Christian Ehrhoff hat fast 900 NHL-Spiele auf dem Buckel und hat als Profi viele Millionen verdient. Dennoch kehrt er im Alter von 40 Jahren zurück aufs Eis. Und was ist aus anderen Olympia-Helden von 2018 geworden?
Das Geld zieht Christian Ehrhoff nicht wieder zurück aufs Eis. In seiner langen und erfolgreichen Karriere hat der Eishockeyspieler genug Geld verdient, allein sein Zehn-Jahres-Vertrag bei NHL-Club Buffalo Sabres hatte ein Gesamtvolumen von 40 Millionen US-Dollar. Da Ehrhoff die Sabres bereits nach drei Jahren wieder verließ und der Club sich zu einem sogenannten „Buyout“ entschied, bekommt der Offensivverteidiger noch bis 2028 rund 900.000 Euro aus Buffalo auf sein Konto überwiesen. Daran ändert auch sein spektakulärer Entschluss, den Rücktritt vom Rücktritt zu erklären, nichts. Ehrhoff dürfte also demnächst für kleines Geld für seinen Heimatverein Krefeld Pinguine aus der DEL II auflaufen. Der größte Star im deutschen Eishockey spielt in der Saison 2023/24 also nicht in der Ersten, sondern in der Zweiten Liga. Aber warum tut sich der 40-jährige Ehrhoff, der mit knapp 900 NHL-Spielen und dem Gewinn der Olympia-Silbermedaille niemandem mehr etwas beweisen muss, das noch mal an?
Seine Tochter will ihn spielen sehen
„Das Leben als Profisportler ist schon sehr privilegiert, man kann sich auf seinen Sport konzentrieren und darf mittags immer einen Mittagsschlaf machen“, sagte Ehrhoff als scherzhaft gemeinte Antwort. Was ihm wirklich gefehlt hat seit seinem vor fünf Jahren verkündeten Rücktritt war etwas anderes: dass sich der Kreis schließt. „Ich wollte meine Karriere immer in Krefeld beenden“, sagte er. Doch nach den Jahren 2016 bis 2018 bei den Kölner Haien hatte er dazu keine Kraft mehr, „ich hatte gemerkt, dass ich aufhören muss mit dem Eishockey, dass es absolut reicht“. Doch in der abgelaufenen Saison spürte er wieder dieses Kribbeln in Händen und Beinen, wenn er als Fan in der Krefelder Arena bei Spielen dabei war.
Er habe beim Abschied seines Freundes Adrian Grygiel „die Stimmung wieder lieben gelernt, da ist das Feuer wieder entfacht“. Über die Osterfeiertage reifte in ihm „die verrückte Idee“, noch mal als Spieler zurückzukehren. Als Peer Schopp, der neue Hauptgesellschafter der Pinguine, von den Plänen erfuhr, sei dieser „fast vom Stuhl gefallen“, wie Ehrhoff lachend erzählte: „Aber er war von der Idee sofort begeistert.“ Und das drückte Schopp auch in der Pressemitteilung zur Ehrhoff-Verpflichtung aus. Es sei „eine unglaubliche, aber gelungene Überraschung und ein Meilenstein in der sportlichen Ausrichtung unseres Kaders“. Der Vertrag wurde nicht zufällig am 21. April unterschrieben, also genau 20 Jahre nach dem Gewinn der deutschen Eishockey-Meisterschaft, an der Ehrhoff damals großen Anteil hatte.
Zuvor hatte sich Ehrhoff noch den Segen seiner Familie geholt. Seine Frau sei von der Idee „sofort begeistert“ gewesen, und auch seine drei Töchter im Alter von 14, zwölf und acht Jahren legten kein Veto ein. Vor allem Ehrhoffs Jüngste war Feuer und Flamme für den neuen Job ihres Vaters. Sie habe gefragt, warum er aufgehört habe, verriet Ehrhoff: „Sie hat gesagt: Ich will dich mal spielen sehen.“ Diesen Wunsch erfüllt er nun seinem Kind – und macht damit alle im Club glücklich. Auch das Team habe keine Einwände gegen ihn vorgebracht, berichtete Ehrhoff. „Das Feedback war durchaus positiv, sonst hätte ich das nicht gemacht. Wenn der Trainerstab das nicht gewollt hätte, dann hätte das auch keinen Sinn gemacht.“ Aber alle hätten ihr „Go“ gegeben, „und das hat mich auch gefreut“.
