Das neu eröffnete „Amigo Cohen“ bezirzt seine Gäste mit israelisch-mexikanischer Fusion Cuisine. Einzigartig ist dort nicht nur die kulinarische Liaison, sondern auch das erstaunlich große Sortiment an Tequilas.
Yallah, yallah! ¡Ay, caramba! Partystimmung ist angesagt, als wir im „Amigo Cohen“ im Hotel Romy am Hauptbahnhof ankommen. Kaum zu glauben, dass wir uns in Preußens Kapitale vis-à-vis des Hauptbahnhofs befinden. Gute Laune aus Süd- und Mittelamerika verbreitet schon mal die Musik von Buena Vista Social Club und Gotan Project, die aus den Lautsprechern kommt. Blumenschmuck, Kerzenlicht und großflächige, knallig bunte Wandmalereien fallen ins Auge. An der einen Wand sieht man die farbenfrohe Illustration einer kurvig-üppigen Frau, gekleidet in Bikini und hohe, weiße Stiefel. Dazu trägt die unbekannte Blondine eine mexikanische Maske auf dem Gesicht. Wie eine Gewichtheberin stemmt sie ihre muskulösen Arme in die Höhe. Dabei hält sie triumphierend einen jüdischen Leuchter und einen Taco in jeweils einer Hand. „Shalom, Amigo!“ steht darunter.
Kulinarische Vermählung
Und dann sind da noch die Designer-Leuchten von Moooi: Sie hängen nicht von der Decke, nein, sie schweben geradezu durch den Raum und erinnern ein wenig an wabernde Quallen oder filigrane Blumen. Die Atmosphäre des neu eröffneten Restaurants besticht durch elegante Extravaganz. Das Quirlige und Schrille geht Hand in Hand mit dem Festlich-Feierlichen.
Mitgestaltet hat das gelungene Ambiente Mirit Schiff, die von Haus aus Diplom-Architektin ist. Sie ist die Frau von Ariel Schiff, der mit seinen Co-Investoren mittlerweile elf Hotels von Berlin über München und Düsseldorf bis London gegründet hat. Er ist auch derjenige, der als einer der Ersten die moderne Levante-Küche in seinem Restaurant „Mani“ nach Berlin gebracht hat. Es folgten weitere Lokale levantischer Ausrichtung wie das „Joseph“ und das „Habeit shel Amano“ sowie das französische Restaurant „Le Pierre“ und die Pizzeria „Mario X Gamino.
Jetzt also die binationale Hochzeit zwischen Tulum und Tel Aviv, auf der die Cocina mexicana der Levante-Küche ihr kulinarisches Jawort gegeben hat. Passen die beiden Partner überhaupt zusammen? Ja, meint der „Amigo Cohen“-Erfinder Ariel Schiff. „Beide Metropolen verbindet ein buntes Treiben, das Leben findet hier unter Sonne auf den Straßen und an Stränden statt“, erläutert er. Das sei verbunden mit der Freude an frischem Essen, welches man zusammen mit der Familie genieße – ganz gleich zu welcher Uhrzeit. Traditionelle Gerichte wie Tacos in Tulum oder Arayes in Tel Aviv blieben beliebt, doch sie würden „ständig neu interpretiert“, erzählt Ariel Schiff. „So auch bei uns, wir bieten innovative Speisen an, ohne den Ursprung zu vergessen.“ Man wolle an dieses Lebensgefühl, gemeinsam zu essen und zu feiern, anknüpfen und die „Gerüche und Gewürze fusioniert nach Berlin“ bringen.
Auch der Küchenchef Shimon Peretz sieht in der Fusion der beiden Essenskulturen keinen Widerspruch. Vielleicht weil der Israeli selbst mit jeweils einer indischen und einer marokkanischen Großmutter schon mehrere Kulturen in sich vereint. Die beiden Küchen hätten dieselbe Grundlage und seien „super ähnlich“, sagt er im Gespräch mit uns. Nur der Kakao in den Speisen, den gebe es in der Levante-Küche nicht. Shimon Peretz war zuvor Küchenchef im „Main“ und hat davor unter anderem im Restaurant „Layla“ und im Sterne-Restaurant „Prism“ gekocht.
In mexikanische Kakao-Aromen dürfen wir gleich beim ersten Gang eintauchen: Denn zur Vorspeise !Shalom, Amigo! wird neben marokkanischem Weißbrot (Frena) auch hausgebackenes, mexikanisches Schokoladenbrot gereicht. Der ofenwarme Brotlaib, der unter anderem in Olivenöl gebacken ist, sieht allerdings schokoladiger aus, als er schmeckt. Es ist fluffig leicht mit nur einer Spur von Süße. Perfekt zum Dippen im Bohnensalat und in Pasten wie Hummus, Bohnenmus und der cremig-scharfen Tahina Chipotle. Hach, ist das lecker!
