„The Great White Sea Eagle“ klingt als Albumtitel zunächst sehr typisch für den beständigsten und besten schottischen Folk-Barden der letzten 20 Jahre. Indes: Schon die Eröffnung „Sam and Jeanie McGregor“ deutet gleich an, dass dieser neue James-Yorkston-Songreigen mitunter auch weniger vertraute Pfade zu beschreiten bereit ist.
So stellt sich beispielsweise gleich zu Beginn die Frage: Wem gehört diese feine, herb-klare Stimme? Kennen wir sie nicht von „Lovefool“ und „Carnival“, den Cardigans-Hits der 90er-Jahre? So ist es tatsächlich. Nina Persson lenkt den „großen weißen Seeadler“ bisweilen in geradezu beschwingte Pop-Gefilde – wo dieser dann auch majestätisch kreisen darf. Die Cardigans-Frontfrau macht sich ja mittlerweile rar, mitunter zieht sie gar den Jazz dem Folk-Pop vor. Umso schöner ist es, dass sie hier im Team ist!
Und James Yorkston selbst? Der greift vermehrt in die Tasten statt in die Saiten. Beim Komponieren des neuen Repertoires blickte er von seinem Studio an der schottischen Ostküste über die unendliche Weite des Meeres und dachte sich dabei: Das Piano passt einfach besser zu dieser Zeit. Und sein Herantasten an die Tasten ist vielversprechend. An seiner Seite hat Yorkston mit dem schwedischen Second Hand Orchestra ohnehin wieder jene vertrauten, kongenialen Mitstreiter, die neben der Basis-Instrumentierung auch das Saxofon, die Querflöte, Orgel und Geige in berückende Schwingungen zu versetzen wissen.
Und so gleitet „The Great White Sea Eagle“ trotz seines dezent innovativen Gestus immer wieder mit spürbar großem Genuss in typische Folk-Gefilde. Diese neuen Lieder klingen mehr denn je nach Zuhause und Fernweh, nach Erdung und Schwerelosigkeit zugleich. Yorkstons emotionale Stimme und die von Persson ergänzen sich prächtig. Ihre Duette gehorchen keiner klassischen Dramaturgie, sie erscheinen intuitiv.
Am Ende will man gar keinen der zwölf Tracks wirklich herausheben, doch ragt mit „Hold on for Love“ letztlich jenes Stück empor, welches dann doch am vollmundigsten die uneitle Grandezza dieser Folk-Prominenz zelebriert.