Die Brandenburgischen Sommerkonzerte bespielen Kirchen, Scheunen und Industriedenkmale von der Uckermark bis zur Lausitz – Dutzende Gelegenheiten, einen Ausflug mit einem Konzertbesuch zu verbinden.
Schon die Eröffnung offenbart das Markenzeichen dieses Festivals, das „Klassiker auf Landpartie“ unter dem Dreiklang „Kultur, Natur, Begegnung“ bieten will. Denn die Brandenburgischen Sommerkonzerte starten am 20. Mai in der gotischen Nikolaikirche von Luckau. Das Philharmonische Orchester aus dem tschechischen Pilsen spielt beliebte Klassiker: Mozarts „Jupiter“-Sinfonie, Mendelssohns „Sommernachtstraum“-Ouvertüre und Tschaikowskys „Rokoko-Variationen“ mit der Cellistin Marie-Elisabeth Hecker, die gemeinsam mit ihrem Mann in der Niederlausitz lebt, dem renommierten Pianisten Martin Helmchen.
Vor dem Konzert kann man gemeinsam die Stadt und die Umgebung erkunden oder am Frühlingslieder-Singen mit dem Luckauer Ensemble Grenzenlos teilnehmen. Nach dem Schlussapplaus gibt es einen Barock-Ball auf dem Schlossberg.
Bei Musik spannende Orte entdecken
Die Veranstalter schnüren nämlich Ausflugspakete mit allem Drum und Dran. Schon bei der gemeinsamen Anfahrt im Shuttlebus aus Berlin tauschen die Stammgäste den Inhalt ihrer Lunchpakete untereinander aus. Am Konzertort wartet eine Kaffeetafel mit selbst gebackenem Kuchen. Beiprogramme mit Führungen, Vorträgen oder Museumsbesuchen runden die Sache ab. Meist sind ortsansässige Helfer eingebunden. Bei der Organisation der Eröffnung hilft etwa der Freundeskreis Luckau der Brandenburgischen Sommerkonzerte.
Kurz nach der Wende gegründet, legte das Festival zunächst den West-Berlinern die Schönheit des märkischen Umlands ans Herz. Nun bringen die Brandenburgischen Sommerkonzerte schon zum 32. Mal renommierte Künstler in alle Winkel Brandenburgs – an den Wochenenden zwischen 20. Mai und 9. September.
Wolfram Korr übernahm Anfang 2021 die Geschäftsführung des Festivals, wollte aber am bewährten Konzept nie etwas ändern. „Natürlich gehen wir mit der Zeit. Wir werden moderner, digitaler und hoffentlich noch komfortabler für die Gäste – aber der Kern bleibt auch 2023: Wir bringen Musik in die Landschaft, in Kirchen oder Stätten der Industriekultur“, unterstreicht Korr. Eine Win-win-Situation: „Für Kultur nicht extra nach Berlin fahren zu müssen, hat für viele Brandenburger einen großen Wert. Die Berliner wiederum erleben gern die reiche Kulturlandschaft Brandenburgs.“ Man kann bei den Brandenburgischen Sommerkonzerten also nicht nur Musik, sondern auch spannende Orte entdecken: vom Schlosspark bis zum Öko-Bauernhof; von der Dorfkirche bis zum Zisterzienserkloster, vom Flugzeughangar bis zur mittelalterlichen Burg. „Die Verbindung von erstklassigen Künstlern und dem reichen Kulturerbe Brandenburgs, den schönen märkischen Schlössern und Kirchen, ist magisch“, schwärmt Wolfram Korr, der sein Publikum alljährlich mit einigen neuen Ausflugszielen überrascht.
Diesmal präsentiert er den Besuchern zum Beispiel die Stiftskirche von Kloster Marienfließ in der Prignitz. Daneben fließt die glasklare Stepenitz – da passt es, dass hier Schuberts „Forellenquintett“ auf dem Programm steht. Ein neuer Veranstaltungsort ist ebenfalls das historische Gutsgelände Schmerwitz im Fläming, heute ein Bio-Bauernhof. Hier tritt am 6. August der amerikanische Clown Peter Shub auf; begleitet vom Delian Streichquartett.
Weitere hochkarätige Gäste sind etwa das Leipziger Vokalensemble Amarcord, der international erfolgreiche Bariton Äneas Humm oder die Festival Strings aus Luzern, eines der besten Kammerorchester weit und breit.
Bewährte Veranstaltungsformate hat Wolfram Korr beibehalten. Die Orgelreise führt am 30. Juli an die polnische Grenze. Das „Dorfkirchenkarussell“ – drei Konzerte in drei Orten – dreht sich am 13. August im Barnim. Außerdem gibt es eine musikalische Gartenreise sowie einen Ausflug im Kulturzug nach Breslau.