„Es ist ein gutes Signal für den Standort, wenn verdiente Spieler, die sich mit dem Verein identifizieren, sich so sehr engagieren“, sagte der Sportliche Leiter Peter Draisaitl. Der Vater von NHL-Superstar Leon Draisaitl wollte die Situation aber auch nicht verklären, schließlich sind fünf Jahre Pause im Leistungssport auch für einen wie Ehrhoff kein Pappenstiel. „Der Trainerstab und ich erwarten, dass Christian in den nächsten Wochen und Monaten hart arbeitet, damit er zum Saisonstart körperlich auf höchstem Niveau agiert.“ Und das tut Ehrhoff seit seiner spektakulären Ankündigung. In seinem eigenen Fitness-Center, das er in Moers betreibt, schuftet er fürs Comeback. Mit einer Athletiktrainerin hat er ein Fitnessprogramm ausgetüftelt, mit dem er zunächst seine körperlichen Defizite beseitigen will: sechs Wochen Muskelaufbau, dann sechs Wochen Kraftausdauer und Kondition. Zwischendurch erst mal nur gelegentliches Eistraining, „um das Gefühl zurückzubekommen“.
Ehrhoff muss sich fit machen
Sollte alles so funktionieren wie geplant, „bin ich mir sicher, dass ich zum 1. August fit und bereit bin“, meinte Ehrhoff. Doch auch er sieht die enorme Fallhöhe seines Plans: „Körperlich ist es eine Herausforderung, da muss ich alles geben.“ In seinem Alter sei es „etwas schwieriger, um auf ein bestimmtes Level zu kommen, dessen bin ich mir absolut bewusst“. Zumal zwischen seinem letzten Spiel und seiner Rückkehr fünf lange Jahre liegen. Doch Gesellschafter Schopp hat „volles Vertrauen, dass er bis zum Saisonstart topfit ist und wir dann einen der besten DEL-2-Verteidiger in unseren Reihen haben“. Auch Ehrhoff weiß, „dass ich Führungsrolle übernehmen muss und auch werde“. Die Zweite Liga wird er dabei nicht unterschätzen: „Ich erwarte ein gutes Level. Der Abstand zur DEL ist in den vergangenen Jahren geringer geworden, und darauf muss ich mich zu einhundert Prozent vorbereiten.“
Für Ehrhoff schließt sich der Kreis. Der gebürtige Rheinländer ist als KEV-Fan groß geworden; er begann in der Jugendabteilung in Krefeld und gab später als 17-Jähriger sein Profidebüt für die Pinguine. 2003 nach dem Meistertitel zog es „Iceman“ in die NHL. Als er dort längst ein Star war, kam er auf dem Höhepunkt seines Schaffens 2012 wegen des NHL-Lockouts in der besten Eishockeyliga der Welt kurzzeitig zurück nach Krefeld. Jetzt ist der „verlorene Sohn“ zurück auf dem Eis. „Sicherlich werden viele Jungs aus dem Eishockeygeschäft, mit denen ich zusammengearbeitet habe, sehr überrascht sein von dieser Entscheidung“, sagte Ehrhoff, der nach eigener Aussage viele Nachrichten erhielt. Auch von den Teamkollegen, mit denen er 2018 in Südkorea mit Platz zwei bei Olympia deutsche Eishockey-Geschichte geschrieben hatte. Was machen andere Silber-Helden fünf Jahre nach ihrem Coup heute?
