Der französische Weltstar Vincent Cassel spricht über die TV-Mini-Serie „Liaison“, seine Schauspielkollegin Eva Green, über Männlichkeit und Machismo und erzählt, warum er sich als Außenseiter fühlt.
Monsieur Cassel, haben Sie Ihr Smartphone schon verschlüsselt?
Ich wünschte, das hätte ich, aber nein. Doch Freunde von mir haben ihre Telefone und Computer bereits verschlüsselt, weil sie große Angst davor haben, gehackt zu werden. Das Problem bei diesen Verschlüsselungen ist aber, dass man dann bei vielen Funktionen keinen Zugang mehr hat. Das wäre nichts für mich. Die Welt, in der wir leben, ist mittlerweile dermaßen kompliziert und undurchsichtig, dass man doch eigentlich immer ausspioniert werden kann. Denken Sie nur an die vielen Überwachungskameras überall … Also nein, ich bin diesbezüglich – wie die meisten von uns – ein Schaf in der Herde.
Können wir uns überhaupt gegen diese Übergriffe in unser Privatleben schützen?
Ich glaube nicht. Wir sind alle längst zu gläsernen Menschen geworden. Und ich bin mir sicher, dass es noch viel schlimmer wird. Die ganze Welt hängt doch längst total von der Technologie ab. Die einzige Möglichkeit, die ich hätte, mich diesem Wahnsinn zu entziehen, wäre wohl, dass ich mich komplett vom Internet verabschiede und auch mein Telefon abschalte. Und das ist für mich – alleine schon aus beruflichen Gründen – einfach keine Option. Dass aber ein großes Unbehagen mitschwingt, immer wenn ich online gehe, ist natürlich meistens der Fall. Und gerade bei öffentlichen Auftritten werde ich meist sofort von Fotografen abgeschossen oder von irgendeinem Fan dazu aufgefordert, mit ihm zusammen ein Selfie zu machen.
Sie stehen zum ersten Mal mit Eva Green vor der Kamera. Zwischen Ihnen beiden scheint die vielbeschworene Chemie, die stimmt, tatsächlich vorhanden zu sein …
Ja, wir haben uns wirklich auf Anhieb sehr gut verstanden. Mit Eva Green zu arbeiten ist sehr außergewöhnlich. Ich habe mich schon sehr lange für sie und ihre Arbeit interessiert und wollte sie auch schon früher für manche Filme haben: Sie hätte zum Beispiel perfekt zu meinen beiden Thrillern „Public Enemy No 1 – Mordinstinkt“ und „Todestrieb“ gepasst. Aber leider hat es damals nicht geklappt. Als ich dann mitbekam, dass sie die weibliche Hauptrolle in „Liaison“ übernimmt, habe ich sofort zugesagt. Sie war einer der Hauptgründe, warum ich bei dieser Serie überhaupt eingestiegen bin. Und als ich sah, dass sie auch noch bei meinem nächsten Film „Die drei Musketiere“ mitspielen würde, schrieb ich ihr auf Instagram, dass ich mich sehr auf die Zusammenarbeit mit ihr freue. Ich war sehr neugierig auf sie – und ich wurde nicht enttäuscht.
Was hat Sie denn so an ihr fasziniert?
Sie ist geheimnisvoll und spielt immer instinktiv. Und sie ist sehr elegant. Sie hat eine Menge Qualitäten, die ich an einer Schauspielerin sehr schätze. Qualitäten, die heutzutage nur sehr wenige Schauspielerinnen haben. Hinzu kommt, dass ich mich oft in ihr wiedererkannt habe.
Inwiefern?
Sie ist sehr ungewöhnlich. Und sie ist nicht leicht zufriedenzustellen. Das kenne ich auch von mir. Auch ich bin – in fast allen Belangen – sehr wählerisch, sehr speziell. Ich habe mich auch mein ganzes Leben lang immer als Außenseiter gefühlt. Und ich glaube, dass trifft auch auf Eva zu. Ich bilde mir ein, dass ich bei ihr dieselbe Art von Einsamkeit gefühlt habe, die ich auch von mir selbst kenne. Vor allem in Bezug auf die Filmindustrie, in der wir arbeiten. Ich kann Ihnen versichern: Das ist ein sehr seltsamer Arbeitsplatz.
Sie fühlen sich trotz Ihres großen Erfolgs immer noch als Außenseiter?
Erfolg, Ruhm oder viel Geld haben damit gar nichts zu tun. Es kommt auf die innere Einstellung an. Und darauf, wie sehr man mit der Welt – und die Welt mit einem – im Einklang ist.
„Ein Schauspieler sollte seinen Körper und seine Seele unter Kontrolle haben“, sagten Sie einmal. Das klingt interessant. Vor allem was die Seele betrifft.
