Die Saar-Grünen gehen mit einer neuen Doppelspitze ins Wahljahr 2024. Jeanne Dillschneider und Volker Morbe setzen auf klares Profil und Zusammenhalt.
Ein ungewohntes Bild im Saalbau in Homburg: Ein Parteitag der Saar-Grünen, der von Harmonie geprägt ist. Das sollte er auch nach den Turbulenzen der Vergangenheit und neuerlichen persönlichen Vorwürfen kurz vor dem Parteitag. Diesmal im Mittelpunkt: die bis dahin amtierende Vorsitzende Uta Sullenberger. Die Vorwürfe der Belästigung spielten allerdings auf dem Parteitag keine Rolle, und auch von den alten Grabenkämpfen der Vergangenheit, geprägt unter anderem von internen Machtkämpfen zwischen Kreisverbänden, war nicht mehr viel zu spüren. Und das, obwohl Neuwahlen anstanden.
Selbst bei der Kampfabstimmung um den Parteivorsitz ging es, trotz der Unruhen im Vorfeld, geradezu freundlich zu. Als die bisherige Vorsitzende Uta Sullenberger keine Mehrheit hinter sich brachte, wurde sie mit stehendem Applaus und viel Lob für die zurückliegende Arbeit bedacht. Sullenberger unterlag der Vorsitzenden der Grünen Jugend, Jeanne Dillschneider, die sich deutlich mit 60 Stimmen (gegenüber 39 für die bisherige Vorsitzende) durchsetzen konnte. Anschließend wurde Volker Morbe, Bildungsexperte der Partei, ohne Gegenkandidaturen zum Co-Vorsitzenden gewählt.
Partei holt in Umfragen auf
Sullenberger hatte zusammen mit Ralph Nonninger (der bereits früh seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur erklärt hatte) Verantwortung an der Spitze der Partei übernommen, als die in einem zerstrittenen und desaströsen Zustand war. Ein Höhepunkt dessen war, dass die Saar-Grünen keine gültige Landesliste für die Bundestagswahl zustande brachte und interne Machtkämpfe die inhaltliche Arbeit zum Erliegen brachten. Auch aus diesem Grund wurde „bunt.saar“ gegründet. Die Gruppierung erhielt zwar nur 1,4 Prozent der Stimmen. Wenn aber von den 6.216 „bunt.saar“-Wählerinnen und -Wählern nur 23 bei den Grünen geblieben wären, würden diese heute im Landtag sitzen – genau die 23 Stimmen fehlten bei dem Ergebnis von 4,99 Prozent. Es war nicht gelungen, den enormen Vertrauensverlust durch die internen Querelen aufzuholen. Ein Jahr später bilanzierte Sullenberger bei ihrer erneuten Kandidatur allerdings: „Wir sind wieder lebendige Grüne. Das Saarland braucht grün – und zwar das Original“.
Orientiert man sich am jüngsten Saarland-Trend, scheinen das auch wieder mehr Menschen im Land so zu sehen. In der Sonntagsfrage lagen die Grünen bei acht Prozent. Allerdings ist es eine langjährige Erfahrung der Saar-Grünen, dass ihre Umfrageergebnisse in der Regel über den wirklichen Ergebnissen am Wahltag liegen. Die Mitgliederzahlen, die in einem Abwärtstrend lagen, haben sich zugleich offensichtlich wieder stabilisiert. Und nach eigenem Bekunden hat sich die Partei auch wieder auf thematische Sacharbeit in den Landesarbeitsgemeinschaften (LAGs) konzentriert. Damit habe die Partei ihren „größten Schatz wieder aktiviert“, betonte Sullenberger in der Bilanz ihrer Amtszeit. Dem Parteitag war diese Bilanz minutenlangen Applaus wert. Gewählt wurde allerdings mit Jeanne Dillschneider sozusagen das Gegenstück: Die Vorsitzende der Grüne Jugend begeisterte den Parteitag mit ihrer bekannten kämpferisch-forschen Art, das Gegenteil von der eher auf Ausgleich gerichteten Vorgängerin.
