Kim Kassandra und Mark Schmid sind überzeugte Yogis und hatten die Idee zum „Yogimobil“. Heute lehren sie die Praxis in Deutschland, Griechenland und Portugal. Und sie haben gelernt, dass auch im Yoga nicht alles bloß „Licht und Liebe“ ist.
Es klingelt und Kim Kassandra Schmid öffnet fröhlich die Tür. Die Yogalehrerin ist eine mittelgroße, blonde Frau mit warmen, braunen Augen und einem freundlichen Lächeln. In einem lichtdurchfluteten Raum sitzen Frauen im Schneidersitz vor ihren Matten und plaudern über ihre Woche. Währenddessen schnippelt Mark Schmid die letzten Früchte in der Küche nebenan, aus der der Duft von frischem Kaffee und Tee strömt. In dem kleinen Shop ein Zimmer weiter gibt es Kerzen, Steine und Klangschalen.
Das Yoga-Special „Vitality Booster“ an diesem Morgen soll wach machen und Energien im Körper aktivieren. Der anschließende Snack hilft dem Körper, die in der Praxis freigesetzte Energie umzuwandeln. Kim Kassandra Schmid ist nicht nur Yogalehrerin, sondern auch zertifizierte Ernährungsberaterin und staatlich zertifizierte Ausbilderin nach der Ausbilder-Eignungsverordnung AEVO. Heute gibt sie im „Yogimobil Zentrum Saarland“ in Riegelsberg ein Yoga-Special. Hauptsächlich bildet sie Yogalehrerinnen und -lehrer aus und begleitet als Mentorin.
„Yogimobil“ ist eine eingetragene Marke mit unterschiedlichsten Fortbildungskonzepten. Das Hauptangebot ist eine Yoga-Grundausbildung mit 200 Stunden und eine Aufbauausbildung mit 300 Stunden. Die Ausbildung ist lizensiert und wird in Yogaschulen in Hanau, Friedrichsdorf, Bad Nauheim und Schweringen angeboten. Deswegen haben sich Kim und Mark Schmid für die internationale Zertifizierung der American Yoga Alliance und gegen die Zertifizierung des Berufsverbandes der Yogalehrenden in Deutschland entschieden.
Eine aus Indien stammende philosophische Lehre
Angefangen hat alles 2016 mit einem alten VW-Bus. „Das Yoga-Mobil ist für mich so entstanden, dass ich einen alten Bus renovieren wollte. Ich wollte einen Surf-Van. Da war nichts Spirituelles dabei, einfach Lebensfreude!“, erzählt Mark Schmid. Ursprünglich hat er Kunstschmied gelernt, heute ist auch er zertifizierter Yogalehrer dazu Klangmassagepraktiker und Klangyogalehrer. Zum Yoga kam er durch Kim. „Wir hatten den Deal, dass Kim zu allem mitkommt, was mir gefällt und ich zu allem mitkomme, was ihr gefällt.“ Bei der Yoga Conference hörte er Krishnataki, einen bekannten Thaimassagelehrer mit einer Shrutibox, einem indischen Instrument, singen. „Das war so ergreifend. Da war ich nach kurzer Zeit voll am Weinen. Und da habe ich gemerkt, dass ich auch Mantra singen will“, erzählt Mark Schmid.
Mit seinem VW-Bus reiste das Paar von Ort zu Ort – er surfte, sie unterrichtete Yoga. Durch die sozialen Medien und einen Van-Blog wurden Festivals auf sie aufmerksam. Bald wurden sie von den größten Yogafestivals Europas eingeladen. Nach und nach entwickelte sich so die Marke Yogimobil. Geplant hatte das Paar nichts davon. „Wir haben immer versucht, das zu machen, was uns gefällt und Freude macht“, sagt Mark Schmid.
Yogimobil stehe für eine Praxis mit einem vielfältigen Stil und ohne Dogma, damit jeder Mensch seinen individuellen Zugang zu Yoga finden könne. Denn zu glauben, es gäbe nur den einen, wahren Stil, sei gefährlich. „In der Geschichte ging dieses Denken schon oft sehr schief. Viele Gurus oder Führer von Yogamarken oder Yogastilen haben irgendwann den Punkt erreicht, an dem sie ihre Stellung missbraucht und die Menschen emotional verletzt haben, die ihnen gefolgt sind“, erzählt Kim Schmid.
