater telefoniert hat, mit Journalisten, Spielern, Spielerberatern, saß ich als Kind daneben und habe eine Stunde lang zugehört“, erzählte er mal. Und er bekam natürlich auch die Leidenschaft für den Fußball entweder vererbt oder zu Hause vorgelebt und vermittelt. Vater Dieter erzählte mal stolz, Sebastians erstes Wort sei „Ball“ gewesen.
Stundenlang zugehört
Als Spieler brachte es Sebastian Hoeneß nicht so weit wie Onkel und Vater. Er wurde zwar 1999 mit der U17 des VfB Stuttgart an der Seite von Spielern wie Kevin Kurányi (der im Endspiel erst für ihn eingewechselt wurde) Deutscher Meister, dennoch reichte es nur für die Zweite Mannschaft von Hoffenheim und der Hertha, maximal in der Regionalliga. Vielleicht waren die Erwartungen an ihn als Hoeneß damals auch extrem hoch. Doch Frieder Schrof, viele Jahre Jugendleiter beim VfB Stuttgart und später bei RB Leipzig, drückte es in der „Stuttgarter Zeitung“ mal so aus: „Sebastian war ein begabter Spieler, technisch und bezogen auf die Schnelligkeit nicht ganz so gut wie sein Onkel Uli, aber etwas besser als sein Vater, doch er hatte nicht diese Wucht von Dieter.“ Da war er wieder, der Vergleich. Selbst innerhalb des Business heißt es eben nicht: Sebastian Hoeneß hatte dies und ihm fehlte das. Es heißt: Er war gut, aber nicht so schnell wie der Onkel und nicht so wuchtig wie der Vater.
Als Trainer zeigte sich aber schnell, welch gute Anlagen er hat. Doch Sebastian Hoeneß wollte sich nicht auf seinen Namen reduzieren lassen. Er wollte den Beruf des Trainers von Grund auf lernen. „Mir ging es nie darum, so schnell wie möglich in die Bundesliga zu kommen“, sagte er: „Für mich ging es immer darum, gut vorbereitet zu sein.“ Er begann 2011 bei der U19 von Hertha Zehlendorf in Berlin, wurde dann von Schrof nach Leipzig geholt und coachte die U17 und die U19. „Sebastian hat in Leipzig klasse Arbeit geleistet und die Spieler toll ausgebildet“, sagte Schrof. Er sei „total akribisch, erfolgsbesessen, ein Perfektionist“. Von Leipzig aus ging er zum FC Bayern, wo er die U19 und die Zweite Mannschaft trainierte.
Zum FC Bayern? Klar, das lief doch sicher über die Hoeneß-Connection, sagten viele. Doch Uli Hoeneß war nach eigener Aussage zunächst dagegen, den Neffen zu holen. „Ich schätze den Basti unglaublich, ein ganz toller Kerl“, sagte er später: „Ich habe aber ein bisschen Sorgen gehabt, dass mit dem Namen und von Bayern München kommend der Druck zu groß wird.“ Doch am Ende war es Hermann Gerland als Ikone im Bayern-Nachwuchsbereich, der Hoeneß von Hoeneß überzeugte. „Sebastian ist wirklich ein großes Trainertalent“, hatte er gesagt. Doch für die Bayern-Fans sah es trotzdem nach Vetternwirtschaft und Klüngelei aus. „Großer Name macht noch keinen großen Trainer“, stand bei einem der ersten Spiele unter Hoeneß als Coach der Zweiten Mannschaft auf einem Plakat. Spurlos geht so etwas nicht an Sebastian Hoeneß vorbei. „In dem Fall habe ich es registriert, und ich denke, es ist menschlich, dass man so etwas nicht gerne über sich wahrnimmt“, sagte er: „Ich habe mich dann einfach darauf konzentriert, gute und ehrliche Arbeit abzuliefern und die Leute damit zu überzeugen.“
Das gelang ihm eindrucksvoll. Nach schwierigem Auftakt führte er die „kleinen Bayern“ sensationell zum Meistertitel in der 3. Liga. Und wurde von der TSG Hoffenheim als Bundesliga-Trainer verpflichtet. Und trotz seines Erfolgs gab es wieder Stimmen, das habe er nur seinem Namen zu verdanken. Auch Schrof schloss nicht aus, dass das eine Rolle spielte und beantwortete die Frage nach Last oder Bürde des Namens übergreifend so: „Der Name Hoeneß hat ihm am Ende nicht geschadet, und er wird mit jetzt 38 Jahren Trainer in der Bundesliga.“ Zum Amtsantritt in Hoffenheim kündigte Vater Dieter an: „Er kann was!“ Dass man nun in der Bundesliga noch mehr auf ihn achte und das mit dem Namen in Verbindung bringe, sei „nichts Neues für ihn. Er kennt das schon seit 38 Jahren. Damit muss er leben, trotzdem geht er seinen eigenen Weg und er macht das sehr, sehr gut.“ Insgesamt sei der Name eben „Fluch und Segen“.
Der VFB ist für ihn etwas Besonderes
Die erste Saison in Hoffenheim endete mit einem durchwachsenen elften Platz. „Sebastian hat einen super Job gemacht“, stellte sein Vater aber klar: „Mit im Durchschnitt acht, neun verletzten Spielern nicht ernsthaft in den Abstiegskampf zu geraten, war eine Riesenleistung.“ Und in der zweiten Saison lief es zunächst tatsächlich deutlich besser. Noch nach einem 1:1 am 26. Spieltag gegen den FC Bayern nach starker Leistung belegte Hoffenheim einen Champions-League-Platz. „Wie gut er als Trainer ist, sieht man jetzt“, hatte Onkel Uli schon kurz vorher frohlockt. Würde er Hoffenheim tatsächlich in die Champions League führen, sei das so, „als wenn der FC Bayern mit zehn Punkten Vorsprung Deutscher Meister wird“.
Doch das gelang letztlich nicht. Aus den letzten acht Spielen nach dem gegen die Bayern holte die TSG nur noch zwei Punkte und verpasste sogar die Europa League deutlich. Und so trennte sich der Club in der Sommerpause von Hoeneß. Der nahm erst mal eine Weile nichts an. Er wollte reflektieren, hospitierte viel und wollte von einer neuen Aufgabe überzeugt werden, um nicht als Marketingmaßnahme missbraucht zu werden. Dem VfB Stuttgart sagte er im Herbst sogar schon einmal ab. Im April in höchster Abstiegsnot sagte er dann zu. „Für mich ist der VfB ein besonderer Club“, sagte er. Und alle glaubten ihm: „Ich habe hier schon als kleiner Steppke im Stadion gesessen, mitgefiebert, mitgefeiert und mitgelitten. Aus familiären Gründen, die bekannt sein dürften.“
Und es begann gut. Gleich im ersten Spiel, wenige Stunden nach der Inthronisierung, erreichte er durch ein 1:0 bei Zweitligist 1. FC Nürnberg das Pokal-Halbfinale. Im zweiten gewann er das eminent wichtige Abstiegsduell in Bochum mit 3:2. Im dritten luchste er Meisterschafts-Anwärter Borussia beim 3:3 mit drei Toren in Unterzahl und dem Ausgleich in der 97. Minute einen Punkt ab. Würde er den VfB zum Klassenerhalt führen, hätte er wieder gezeigt, was er als Trainer kann. Auch wenn er die Vergleiche und Relativierungen über den Namen Hoeneß wohl nie wird ablegen können.