Große Auswahl auch an Mezcal
Unsere Begleitung an diesem Abend ist Ute Schirmack. Nach vielen Jahren als Food-Journalistin landet sie sofort einen gustatorischen Volltreffer mit ihrer Wahl eines hinreißend fruchtigen Mango Margarita. Und wo wir schon einmal bei Cocktails und insbesondere der mexikanischen National-Spirituose sind: Die beiden Restaurant-Bars bieten ein umfangreiches Tequila- und Mezcal-Angebot mit mehr als 70 Sorten. „Gin ist out, Tequila wird das nächste Trend-Getränk“, mutmaßt die versierte Begleiterin. In den USA ist der Tequila-Hype indes längst da: Im vergangenen Jahr wurde dort mehr Umsatz mit dem mexikanischen Schnaps gemacht als mit Whiskey oder Rum.
Ariel Schiff will die auf Agavenfrucht basierende Spirituose nun auch in Berlin bekannter machen. So soll es im „Amigo Cohen“ demnächst, ähnlich dem sogenannten Beer Flight, einen Tequila Flight geben. Mit einem kleinen Sortiment mehrerer Sorten kann man sich dann durch verschiedene Mezcals nippen.
Bei so viel Spirit-Beflügelung brauchen wir ein bisschen mehr Erdung als Ausgleich. Die bekommen wir auch gleich geliefert mit Guacamole und selbst frittierten Mais-Chips in den Farben Hellrot, Gelb und Blau. „Die Farben rühren von den unterschiedlichen Maissorten und Anbaugebieten her“, erklärt uns Jerry Acevez, gebürtiger Mexikaner und Ariel Schiffs charmanter Konzept-Berater. Die Geschmacksnuancen sind subtil, aber wahrnehmbar.
Wahres Spektakel an Aromen
Dann beginnt die Zeremonie der Guacamole-Zubereitung. Dazu zieht sich Señor Acevez ein Paar schwarze Gummihandschuhe über und beginnt. Die grün-gemüsige Beilage wird eigenes am Tisch kreiert, ganz nach dem Gusto des jeweiligen Gastes. In liebevoller Kleinarbeit und in einem traditionellen Tongefäß aus Lavastein mörsert der Mexikaner die Avocado in immer kleinere Stücke. Er gibt einige Spritzer Limette dazu. Dann sollen wir entscheiden und abschmecken. Rote Zwiebeln, ja oder nein? Mehr Chilischote? Viel Koriander oder gar keinen Koriander? Ein spannendes Ritual, was man nicht alle Tage erlebt.
Weiter geht es dann mit „Amigo’s Tartare“, einem zart auf der Zunge zergehenden Rindertartar und Rinder-Tataki mit Mais, Bohnen, Joghurt-Laffa und einer Salsa aus roten Zwiebeln. Fischig, feurig und zugleich fruchtig wird es dann bei „Shrimps al Guajillo“: Getrocknete Mangos sorgen für das fruchtige Aroma, während das Ensemble aus Chili, Guajillo Öl und das Limette- und Jalapeño-Dressing für ein kleines, aber feines Feuerwerk im Mund sorgen. Unser Lieblings-Appetizer an diesem Abend ist allerdings das meerige „Cohen’s Tartare“. Das Tatar aus Hamachi in karamellfarbiger Muschel-Gazpacho und Korianderöl mit eingelegten roten Zwiebeln und geröstetem Mais ist ein echter Gaumengenuss.
Gut harmoniert auch die Fusion Cuisine bei den Tacos. Sie werden auf weichen, am Grill erhitzten Mais-Tortillas serviert. Bei der Huhn-Version sorgen Gewürze wie Sumach, S’hug und Tahina für den mediterranen Levante-Touch. Ein köstliches Aromenspektakel. Wahlweise kommen hier auch Vegetarier mit einer Kichererbsen-Variante und Feta-Käse auf ihre Kosten.
Beim Hauptgang gehen meine beiden Begleiter dem gegrillten Oktopus mit Axiote-Marinade ins kulinarische Netz und sind begeistert. Ich selbst bin fasziniert von der pittoresken Kunst-Collage auf dem Teller: Das Tentakeltier liegt da wie ein Sujet nebst Popcorn und einem malerisch weißen Streifen Labneh. Leicht und lecker schmeckt „Meyohad shel Cohen“, was sich als gegrillte Dorade an israelischem Joghurt und Blattsalat entpuppt.
Damit die Fiesta noch ein wenig weitergeht, zögern wir den Abschied hinaus und gönnen uns ein „Chocolate Ancho Parfait“ an Mango-Sauce, Guacamole-Sorbet und Kokosnuss.
Ancho wird übrigens die getrocknete Form der Poblano-Chili genannt. Ihre moderate Schärfe kombiniert mit dem Süßen und dem Fruchtigen überzeugt uns vollends: „Amigo Cohens“ Fusion Cuisine ist eine aufregende und sehr geglückte Liaison.