Yoga hat sich in den letzten Jahren zu einem regelrechten Trend etabliert. Unzählige Yogastudios und Webseiten werben mit der heilsamen Praxis für mehr Gelassenheit, innere Ruhe und Selbstliebe. Der Begriff der Achtsamkeit ist fast allgegenwärtig – nicht nur im yogischen Kontext. Doch was zu einer korrekten Yogapraxis gehört und was nicht, wird durchaus unterschiedlich verstanden. Dabei beschäftigen sich nicht alle, die Yoga praktizieren zwangsläufig damit, wo es seinen Ursprung hat.
Die Praxis ist eine aus Indien stammende, philosophische Lehre, die auf sehr alte Schriften wie die „Yogasutra“, die „Upanishaden“ und die „Hatha Yoga Pradipika“ zurückgeht. Patanjali, ein indischer Gelehrter, verfasste die Yogasutra, den klassischen Leitfaden des Yoga. Hatha Yoga Pradipika ist die wohl bekannteste Yogaschrift nach den Yogasutra. Die Upanishaden sind eine Sammlung philosophischer Schriften des Hinduismus und Bestandteil des Veda, der heiligen Lehre, im Yoga auch „Sanskrit“ genannt. Auch in ihnen ist schon von Yoga die Rede. Verschiedene Formen von Yoga gehen häufig mit einer eigenen Philosophie und einer eigenen Praxis einher. Die körperliche Praxis oder auch „Asana“, die vor allem im Westen mit Yoga assoziiert wird, kann weitestgehend mit dem gleichgesetzt werden, was sich „Hatha Yoga“ nennt. Daneben gibt es auch meditative Yogapraktiken oder solche, die den Fokus auf Atemübungen legen, „Pranayama“ genannt.
Die klassischen indischen Schriften beschreiben vier Yogawege: „Raja-Yoga“ oder „Ashtanga Yoga“, die Stufen des achtgliedrigen Yoga nach Patanjali, die meditativ orientiert sind, „Jnana Yoga“ oder Yoga der Erkenntnis, „Karma-Yoga“ oder Yoga der Tat und „Bhakti-Yoga“ oder auch Yoga der Liebe, Verehrung und Hingabe an Gott. Grundsätzlich ist Yoga aber unabhängig von einer bestimmten Religion oder Weltanschauung. Kim Kassandra Schmid ist der Selvarajan Yesudian Tradition verbunden. Selvarajan Yesudian war ein aus Indien stammender Yogalehrer, der Yoga erstmals in Europa etabliert hat. Er gründete eine Yogaschule in der Schweiz und lehrte ein sehr ruhiges Hatha Yoga. Seine Nachfolgerin Susy Heim ist noch heute Kim Schmids Lehrerin.
Im Kloster meditierte sie vor dem Essen
Die Yogimobil-Gründerin fand schon früh ihren Weg zu Yoga. Schon mit 16 unterrichtete sie Pilates. Nach dem Abitur lebte sie einige Zeit mit Mönchen in einem buddhistischen Kloster in Chiang Mai. Dort kam sie mit Meditationspraktiken in Kontakt. „Da hatte ich einen Aha-Moment, manche nennen es spirituelles Erwachen. Ich habe ein Buch gelesen, das mich wie kein anderer in den Moment gebracht hat. Und da wusste ich, dass Yoga super wichtig und heilsam für mein Leben sein wird.“
Die Yogaphilosophie lehrt nicht nur einen ganzheitlichen Ansatz von Körper, Seele und Geist, sondern in ihren Ursprüngen auch den Weg der Selbstvervollkommnung sowie Methoden, um Körper und Geist zu reinigen und Begierde zu zügeln. Im Kloster musste die Yogalehrerin morgens vor ihrem Porridge sitzen und so lange meditieren bis es kalt war. Dadurch sollte sie lernen die Anhaftung zu verlieren. „Und was da in dir passiert – diese Eile, dieses Hetzen, dass man sich die ganze Zeit fragt: Warum geht es nicht weiter? Warum essen wir jetzt nicht? Das wird dir auf eine ganz tolle Weise abtrainiert“, erzählt sie.