„Wir erleben gerade viel Unmut gegenüber Grünen und Klimaaktivsten“, konstatierte Dillschneider, um gleich in die Offensive zu gehen und grüne Politik damit zu begründen, dass sie „auf Wissenschaft und Vernunft“ setze, um die „Lebensgrundlagen für kommende Generationen zu erhalten“.
Zugleich forderte Dillschneider, die auch Fraktionschefin der Grünen im Saarbrücker Stadtrat ist, „Kommunen zu stärken, denn Dörfer und Städte sind der Maschinenraum der Demokratie“. Dabei hatte sie ohne Zweifel das kommende Jahr im Blick. „Die Kommunalwahl gewinnen wir nur mit Geduld und langem Atem.“ Die Einigung der Partei nach den internen Grabenkämpfen sei „eine Teamleistung, wir sind aber noch lange nicht am Ziel“.
In der Tat dürfte es noch einige Überzeugungsarbeit brauchen, um verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Das Saarland war für die Grünen ohnehin noch nie ein leichtes Pflaster. Das hat viele Gründe, angefangen bei der industriell geprägten Struktur des Landes, liegt aber nicht zuletzt darin, dass es mit SPD und CDU im Saarland noch zwei Parteien gibt, die den Anspruch, Volkspartei zu sein, zu Recht erheben können. Auch deshalb sind Wahlen für die kleineren Parteien hier immer eine Zitterpartie.
Bewährungsprobe Kommunalwahlen
„Natürlich haben wir Profil, haben wir Inhalte“, unterstreicht die neue Vorsitzende, aber ihr ist auch klar, dass das nicht zwingend jedem Saarländer und jeder Saarländerin bewusst sein dürfte. Auch deshalb wird auf diesem Parteitag immer wieder davon gesprochen, dass die Grünen „das Original“ sind: Abgrenzung gegenüber den politischen Mitbewerbern.
Was in der Sache nicht immer ganz einfach ist. In einem Leitantrag unter dem Titel „Wandel begleiten und gestalten – Strategien und Maßnahmen für einen klimaneutralen Wirtschaftsstandort Saarland“, der von Anne Lahoda vorgestellt wurde, fordern die Grünen unter anderem: „Eine klare Orientierung der Kriterien an den definierten Zielen: Förderung und Unterstützung des Wandels hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft, Sicherung und Schaffung von zukunftsfähigen und fairen Arbeitsplätzen, Ausbau einer diversifizierten und anpassungsfähigen Wirtschaftsstruktur.“ Über diese Ziele dürfte im Saarland weitgehend Einigkeit bestehen.
So sieht Dillschneider den Transformationsfonds der Landesregierung auch durchaus als „Statement für Zukunft“, kritisiert aber die aus ihrer Sicht allzu einseitige Fokussierung auf die Industrie. Die Grünen fordern in ihrem Antrag, bei Förderung von Projekten durch den Transformationsfonds als Kriterien „neben ihrer wirtschaftlichen Tragfähigkeit auch ihre Vereinbarkeit mit den 17 UN-Zielen zur Nachhaltigkeitsentwicklung“ zum Maßstab zu machen.
Für die neue grüne Doppelspitze Dillschneider/Morbe war der Parteitag sicherlich ein guter Start. Ein endgültiger Schlussstrich unter die Querelen der Vergangenheit dürfte es aber noch nicht sein. Strukturreformen der Partei müssen abgeschlossen werden, und so manche Verwundung aus den Grabenkämpfen dürfte noch nicht ausgeheilt sein.
Der Blick soll aber jetzt nach vorne gehen. Bewährungsprobe sind die Kommunalwahlen im kommenden Jahr, und dafür will die Partei „als Team mit Profil und Mut antreten“, oder, wie die neu gewählte Vorsitzende nach ihrer Wahl den Delegierten zurief: „Let’s do it“.