Jalen Hurts ist zum absoluten Franchise-Gesicht der Philadelphia Eagles aufgestiegen und ist sogar einer der bestbezahlten NFL-Spieler aller Zeiten.
Die Worte von Jalen Hurts direkt nach der 35:38-Niederlage der Philadelphia Eagles im Super Bowl LVII gegen die Kansas City Chiefs verrieten viel über den Quarterback: „Entweder du gewinnst oder du lernst.“ Über seine Liebe zum Sport, seine Professionalität, seine Vergangenheit – und über seine Zukunft. Jalen Hurts erlebte in seiner Karriere bisher beide Seiten seines Zitats.
Rasante Entwicklung
Als Leader am College führte er die Alabama Crimson Tide zum zweiten Mal in Folge ins Championship Game. Zur Pause wurde er auf die Bank gesetzt und musste mitansehen, wie Tua Tagovailoa seinen Platz einnahm, den Titel gewann und Starter wurde. Hurts steckte die Niederlage weg, lernte daraus und wechselte in seinem vierten College-Jahr noch mal die Uni. Bei den Oklahoma Sooners wurde er in der Saison Zweiter bei der Wahl zur Heisman Trophy. Im Draft kam er dennoch nur als Zweitrundenpick und geplanter Back-up für Carson Wentz zu den Eagles. Drei Jahre später ist er das neue Gesicht der Franchise, stand gerade in seinem ersten Super Bowl, wurde Zweiter im MVP-Voting. Konkurrent und MVP Patrick Mahomes war voll des Lobes: „Wenn es noch irgendwelche Zweifler gab, dann sollte es jetzt keine mehr geben. Das war eine besondere Leistung. Ich will nicht, dass das in der Niederlage, die sie erlitten haben, untergeht.“ Zu Recht. Hurts Leistung mit drei Rushing und einem Passing Touchdown war historisch. Auch, wenn es am Ende nicht für die Vince Lombardi Trophy reichte. Die Niederlage nahm der Quarterback auf sich – obwohl er wohl den geringsten Anteil daran hatte. „Ich tue das nicht, um geliebt zu werden. Ich tue es nicht, um gehasst zu werden. Ich tue es nicht, um die Anerkennung anderer zu bekommen. Ich tue es für die Jungs in der Umkleidekabine. Ich tue es für all die Zeit, die wir in diese Sache investiert haben“, erklärte der 24-Jährige nach dem Spiel.
Die Eagles standen vor einer schwierigen Entscheidung und haben vor ein paar Wochen Nägel mit Köpfen gemacht – und das war auch notwendig. Hurts besaß keine Fifth Year Option, hätte im schlimmsten Fall 2024 frei verfügbar werden können. Und mit Joe Burrow, Justin Herbert oder Lamar Jackson gibt es noch weitere Quarterbacks, die durch neue Verträge die Preise in die Höhe schießen lassen könnten. Was Jackson auch gleich tat: Es geistern 260 Millionen für fünf Jahre durch die Gazetten – davon sollen 185 Millionen garantiert sein. Zuvor unterschrieb jedoch Hurts seinen Deal, bei dem die Zahlen im Gegensatz zu Jackson, auch offiziell bestätigt wurden. Der 24-Jährige bleibt bis 2028, wie die Franchise mitteilte. Für seinen neuen Fünfjahreskontrakt bekommt Hurts laut übereinstimmenden US-Medienberichten 255 Millionen US-Dollar (rund 232 Millionen Euro).
Pro Jahr streicht der 24-Jährige damit im Schnitt 51 Millionen Dollar (46,4 Millionen Euro) ein – die bisher höchste bestätigte Summe, die ein NFL-Team für einen Spieler bezahlen würde. Selbst der inzwischen zurückgetretene langjährige NFL-Superstar Tom Brady hat zu seinen Hochzeiten bei den New England Patriots in der Saison 2011/2012 Berichten zufolge nur 19,75 Millionen Dollar pro Jahr verdient. Hurts sind von der Megasumme 179 Millionen Dollar garantiert. Mehr an Garantiezahlungen bekam bisher nur der umstrittene Quarterback Deshaun Watson von den Cleveland Browns – die gesamten 230 Millionen Dollar seines Fünfjahresvertrags stehen ihm unabhängig von der sportlichen Leistung zu. In der Gesamtsumme handelte bisher nur Patrick Mahomes 2020 von den Kansas City Chiefs mehr heraus: Laut Medien sind es bei Mahomes für zehn Jahre 477 Millionen Dollar. Hurts soll zudem als erster Spieler in der Geschichte der Eagles eine sogenannte No-Trade-Clause im Vertrag haben. Er dürfte nur an ein anderes Team abgegeben werden, wenn er zustimmt.
Wechsel war so nicht geplant
Die Eagles und besonders General Manager Howie Roseman sind nun gefragt, das Team um einen 50-Millionen-Dollar-Superstar aufzubauen, der bisher mit seinem Rookie-Vertrag nur einen Bruchteil des Cap Spaces aufbrauchte. Als Vorbild dienen ausgerechnet die Chiefs, die Mahomes, wie bereits angesprochen 2020 mit einem Megavertrag ausgestattet haben. Der Erfolg gibt ihnen Recht, dass der mutige Schritt auch der richtige war. Die nötigen Ressourcen verschaffte das Front Office. Im Super-Bowl-Kader befanden sich zehn Rookies allein aus dem vergangenen Draft. Alle mit entsprechend günstigen Verträgen. Ein Schritt, den auch die Eagles gehen könnten. Vielleicht sogar müssen. Auch, wenn ein Risiko besteht.