Als das Paar begann, sich am Yoga-markt zu etablieren, merkte es schnell, dass dort nicht alles „Licht und Liebe“ ist. Sie kamen mit Menschen in Kontakt, die eine ganz eigene Vorstellung davon hatten, wem es erlaubt sei Yoga zu lehren und wem nicht. „Aber wer soll definieren und beurteilen, ab wann man Yogalehrer genug ist, um es weitergeben zu dürfen. Und was ist falsch an einer starken Asana-Praxis in einem Fitnessstudio?“, fragt Mark Schmid und seine Frau fügt hinzu: „Ich habe schon mit Yogalehrern trainiert, die noch nie eine Yogaausbildung gemacht haben. Das waren teilweise die besten Yogastunden meines Lebens. Eine fundierte Ausbildung ist das eine, tatsächliche Praxis und Erfahrung das Andere wichtige Element eines guten Yogalehrenden.“ Das Paar erzählt von Schülerinnen und Schülern, die in Prüfungssituationen ausgelacht und vorgeführt wurden. „Unser Fokus ist, die Menschen abzuholen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben. Und die finden auch immer wieder zu uns“, sagt Kim Schmid.
„Geerdete Spiritualiät ist etwas Schönes“
Auf die Frage, ob Yoga zunehmend kommerzialisiert wird, antwortet die Yogalehrerin: „Mir sind bisher nur Menschen begegnet, die die Praxis sehr ernst nehmen.“ Ein Problem sei eher, dass die Lehrerinnen und Lehrer sich nicht erlaubten, damit Geld zu verdienen. „Meine Frage ist da immer: Was ist dir deine Lebenszeit wert? Denn Yoga ist auch ein Job und eine Dienstleistung.“ Viel kritischer sieht Kim Schmid das Geschäft mit Yogabekleidung und anderen Markenartikeln. „Für mich ist das ein kapitalistisches Ausschlachten von Yoga über Leggings und T-Shirts. Warum muss eine Yogaleggings 140 Euro kosten?“, fragt sie und fügt hinzu: „Aber Menschen, die Yoga in die Welt bringen, weil sie es mögen, finde ich super wertvoll.“ Einen kleinen Shop betreibt das Paar mit ihrer Marke aber trotzdem.
Bevor sie Yogalehrerin wurde, war Kim Schmid Sozialarbeiterin. Als ihre Mutter schwer erkrankte, wurde sie von einem Palliativteam unterstützt. Deshalb spendet Yogimobil heute einen Teil seiner Einnahmen an das „Kinderhospiz Saarbrücken“ und „Ärzte ohne Grenzen“. Der frühe Verlust ihrer Mutter ließ sie noch tiefer in ihre Yogapraxis eintauchen. In ihren Yogastunden kombiniert sie historisches und spirituelles Wissen, denn sie hat auch einen Masterabschluss in Kunstgeschichte und Geschichtswissenschaften an der Universität des Saarlandes absolviert. Mark Schmid praktizierte ursprünglich viel Kampfsport. Zusammen mit ihm hat sie eine „Fusion Flow Methode“ entwickelt, in der Schamanismus, Naturverbundenheit und Kampfsport zusammenkommen. „Nicht alles, was wir vor Yoga gemacht haben, war falsch und hat zu nichts geführt. Alles kann mit einfließen und darf in deiner Yogapraxis Gestalt finden“, erklärt Mark Schmid.
Beide bezeichnen sich zwar als spirituell, das habe aber nicht immer etwas mit Klangschalen, Kristallen und Asanas zu tun. Kim erklärt: „Das sind nur Werkzeuge, die uns auf unserem Weg unterstützen. Ich definiere Spiritualität für mich so, dass ich mir erlaube, mir die großen Fragen zu stellen: Wer bin ich? Wo gehe ich hin? Wo komme ich her?“, und ihr Mann ergänzt: „Wenn die Moral dazukommt, kann es schnell schwierig werden. Aber eine geerdete Spiritualität ist doch etwas Schönes.“ Denn beide halten nichts von der Vorstellung, ein echter Yogi sei nur jemand, der einen Guru habe, kein Fleisch esse oder keinen Kaffee trinke. „Im Endeffekt haben wir alle das gleiche Ziel, nämlich inneren Frieden und glücklich sein.“
Laut den beiden Yogalehrenden möchte Yogimobil für ein modernes Yoga stehen, basierend auf der alten Tradition, allerdings immer kritisch reflektiert. Eine gemeinsame Vision des Paares ist ein großes Yogafestival, das beide für das Saarland planen.
„Wir lieben Community und mit Menschen zusammen zu sein, die dieselben Ideen haben und dieselben Dinge mögen“, erzählt Kim Schmid. Wichtig sei der Yogalehrerin aber vor allem eins: „Jeder soll Yoga ausprobieren und sein individuelles Yoga finden. Weil es einfach unser Leben schöner macht.“