Fordert ein Krankenhaus Blutkonserven an, geht es um Leben und Tod. Umso erschreckender die Nachricht des DRK-Blutspendedienstes West im Januar, dass keine ausreichenden Kapazitäten mehr vorhanden sind. Welche Folgen das haben kann, mag sich niemand ausmalen.
In Deutschland sind Lagerung und Herausgabe von Blutkonserven regional geregelt. Eines der größten Lager in Nordrhein-Westfalen, der DRK-Blutspendedienst, schlug Alarm. Die Lager seien fast leer. Das bedeutet im schlimmsten Fall, dass ein Mensch nach einem Unfall oder einem anderen medizinischen Notfall stirbt, weil für ihn kein Blut zur Verfügung steht. Claudia Müller, Referentin für Unternehmenskommunikation beim DRK-Zentrum für Transfusionsmedizin Münster gibt vorsichtig Entwarnung: „Wir hatten zu Jahresbeginn nur noch eine Sicherheitsreserve für maximal zwei Tage. Die war angestiegen, droht in den Ferien aber wieder zu sinken. Unser Ziel ist, einen Vorrat für fünf bis sieben Tage vorzuhalten. Dann sind wir auf der sicheren Seite und können auch bei großen Unfällen oder anderen Schadensereignissen alle Patientinnen und Patienten gut versorgen.“ Eine ausreichende Absicherung in diesem Sektor ist immens wichtig und trotzdem längst keine Selbstverständlichkeit, so Müller weiter. „Die Versorgung schwerkranker Patientinnen und Patienten mit Blutkonserven ist eine ständige Herausforderung, weil man Blutkonserven nur sechs Wochen lang lagern kann. Jeden Tag wird Blut transfundiert, deswegen müssen jeden Tag Menschen Blut spenden. Anfang dieses Jahres war die Lage sehr angespannt. Mit viel Unterstützung der Medien hat sich das im Februar und März etwas stabilisiert. Wenn die Temperaturen steigen und man gern wieder mehr unternimmt, in den Osterferien und rund um die Feiertage wird es erfahrungsgemäß wieder eng. Die Menschen machen Urlaub, sitzen im Eiscafé und genießen verständlicherweise den Frühling. Ans Blutspenden denkt man dann eher nicht.“ Sollte man aber, denn das Problem kann wirklich jeden treffen. Besonders natürlich all jene, die eine seltene Blutgruppe haben. Laut Blutspendedienst gibt es im Blut des Menschen zwei wichtige Merkmale, den Rhesusfaktor und die Blutgruppe. Bei einer Transfusion müssen beide Komponenten übereinstimmen, damit eine Verträglichkeit zwischen dem Blut des Spenders und dem des Empfängers gewährleistet ist. Für Notfallpatienten ist es hilfreich, wenn ausreichend Konserven mit Blutgruppe 0 verfügbar sind, weil sich diese universell einsetzen lassen.
Entdeckt hat die Zusammenhänge zwischen den Blutgruppen Karl Landsteiner, ein Wiener Arzt, und das bereits am 14. November des Jahres 1901. Es sollte noch 36 weitere Jahre und der Hilfe eines amerikanischen Serologen namens Alexander Salomin Wieder bedürfen, ehe Landsteiner das Rhesussystem entdeckte. Bis heute gilt es als eines der drei wichtigsten. Hierbei unterscheiden Ärzte zwischen „Rhesusfaktor negativ“ (Rh-) und „Rhesusfaktor positiv“ (Rh+). Ähnlich funktioniert auch das zweite System, das sogenannte Kell-System, welche Blutgruppenmerkmale beschreibt als kk (Kell-negativ) und Kk (Kell-positiv). Zur genaueren Klassifizierung kommt das AB0-System zum Einsatz und unterteilt insgesamt vier Blutgruppen als 0, AB, A und B. Jede Blutgruppe hat dabei spezifische Merkmale. Diese sind insbesondere Eiweiße, die sich auf der Oberfläche von roten Blutkörperchen ansiedeln. Passen Blutgruppen nicht zusammen, bildet das eigene Blut Fremdkörper. Es verklumpt.
Bevor Landsteiner die Entdeckung der Blutgruppen machte, waren Transfusionen nicht zufällig erfolgreich. Die meisten Menschen starben, ohne dass Mediziner wussten, warum. Heute wissen sie um 29 verschiedene Blutgruppensysteme. Die sind allerdings nur dann relevant, wenn der Patient eine seltene Krankheit hat. Wer welche Blutgruppe bekommt, das bestimmen die Mendel’schen Erbregeln. Sie sind nach Gregor Johann von Mendel benannt, der als Naturwissenschaftler 1865 erste Kreuzungsversuche zwischen Bohnen und Erbsen durchführte und daraus spezielle Erkenntnisse zog, die sich durch Experimente von Vererbungsforschern knapp 40 Jahre später auf Lebewesen übertragen ließen. Demnach besitzt der Mensch ein bestimmtes Blutgruppenmuster, geerbt von den Eltern. Jeder Elternteil besitzt zwei Antigen-Merkmale, von denen jeweils eines an das Kind weitergegeben wird. Daraus können sich unterschiedliche Kombinationen ergeben, also eine der vier Blutgruppen mit einem vorhandenen oder eben nicht vorhandenen Rhesusfaktor.
So einzigartig wie das Leben selbst ist auch dessen Erhalt. Und der hängt damit zusammen, ob das passende Blut zur Verfügung steht. Das Problem ist, dass einem der hohe Bedarf meist nur auffällt, wenn einen die sinkende Nachfrage selbst betrifft. Das weiß auch Claudia Müller und versucht den Rückgang der Spendenbereitschaft zu erklären: „Es gibt für viele natürlich attraktivere Freizeitangebote, als zur Blutspende zu gehen. Der gute Wille ist oft da, aber man muss sich die Zeit nehmen und dann auch wirklich handeln. Wahrscheinlich spielt zusätzlich Unwissenheit oder Angst eine Rolle. Da hilft es am besten, die Blutspende einmal auszuprobieren: Man findet unter www.Blutspende.jetzt wichtige Informationen zur Blutspende und kann sich direkt einen Blutspendetermin reservieren.“ Um den Weg zwischen der Erkenntnis, dass Blutspenden wichtig ist und diese auch wirklich durchzuführen, abzukürzen, hat sich der DRK einiges einfallen lassen. „Wir nutzen die unterschiedlichsten Kanäle und Medien für unsere Botschaft, dass jede Blutspende hilft. Die permanenten Appelle und diversen Aktionen sind wirklich wichtig, um regelmäßig die Aufmerksamkeit zu wecken. Mit Aufhebung der Corona-Schutzmaßnahmen können wir wieder Blutspendetermine in Unternehmen und Schulen durchführen. Damit nehmen wir vielen die Schwellenangst und ermöglichen einen unkomplizierten Kontakt zur Blutspende beim Roten Kreuz“, so die Referentin. Es bleibt zu hoffen, dass viele Menschen die Angst verlieren und die Spendenbereitschaft wieder steigt. Langfristig.