Meinen Körper in Schuss zu halten, daran arbeite ich täglich. Das ist ja mein Kapital als Schauspieler. Und was meine Seele betrifft … (lacht) Vielleicht war ich ja betrunken, als ich das sagte? Denn was ist das eigentlich – die Seele? Je älter ich werde, desto weniger könnte ich die „Seele“ definieren. Im Laufe der Zeit habe ich aber erkannt, dass es mir immer wichtiger wurde, mir selbst vertrauen zu können. Dass die Entscheidungen, die ich meist intuitiv treffe, auch richtig und sinnvoll sind. Ich habe keine Angst mehr davor, anders zu sein. Ich will, dass man mich so akzeptiert, wie ich nun einmal bin: als Mensch. Dieser Haltung bleibe ich auch bei meiner Arbeit treu. Und in meinem Privatleben genauso. Ich will unverstellt, authentisch, ehrlich und zugewandt durch den Tag gehen. Ich will auch daran arbeiten, was ich noch sein könnte … Und ich will mich auch meinen Ängsten stellen. Zum Beispiel der Angst, was unter Umständen aus mir werden könnte. Es ist, wie gesagt, alles eine Frage der Wahrnehmung, des Bewusstseins.
Aber ist es manchmal nicht auch sehr spannend, die Kontrolle zu verlieren?
Das passiert ja ständig, wenn ich vor der Kamera stehe! (lacht) Da weiß ich oft nicht, was als nächstes passieren wird. Natürlich habe ich meinen Text gelernt und weiß, was ich vor der Kamera zu tun habe. Aber wie mein Gegenüber darauf reagiert, das ist oft sehr überraschend. Von den Action-Sequenzen will ich erst gar nicht reden. Da geraten die Dinge oft sehr schnell außer Kontrolle. Einer von meinen vier Nasenbeinbrüchen ist mir beim Drehen passiert, als ich unglücklich hingefallen bin. Aber das meine ich damit gar nicht. Sondern eher das, was zwischen zwei Schauspielern passieren kann, wenn sie tatsächlich miteinander spielen – und nicht gegeneinander. Gerade bei Eva Green ist wirklich jeder Take anders. Und das ist ja gerade das Faszinierende! Das hält einen hellwach.
Hilft Ihnen die Schauspielerei, mit dem Leben besser klar zu kommen?
Interessante Frage. Jedes Mal, wenn ich in einer sehr außergewöhnlichen Lebenssituation war – sei es bei der Geburt meiner Töchter, aber auch, wenn ich einen lieben Menschen durch den Tod verloren habe –, fühlte ich, dass mein Körper transzendiert wird. Und zwar durch sehr starke Emotionen. Und oft habe ich mich dann bei folgendem Gedanken ertappt: Fuck! Das hätte ich, als ich bei Dreharbeiten in einer ähnlichen Situation war, doch besser so und nicht anders spielen sollen … Verstehen Sie, was ich damit meine?
Nicht wirklich.
Für mich ist die Schauspielerei ein Mittel, um einen Abstand zwischen mir und der Realität herzustellen. Dadurch kann ich mich im wirklichen Leben auch davor schützen, dass mich diese starken Gefühle übermannen. Diese Gefühle versuche ich zu verinnerlichen und mir zu merken. Denn vielleicht kann ich diese Emotionen dann später bei meiner Arbeit einsetzen.
Das klingt sehr selbstzentriert.
Das bin ich in gewisser Weise auch. Vor allem was meine Arbeit betrifft. Aber wissen Sie, ich habe drei Töchter. Und das Beste, das ich schon sehr früh von meinen Töchtern gelernt habe, war: Jetzt gibt es jemanden, der viel wichtiger ist als ich selbst. Und als Mann zwischen so vielen weiblichen Bezugspersonen – vergessen wir die Mütter nicht! (lacht) – macht man ganz wunderbare, aber auch sehr demütigende Erfahrungen.
Was bedeutet das für Sie – Männlichkeit? Und was Machismus?
Machismus ist etwas, das man immer beweisen muss. Männlichkeit ist etwas, das ich als Mann annehmen muss. Aber ich habe bei allem „Mannsein“ auch viele feminine Eigenschaften. Wir sind doch alle sehr komplexe Wesen. Leider wird das weibliche Element bei Jungs in der Erziehung oft unterdrückt. Und als Mann muss man es oft verstecken, denn so ist die Welt nun einmal, mit diesen festgefügten Rollenbildern. Aber ich bin mir dessen sehr bewusst. Ich stehe voll und ganz zu meiner weichen, femininen Seite, wenn Sie so wollen. In meinem Privatleben lebe ich das auch aus. Und als Schauspieler muss ich natürlich auch Verletzbarkeit oder Schwäche zeigen können. Sonst wäre es doch langweilig.
Sind Sie heute die beste Version Ihrer selbst?
Das glaube ich schon. Aber noch nicht so gut wie in ein paar Jahren.
Beschreiben Sie sich doch bitte mit vier Worten.
(denkt lange nach) Einsam, komplex, egozentrisch – und stolz.