Die Reiselust nimmt wieder zu, die Tourismusbranche hofft für 2023 auf ein Rekordjahr – wohl zu Recht, wie aktuelle Zahlen und Prognosen aus der Branche zeigen. Dennoch bleibt das Problem des Fachkräftemangels bestehen.
Nachdem die Corona-Beschränkungen in Deutschland entfallen sind, meldet auch das Auswärtige Amt: derzeit keine Covid-19-bedingte Reisewarnungen. Wer also gerade Urlaubskataloge wälzt oder im Internet nach günstigen Angeboten von Flügen und Hotels sucht, kann ziemlich entspannt sein. Mehr als die Hälfte der Deutschen hat bereits einen mindestens fünftägigen Urlaub für 2023 geplant, geht aus der aktuellen Tourismusanalyse der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen hervor. Ein Fünftel ist noch unentschlossen, ein weiteres Fünftel verreist dieses Jahr nicht. Trotz der Krisen und Unsicherheiten – oder gerade deswegen – bleibt der Urlaub wichtig für die Deutschen.
Dabei geht auch der Trend zum Urlaub zu Hause weiter, denn die meisten der Befragten bleiben in Deutschland. Dann erst folgen Spanien und Italien. Wenn bei dem einen oder anderen die Reisekasse nicht mehr so gut gefüllt ist, werden eben Kompromisse gemacht: weniger Souvenirs, günstigere Hotels oder Urlaub in der Nachsaison. Nur die wenigsten wollen deshalb die Reisedauer verkürzen.
Am liebsten Urlaub in Deutschland
Nicht zuletzt wegen jener ungebrochenen Urlaubslaune erwartet die Tourismusbranche für 2023 ein Rekordjahr, gekoppelt an die Erkenntnis, dass Wachstum nur dann möglich sei, wenn sämtliche Aspekte von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung im Tourismus durchgesetzt werden – keine neuen Trends, doch Themen, die immer wichtiger werden. Einen Vorgeschmack lieferte bereits die Internationale Tourismus-Börse (ITB) im März dieses Jahres. Den Optimismus in der Branche teilte dort der Reiseveranstalter Alltours. Man spüre die „positive Verbraucherstimmung“, so Alltours-Chef Willi Verhuven. Auf zu erwartende Preissteigerungen angesprochen, sagte er, dass zwar Fernreisen wegen der wesentlich höheren Kerosinpreise und des schwachen Euro deutlich teurer geworden seien. Die klassischen Pauschalreiseziele hielten sich mit rund zehn Prozent im Rahmen der derzeitigen Inflationsraten. Bisher wären für einen Urlaub mit eigener Anreise die Preise sogar gleichgeblieben, obwohl man für 2023 mit einem Anstieg von 2,5 Prozent rechne.

Auch Dertour mit den Marken ITS und Meiers Weltreisen verweist auf eine große Nachfrage seit Jahresbeginn. Bereits im Februar lagen die Sommer-Buchungen mit 70 Prozent über dem Vorjahreswert, heißt es im Dertour-Trendradar. Da die Beschränkungen weggefallen sind, hätten die Reisenden mehr Planungssicherheit. Aktuell reise jeder fünfte Gast im Sommer in die Türkei. Zu den Aufsteigern 2023 gehören beim Unternehmen auch Tunesien und Ägypten. Bei den Fernzielen liege Thailand hinter Nordamerika und den Inseln im Indischen Ozean.
Auch wenn Palmen und Sonnenschein locken und die Deutschen nach wie vor zu den reisefreudigsten Nationen gehören – der Urlaub zwischen Ostsee und Bayrischem Wald liegt weiter im Trend. Auch die östlichen Bundesländer sind mit den Buchungszahlen für März und April zufrieden, zeigt eine aktuelle Umfrage des Sparkassen-Tourismusbarometers Ostdeutschland. Über 80 Prozent erwarten sogar eine Sommersaison auf dem Niveau von 2019 oder darüber. Die Zahl der Haupturlaubsreisen bleibt stabil, so die Erwartung, die der Kurz- und Tagesreisen könnte steigen, denn sie erfreuen sich gerade zunehmender Beliebtheit: Die Menschen strömen wieder in Museen, Zoos und Freizeitparks. Gute Nachrichten für die Branche, denn der Tagestourismus gilt als Motor der regionalen Entwicklung in Ostdeutschland: 460 Millionen Tagesreisen fanden dort 2022 statt und generierten einen Umsatz von gut elf Milliarden Euro. Auch wenn es immer wieder Ärger über die „Rollkoffergeschwader“ gibt, sagen doch 84 Prozent der ostdeutschen Städter, dass sie vom Tagestourismus profitieren, auf dem Land ist es die Hälfte der Bevölkerung.
Touristische Betriebe in den östlichen Bundesländern sind besser durch die Krisen gekommen als befürchtet. Beispielsweise reisten 2022 laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 50 Prozent mehr Gäste nach Brandenburg als im Vorjahr, die Zahl der Übernachtungen erhöhte sich um ein Drittel. Das sei fast schon Vor-Corona-Niveau, erklärte Wirtschaftsstaatssekretär Hendrik Fischer im März, die Zahlen deuteten auf eine überraschend schnelle Erholung der Branche hin. Beim Camping wurden die Ergebnisse von 2019 sogar noch übertroffen, ebenso bei Ferienhäusern und -wohnungen. Der Trend zum Campen, verstärkt durch die Pandemie, verfestigt sich offenbar. Es kämen auch wieder mehr internationale Gäste, hieß es. Der Arbeitsmarkt zeige eine leichte Entspannung, wobei sich die Gastronomie schneller erholt als die Beherbergung.
Fachkräftemangel ist drängendes Problem
Trotzdem ist immer noch jede fünfte Ausbildungsstelle in der Gastronomie im Osten Deutschlands unbesetzt. Laut Statistik fehlen in ganz Deutschland 42.000 Fachkräfte. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband schätzt die Zahl jedoch sehr viel höher. Es fehlen vor allem die in der Branche so wichtigen Minijobber, die während der Pandemie in für sie sicherere Jobs abwanderten. Im Februar bereits beschäftigte sich der Tourismusausschuss des Bundestages zusammen mit Sachverständigen mit der Lage kleiner und mittlerer Unternehmen im Tourismus und stellte fest: Der Fachkräftemangel ist eine der drängendsten Herausforderungen der nächsten Zeit. Für die Beschäftigten erhöhe sich mit den steigenden Anforderungen auch die Arbeitsbelastung. Um Reiseunternehmen zukunftsfest zu machen, müssten die Abläufe stärker digitalisiert und Auszubildende besser auf die sich ständig wandelnden Herausforderungen des Berufes vorbereitet werden, forderte auch Anke Budde, Präsidentin der Allianz selbständiger Reiseunternehmen. Und diese Veränderungen spielen sich auch vor der Hoteltür ab. Von zunehmender Bedeutung für den Tourismus sind die Themen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Maßnahmen zur Klimaanpassung. Sie werden die Branche auch in den kommenden Jahren stark beschäftigen.