Mädchenhafte Ästhetik, verspielte Accessoires, bekennender Feminismus und noch viel mehr kennzeichnen einen Modetrend, der sich zu einer ganzen Bewegung gemausert hat. Wer sich heute bewusst abwenden möchte vom Frausein, der wählt den Girlie-Look.
Der Begriff „Girlie Style“ beinhaltet eine Sammlung unterschiedlicher Modestile von Lolita-Looks über Barbiecore bis hin zu Coquette. Dadurch wirkt dieser Stil ausgesprochen vielseitig. Seinen Anfang nahm er in den 1990er-Jahren und zwar in Form einer postfeministischen Bewegung. Angelehnt an die Punkszene bildete sich eine Subkultur, deren Bestreben es war, das kindliche Selbst zu erwecken und sich bewusst von den gesellschaftlichen Zwängen und Identitätskonstrukten des weiblichen Körpers abzugrenzen. Eine Art Mittel zum Zweck in einer patriarchal geprägten Welt. Los ging es in den USA, ausgelöst von der Bewegung Riot Grrrl. Musiksender wie Viva 2 und MTV verbreiteten die „Mode zur Musik“ und spielten sie in die Teeniezimmer. Heraus kamen emanzipierte Girlie Girls, was übersetzt so viel bedeutet wie mädchenhafte Mädchen. Das ultimativ verspielte Girlie, das es als eben solches sogar bis in das deutsche Wörterbuch schaffte. Das war 1995. Seinen Gipfel fand das Phänomen schließlich außerhalb der Punkszene in der Popkultur mit Bands wie den Spice Girls. Die trällerten nicht nur selbstbewusst ihre markanten Titel, sie kleideten sich auch sehr mädchenhaft. Echte Girl Power eben. Diese Bezeichnung stammt übrigens von der Band Bikini Kill und wurde erstmals in einer Fan-Zeitschrift im Jahr 1990 publik. Seitdem bedeutet Girlie Girl zu sein auch, echtes Empowerment zu zeigen.
Und das gelingt den Anhängerinnen dieser Bewegung bis heute überwiegend über ihren Dress, der alles andere als langweilig und in jedem Fall sehr aussagekräftig gestaltet ist. Inspirationen lieferten neben den bekannten Girl-Bands auch zahlreiche Filme wie „Natürlich blond“, „Mean Girls“ oder die „High School Musical“-Reihe. Dabei reicht der Spielbogen von kindlichen, verspielten Looks, wie ihn die berühmteste Modepuppe der Welt, Barbie, tragen würde bis hin zu sehr erwachsenen, reifen Ausführungen à la Posh Spice Victoria Beckham. Letztere ist inzwischen selbst erfolgreiche Designerin und zeigt, wie cool und elegant ihr damaliger Stil in den 2000er-Jahren übernommen wurde. Die Einflüsse sind also vielfältig, die Auswahl zwischen schicken Jumpsuits, romantischen Kleidern und sportlichen Röcken ebenfalls. Rein farbtechnisch liegt der Fokus auf pastelligen Ensembles, doch auch Schwarz, Knallrot und Violett sind zu sehen.
Mädchenhafte Akzente passen zu jedem Alter
Dazu gesellen sich klassische Muster wie Punkte, Karos, Paisley und Blumen. Die Hosen dürfen ruhig weit fließen, die Röcke A-linienförmig schwingen und die Kleider und Blusen mit Stickereien und Rüschen verziert sein. Hautenge, transparente Kleidung ist hier fehl am Platz. Stattdessen darf es bequem zugehen, auch hinsichtlich der Fußbekleidung. Flache Ballerinas und Lackschuhe gesellen sich zu Boots und Retro-Sneakern, die einen spannenden Twist in das Outfit bringen und einmal mehr beweisen: Hier ist (fast) alles erlaubt, solange es nicht zu sexy, sondern eher brav und verspielt daherkommt. Das Beste daran ist aber nicht nur der Facettenreichtum, sondern dass wirklich jede ohne viel Aufhebens ein echtes Girly Girl werden kann.
Zur Jeans einfach ein pastellfarbenes Shirt mit einem niedlichen Print kombiniert oder eine Volantbluse mit Blümchenmuster, das wertet die schlichte Hose auf. Dazu im Haar eine Schleife gebunden oder Spangen drapiert, eine kleine Handtasche – und schon stimmt der Look für die Freizeit. Als frühlingshafte Alternative dazu eignet sich ein Maxikleid mit einer Leder- oder Jeansjacke darüber auch wunderbar. Das Haar darf locker in Wellen fallen, gestützt von einem Haarreif oder wahlweise zu Zöpfen gebunden sein. Dazu eine Basttasche in die Hand und eine Sonnenbrille aufgesetzt, schon kann der Tag starten. Soll es an den Arbeitsplatz gehen und es herrscht ein eher konservativer Dresscode, dann darf unter dem Blazer trotzdem eine rosafarbene Bluse getragen oder zum Rock statt Heels flache Ballerinas kombiniert werden, ohne dass der Chef sich darüber wundert. Ein bisschen Mädchen passt einfach immer, egal in welchem Alter sich die Trägerin gerade befindet. Wichtig ist, dass es vollkommen ausreicht, gezielte Akzente zu setzen. Es muss nicht zwingend von Kopf bis Fuß der Girlie-Style sein.
Mittlerweile geht es bei der Wahl der geeigneten Looks weniger um die Rebellion, sondern mehr um einen gewissen Selbstausdruck. Frau stelle sich vor, sie wäre statt auf dem Weg ins Büro eher auf einem Spieldate auf dem Spielplatz. Alles was hier zu sehen ist, darf ganz Girlie-Style verliebt auch in den eigenen Körper. Wie die lange Geschichte dieses Looks zeigt, bleibt er angesagt. Das war er schon in den 60er- und 70er-Jahren, dargestellt durch Hängekleidchen in psychedelischen Mustern und verziert mit Unterröcken. Später kamen in den 80er-Jahren Radlerhosen, Strumpfhosen und Miniröcke dazu. Den Höhepunkt in den 90er-Jahren formten neben Pop-Bands auch Techno-Queens wie Marusha, die zeigte, wie vielseitig sich hippe Girls so kleideten. Die unterschiedlichsten Tiermuster machten sich auf Schlaghosen und Tops breit. Dazu gab es bunt gefärbte Zöpfe, kuschelweiche Crop-Tops und Jacken sowie Lederaccessoires. An die Füße kamen wahlweise Chucks oder Doc Martens. Für den extra Spaß durften diese zwei unterschiedliche Farben haben. Wer etwas auf sich hielt, der wählte bewusst wilde Muster- und Farbkombinationen. Auffallen durfte man schließlich als kleines Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Gruppe Musikhungriger, die es liebten, die Nacht zum Tag zu machen und sich im Tanz ganz dem Moment hinzugeben. Inzwischen geht es gediegener zu, mal sehr facettenreich mit ausgewählten Vintage-Elementen und dann wieder fast schon dezent in einfachen Leggings und Blumenkleidchen. Erlaubt ist, was gefällt und das ist auch gut so. Sonst gäbe es den Girlie-Style vielleicht schon lange nicht mehr.