Danny aus den Birken
Der Torhüter aus München war damals ein Riesenrückhalt für das deutsche Team, am Ende durfte er sich auch mit der persönlichen Auszeichnung zum besten Goalie des Turniers freuen. „Das ist der Wahnsinn. Was für eine Ehre. Jetzt reißen wir das deutsche Haus ab“, sagte aus den Birken damals. Auch bei den darauffolgenden Winterspielen 2022 in Peking stand er im deutschen Tor, doch das Turnier war mit dem Vorrunden-Aus ein herber Rückschlag. Danach gab aus den Birken seinen Rücktritt aus dem DEB-Team bekannt. In der abgelaufenen Saison stand er noch bei Meister Red Bull München unter Vertrag, doch dort wurde er von Matthias Niederberger als Nummer eins längst abgelöst. Zur neuen Saison sucht der Torwart einen neuen Club.
Marcel Goc
Der Angreifer war als Kapitän und Leistungsträger auf dem Eis der unumstrittene Anführer beim Silber-Coup. 2020 beendete der frühere NHL-Profi im Alter von 36 Jahren seine Spielerkarriere beim Heimatclub Adler Mannheim. Dort ist er inzwischen Co-Trainer – mit großen Ambitionen. Als der DEB im vergangenen Jahr nach einem neuen Bundestrainer fahndete, soll auch sein Name gefallen sein. Doch mit der Brechstange verfolgt Goc seine zweite Karriere nicht: „Ich brauche noch viel Erfahrung als Trainer, diese Station und diese Funktion als Co-Trainer der Adler ist ein perfekter Auftakt.“
Dominik Kahun
Mit seinen schnellen Antritten und der sehr guten Technik begeisterte der Angreifer nicht nur die deutschen Fans. „Pyeongchang ist das Beste, was mir im Eishockey je passiert ist. Das war die coolste Mannschaft, in der ich jemals war“, hatte Kahun einmal gesagt. Für ihn war der Auftritt das Sprungbrett in die NHL, die Chicago Blackhawks nahmen den Stürmer danach unter Vertrag. Nach einer starken Premierensaison mit 37 Scorer-Punkten lief es bei ihm in der NHL nicht mehr so gut; inzwischen steht Kahun beim SC Bern in der Schweiz unter Vertrag. Für die Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Finnland und Lettland wurde er vom neuen Bundestrainer Harold Kreis nominiert.
Patrick Reimer
Sein Tor in der Verlängerung zum umjubelten und damals kaum für möglich gehaltenen 4:3-Viertelfinalsieg über Schweden wird wohl unvergessen bleiben. Bei seinem Solo setzte sich der Nürnberger gegen zwei Verteidiger und den Torwart durch. Der Treffer zählte aber erst nach dem Videobeweis und zwei Minuten des langen Wartens. Ihm sei aber „sofort klar gewesen, was kommt: Das Tor zählt. Ich habe nichts Verbotenes getan“. Danach ging Reimer noch fünf Jahre weiter auf Torejagd für die Nürnberg Ice Tigers, ehe er nach dieser Saison seine aktive Karriere beendete. Inzwischen ist der 40-Jährige beim DEB als ehrenamtlicher Nachwuchstrainer eingestiegen.
Marco Sturm
Der damalige Bundestrainer wird als „Silber-Schmied“ bezeichnet, weil ohne ihn ein solcher Triumph wohl nicht möglich gewesen wäre. Hatte es bei seinen Vorgängern noch zahlreiche Absagen für Weltmeisterschaften oder auch Olympische Spiele gehagelt, erzeugte der frühere NHL-Star ein neues Gemeinschaftsgefühl. Und ein neues Selbstverständnis: Seit Sturms Amtszeit geht die deutsche Nationalmannschaft in jedes Spiel, um es auch wirklich gewinnen zu wollen. Nach dem großen Olympia-Erfolg sammelte Sturm bei NHL-Club Los Angeles Kings Erfahrungen als Co-Trainer, inzwischen ist er Chefcoach des Farmteams. „Ich spekuliere nicht auf einen Kings-Job und auch auf keinen anderen Job. Ich weiß, ich bin noch jung und habe genügend Zeit“, sagte Sturm kürzlich. Eine Rückkehr als Nationalcoach schließt er zumindest aus.