Der chinesische Staatskonzern Cosco darf sich an einem Hamburger Terminal beteiligen, obwohl dieses als kritische Infrastruktur eingestuft wurde. Der Aufschrei ist groß, die Hamburger Hafen AG beschwichtigt.
Die Kritik an der Entscheidung der Bundesregierung ist groß: Das umstrittene Terminal Tollerort im Hamburger Hafen ist nach einer Entscheidung der Bundesregierung nun zum Teil verkauft. 24,99 Prozent und damit eine Minderheitsbeteiligung gehen an den chinesischen Staatskonzern Cosco. Brisanz gewinnt das Thema durch die gestiegene Befürchtung, dass Staaten wie Russland oder China Zugriff auf kritische Infrastrukturen in Deutschland erhalten. Auch die EU spricht sich mittlerweile dafür aus, in dieser Hinsicht ein vorausschauendes Risikomanagement zu betreiben.
Opposition und die Fraktionen der Regierungsparteien im Bundestag üben beide Kritik daran. Sowohl aus der Grünen- als auch aus der FDP-Bundestagsfraktion kamen Stimmen, die eine Minderheitsbeteiligung von Cosco Shipping Ports am Terminal weiter für falsch halten. „Es war falsch, es ist falsch und es bleibt falsch“, klagte etwa der Grünen-Wirtschaftspolitiker Felix Banaszak im „Handelsblatt“. Es sei ein Fehler, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) ein neues Investitionsprüfungsverfahren verhindere. Beim Bundeskanzler vermenge sich „falsch verstandener Hamburger Lokalpatriotismus mit einer Außenwirtschaftspolitik, die aus den fatalen Fehlern im Umgang mit Russland nichts gelernt hat“, sagte Banaszak. Der Kanzler war vor seinem Wechsel nach Berlin immerhin Hamburgs Bürgermeister.
Es sei kurzsichtig, sich mit Blick auf den Standortwettbewerb mit anderen europäischen Häfen dem Vorgehen Chinas zu beugen, weil Peking mit Sanktionen drohe, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete. „Damit zeigt man sich unnötig erpressbar.“ Banaszak steht mit seiner Haltung im Widerspruch zu den Hamburger Grünen, die für eine Beteiligung von Cosco am Terminal Tollerort sind.
Zu starker Einfluss Chinas
Der FDP-Außenpolitiker Frank Müller-Rosentritt betonte: „Jeder Schritt, in eine noch stärkere Abhängigkeit von China zu schlafwandeln, ist ein Fehler.“ China erkaufe sich durch Cosco mehr Einfluss auf die deutsche Infrastruktur „und spielt uns strategisch gegeneinander aus“. Der Hamburger Bundestagsabgeordnete der FDP, Michael Kruse, geht davon aus, dass der Cosco-Einstieg kurzfristig Ladungsmengen sichern werde. „Angesichts der mittelfristig zu erwartenden Mengen im China-Handel wird allerdings deutlich, dass die Bindung von Ladungsmengen an einen Standort kein ausreichendes Zukunftskonzept ist.“
Kritisch zeigte sich auch der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter. „Da die Nachrichtendienste und weitere Ministerien massiv vor dem Verkauf von Anteilen des Terminals des Hafens an Cosco gewarnt haben, wirkt das Ganze noch viel mehr wie ein Alleingang des Bundeskanzlers auf seinem chinapolitischen Irrweg“, sagte er dem „Handelsblatt“. Deutschland müsse endlich aus den Fehlern lernen, die es bei Russland gemacht habe.
Das internationale Polit-Magazin „Politico“ spricht gar davon, dass der Kanzler seinen Vize und dessen Ministerium ausmanövriert habe. Cosco wollte ursprünglich 35 Prozent der CTT-Betriebsgesellschaft übernehmen. Dagegen hatten jedoch mehrere Bundesministerien, Wirtschaft, Außen und Finanzen, protestiert, sodass das Kabinett die Quote im Oktober vergangenen Jahres auf unter 25 Prozent festlegte, um eine Sperrminorität Coscos zu verhindern. Eine entsprechende Änderung in der Verordnung für kritische Infrastrukturen erfolgte schon 2022. Doch erst Anfang des Jahres legte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) einen Bericht vor, wonach das Terminal als kritische Infrastruktur und damit als besonders schützenswert einzustufen sei. Aufgrund dieser Einstufung wollte das Bundeswirtschaftsministerium nun im Rahmen seiner Prüfung die Beteiligungsschwelle noch weiter senken, so „Politico“. Allerdings wäre für eine materielle Änderung der bestehenden Teiluntersagung Einstimmigkeit im Kabinett erforderlich gewesen – und die habe es nicht gegeben.
Laut offizieller Mitteilung der Bundesregierung hält diese damit an einer Teiluntersagung fest, wie im Oktober beschlossen. Damit kann der Verkaufsprozess nun weitergehen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist zufrieden mit der erfolgten Zustimmung zum Verkauf. Sie sei gut für den Investitionsstandort und das Import- und Exportland Deutschland, sagte Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und technologische Souveränität Deutschlands und der EU erforderten die grundsätzliche Offenheit für ausländische Investitionen, auch aus China.
Deal ist bald abgeschlossen
Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) hatte angekündigt, dass der Deal nun bald final sei. Mit der Entscheidung sei es nun möglich, den Terminal Tollerort zu einem bevorzugten Umschlagpunkt des langjährigen HHLA-Kunden Cosco auszubauen, wo Ladungsströme zwischen Asien und Europa konzentriert würden. Die HHLA ist selbst bemüht, die Fakten zum Verkauf klarzustellen: Das Terminal werde nicht verkauft und stehe weiterhin anderen Kunden zur Verfügung. Es gehe bei der Einstufung als kritische Infrastruktur vor allem um die IT-Sicherheitsarchitektur, auf die Cosco keinerlei Zugriff habe. Die HHLA gehört zu 100 Prozent der Freien Hansestadt Hamburg.
China ist derzeit der größte Handelspartner Deutschlands und des Hamburger Hafens. Rund 30 Prozent der Waren, die im Hamburger Hafen umgeschlagen werden, kommen aus China oder werden dorthin verschifft. Das Volumen betrug laut dem Statistikamt Nord rund 2,5 Millionen TEU (Standard-Container-Einheiten) im Jahr 2022 – auf Platz zwei, weit abgeschlagen, die USA mit 0,6 Millionen TEU.