Eine lustige Anekdote dazu: Hurts dachte nicht, dass er bei den Eagles landen würde. „Ich dachte
eigentlich, dass ich woanders landen würde“, sagte Hurts im Podcast mit Jason Kelce. „In Pittsburgh, Minnesota oder Vegas. Pittsburghs erster Pick war in der zweiten Runde, daher dachte ich, dass ich ein Steeler werden würde.“ Doch es kam anders: „Als ich dann während des Drafts einen Anruf erhielt, dachte ich, es sei Pittsburgh. Stattdessen waren es die Eagles. Ich hatte ja keine Ahnung“, sagte Hurts, der zugab, dass er das in der Vergangenheit noch nie angesprochen hatte. Aus dem Nichts kam die Entscheidung der Eagles jedoch auch nicht. Wie Hurts bekannt gab, hatte er sogar ein Interview mit den Verantwortlichen von „Philly“ im Zuge des NFL-Drafts 2020. „Aber ich dachte nicht, dass ich ein Eagles-Spieler werde“, sagte Hurts abschließend. Nun ist er das Franchise-Gesicht der Eagles. Bei den Eagles glaubt man an den Spielmacher und sieht in ihm die Zukunft, die der Franchise auch einen weiteren Super-Bowl-Titel bringen kann. Diese Zukunft wollen die Eagles schützen – aber wohl nicht, indem sie Hurts zu einem anderen Spieler machen, wie Head Coach Nick Sirianni klarstellte. Angesprochen auf den laufintensiven Spielstil entgegnete der Head Coach: „Wir haben ihn nicht bezahlt, um weniger zu leisten. Wir denken darüber nach, wie wir unseren Quarterback beschützen, das ist unsere Aufgabe“, erklärte Sirianni „The Athletic“, „aber er macht vieles richtig, und das wollen wir weiterhin nutzen.“ Hurts Gesamtpaket sei der Grund gewesen, warum man ihn als neues Franchise-Gesicht ausgewählt habe. Der Head Coach machte deutlich, dass es keinen Grund gebe, ihn vorsichtiger einzusetzen, nur aufgrund des neuen Vertrags. Angefeuert wurden diese Überlegungen, nachdem Josh Allen erklärte, seinen Spielstil eventuell verändern zu wollen, um sich besser vor Verletzungen zu schützen. Wie Hurts ist auch der Quarterback der Buffalo Bills sehr physisch auf dem Feld und glänzt immer wieder als Läufer.
Kader wurde komplett verändert
Die Eagles müssen sich jedoch auch mit ketzerischen Fragen herumschlagen. Ist Hurts ein Elite-Quarterback? Oder ist sein Team einfach überragend gut und er ein Produkt des Systems? Seit dem ersten Super-Bowl-Sieg der Club-Geschichte vor fünf Jahren hat General-Manager Howie Roseman die Eagles komplett auf links gedreht. Neue Trainer, neue Spieler, im 53er-Kader sind nur sieben Helden von 2018 dabei, die damals Tom Bradys Patriots vom Thron stießen. Die Eagles hatten den vielleicht besten Kader der Liga. Die Defensive ragte dabei noch heraus und hätte fast Geschichte geschrieben: Angetrieben von Ausnahme-Verteidiger Haason Reddick hat sie in der regulären Saison stolze 70-mal den gegnerischen Quarterback umgerissen, nur zwei Teams in der NFL-Historie waren erfolgreicher. Auch Passempfänger sind nirgends besser abgemeldet als bei der Eagles-Defensive. Letztlich könnte Hurts die Kritik egal sein. Er wäre nicht der erste Spielmacher, dessen Beitrag zum Super-Bowl-Sieg bescheiden bliebe. Selbst Quarterback-Legende Peyton Manning glänzte beim Gewinn seines zweiten Rings vor allem damit, keine schlimmen Schnitzer begangen zu haben. Es könnte Hurts also egal sein. Zu lange hat er dafür jedoch von vielen Menschen gehört, dass er nicht nur vom „playing within the system“ etwas versteht, sondern sogar ein sogenannter „System-Quarterback“ ist. Ein Spieler also, der zwar durchaus über achtbare Fähigkeiten verfügt, der aber ohne Zweifel vom System seiner Mannschaft besser gemacht wird, als er eigentlich ist. Es ist ein althergebrachter Begriff im NFL-Jargon, welcher in sich eigentlich noch keinen Makel darstellt, letztendlich aber doch in gewisser Weise als Tadel auf einer Position verbucht wird, wo die Selbstglorifizierung des Einzelnen eine exorbitant hohe Bedeutung hat.
Ob Hurts nun System-Quarterback oder Ausnahmespieler ist – er ist definitiv einer der bestbezahlten Spieler, die jemals in der NFL aktiv waren. Die richtigen Leute hat er also schon überzeugt.