Bei der fantasievollen Programmgestaltung kommen Wolfram Korr seine Erfahrungen aus einer Doppel-Karriere als Musiker und Kulturmanager zugute. Von 2002 bis 2008 war er als Konzertmeister am Philharmonischen Orchester Cottbus engagiert. Dort am Theater hat er auch seine Frau kennengelernt. Die beiden ließen sich auf halbem Wege zwischen Berlin und Cottbus nieder: in Lübben im Spreewald, wo das Festival auch regelmäßig Station macht. Früher musizierte Korr selbst hin und wieder bei den Brandenburgischen Sommerkonzerten.
Später entwickelte er Unterhaltungsprogramme für Kreuzfahrten. In einer Halle in Berlin-Treptow studierte Korr mit Tänzern, Sängern, Akrobaten die Shows ein, die dann auf der Flotte der Tui aufgeführt wurden. Doch als dann während Corona kein Schiff mehr auslief, kam die Anfrage der Brandenburgischen Sommerkonzerte wie gerufen. „Hier kann ich meine Marketing-Fähigkeiten einbringen, die ich mir in der Kreuzfahrtbranche angeeignet habe – in Verbindung mit meiner Vergangenheit als Musiker“, meint Wolfram Korr.
Er hat das musikalische Spektrum des Festivals erweitert; weg von der „reinen Klassik“, mehr in Richtung Crossover. „Wir wollen die treuen Stammgäste ansprechen, mittelfristig aber auch neue und jüngere Gäste anlocken“, sagt er. „Auf den Schiffen kam mir die harte Erkenntnis, dass Klassik keine Leitkultur mehr ist. Wir haben dort absolut hochwertige Klassik-Aufführungen geboten. Aber bei Musical oder Pop finden sich viel mehr Gäste ein. Wir müssen uns dieser Realität stellen. Um die sogenannte Unterhaltungsmusik sollten wir uns viel stärker bemühen; dann hätte sie auch bessere Qualität.“
Ob die Besucher zufrieden sind, erkundet Korr ganz systematisch mit Befragungen nach den Konzerten. Die Wünsche der Gäste fließen in die Programmgestaltung ein. „Hierzulande gibt es oft die Einstellung: Was erfolgreich ist, kann nicht gut sein“, meint Korr. Für ihn sei das absolut nicht nachvollziehbar. Und so finden sich im Programm der Brandenburgischen Sommerkonzerte neben Sinfonien oder Streichquartetten auch Chansons mit der A-cappella-Frauenband Gretchens Antwort, eine Gala mit dem Filmorchester Babelsberg, oder Operettenschlager mit dem Tenor Heiko Reissig. Ein Erlebnis der besonderen Art bietet am 3. September der Auftritt des Jazzmusikers Oli Bott, der sein Vibrafon im Konzert-Hangar des ehemaligen Militärflugplatzes von Neuruppin aufstellt.
Festival-Finale im Zeichen Mozarts
Einen hohen Stellenwert hat für Festivalleiter Wolfram Korr aber die Vermittlungsarbeit. „Weil Klassik heute nicht mehr selbsterklärend ist; weder bei Kindern noch bei Erwachsenen“, ist er überzeugt.
Im Rahmen der Brandenburgischen Sommerkonzerte geht erstmals ein einwöchiges Kammermusikfestival über die Bühne: Die Premiere des „Internationalen Kammermusikfestivals Fliessen“ läuft vom 8. bis zum 15. Juli. Drahtzieher sind zwei in der Klassikszene wohlbekannte Künstler: die Cellistin Marie-Elisabeth Hecker und der Pianist Martin Helmchen. Das Künstler-Ehepaar, das in der Drauschemühle bei Luckau lebt, hat befreundete Künstler eingeladen, um an verschiedenen Orten in Spreewald und Niederlausitz gemeinsame Konzerte zu geben. Zum Beispiel im Konzertsaal der Alten Weberei in Finsterwalde, in der historischen Glashütte Baruth oder der Kulturscheune Bornsdorf.
Ein launiges Festival-Finale im Zeichen Mozarts gestalten schließlich die Kammerakademie Potsdam und der Klarinettist Andreas Ottensamer am 9. September in Königs Wusterhausen. Dort steht ein hübsches Renaissance-Schloss, mit Rosenstöcken vor geweißten Mauern. Es diente dem „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. als Sommersitz und Jagdschloss. Nebenan, auf dem Vorplatz der Kreuzkirche, exerzierten einst die „langen Kerls“. Nun wird an dieser Stelle die Kaffeetafel aufgebaut.