Die Reserve von Hertha BSC ist eine Konstante in der Regionalliga Nordost. Auch diese Saison hat sie nichts mit dem Abstieg zu tun.
Mit einer Unterbrechung ist der Trainer schon eine ganze Weile dabei – und kennt sich dadurch mit den besonderen Bedingungen bei Zweiten Mannschaften aus: „Wir kriegen hier natürlich jedes Jahr Talente aus unserem Nachwuchsbereich hinzu – verlieren aber andererseits auch gute Spieler in den Profibereich“, erzählt Ante Covic – und führt weiter aus: „Das ist natürlich ganz anders als bei anderen Regionalligisten mit ihrer ersten Männermannschaft: Hier steht kein perspektivischer Aufbau eines Teams im Mittelpunkt, sondern man muss praktisch Saison für Saison ein neues, konkurrenzfähiges Team auf die Beine stellen und dazu Talente weiterbringen.“ Da ist es auch kein Grund zur Unruhe, wenn es zunächst mal nicht so gut läuft – früher oder später im Verlauf der Saison finden die Spieler erfahrungsgemäß doch zusammen. Und dann ist die „Rasselbande“ dank ihres Tempos und ihrer technischen Fähigkeiten, auf die in der Akademie des Berliner Bundesligisten selbstredend besonders geachtet wird, bisweilen schwer zu stoppen. Dabei war der Talenteschuppen etwa im Oktober noch komplett leer ausgegangen – im ersten Halbjahr 2022/23 gab es so einen Punkteschnitt von 1,2 zu verzeichnen, im zweiten Halbjahr bislang aber einen von 1,7. Dazu noch mit Luft nach oben, denn bis zum vergangenen Wochenende war „Hertha Zwee“ – wie die Bundesligareserve im Berliner Jargon genannt wird – sieben Spiele in Folge ungeschlagen und holte dabei alleine 17 Punkte.
Jede Saison „Talente weiterbringen“
Der Trainer erlebte dabei als Aktiver selbst eine sportlich gute Zeit bei Hertha BSC – allerdings bei den Profis: Beim kroatischen Club Hajduk Split ausgebildet, landete Covic nach Stationen beim VfB Stuttgart und dem 1. FC Nürnberg erstmals bei der „Alten Dame“ und blieb vier Jahre (1996–2000). Später ließ er seine aktive Karriere dann bei der Zweiten Mannschaft ausklingen, wechselte als Trainer erst in die Hertha-Akademie und bald zur Reserve. Dort war er sechs Spielzeiten Übungsleiter, bis er von der Führungsspitze des Vereins zum Nachfolger von Pál Dárdai bei den Bundesligaprofis auserkoren wurde. Doch im Stahlbad des Oberhauses genügte ein Schnitt von 1,2 Punkten nicht – so wurde Covic nach knapp fünf Monaten bereits wieder beurlaubt. Eine kurze, intensive Zeit – von der sich der gebürtige Berliner erst mal eine Auszeit nahm. Doch im Sommer 2021 kehrte er zurück an die Seitenlinie bei Hertha II und war dort so erfolgreich wie zuvor. Dazu stieß auch Ex-Profi Jérôme Polenz als sein Assistent, den der damalige neue Sportdirektor Fredi Bobic von der Frankfurter Eintracht mitbrachte – und den man auch als ARD-Experten im Team mit Thomas Broich kennt. Der oft angebrachte Vorwurf, dass in den vergangenen Jahren zu viele Talente Hertha BSC in Richtung anderer Clubs verlassen haben, ist dabei eher nicht mit der Zweiten Mannschaft in Verbindung zu bringen. Die meisten der vielversprechenden Youngster haben vielmehr vor ihrem Absprung in der Regel noch für die U19 beziehungsweise schon die 1. Herren gespielt. Eine Ausnahme bildet Lukas Ullrich, der von der U19 in die Zweite wechselte, dort aber durch gute Leistungen zu den Profis aufrückte. Doch der 19-Jährige zweifelte an seiner Perspektive als Linksverteidiger in Berlin, wo er Maximilian Mittelstädt und – wenn die Verlängerung doch noch zustande kommt – Kapitän Marvin Plattenhardt vor sich weiß. Daher entschied sich Ullrich für einen ablösefreien Wechsel zu Borussia Mönchengladbach, wo er kurioserweise in den Konkurrenzkampf mit Ex-Hertha-Talent Luca Netz (20) tritt.
Die Zweite Mannschaft hat in dieser Saison dabei wieder einige „Wanderer zwischen den Welten“ in ihren Reihen: Ein Paradebeispiel ist aktuell der 17-jährige „Überflieger“ Ibrahim Maza, der zu Beginn der Saison als noch 16-jähriger Stammspieler zunächst bei der U19-Bundesligamannschaft (bislang 13 Einsätze) in Erscheinung trat, aber gelegentlich auch schon für die „Zweite“ (sechs Einsätze). Vorläufiger Höhepunkt war dann Mazas 25-Minuten-Debüt bei den Profis im Spiel in München, in den Partien davor und danach gehörte der junge Deutsch-Algerier ebenfalls zum Spieltagskader des Bundesligateams, wenn auch ohne Einsatz. Auch Veit Stange (17) wurde beim FC Bayern erstmals in der Bundesliga eingesetzt und spielte als Junior am Wochenende darauf bei der Reserve in der Regionalliga Nordost gegen den ZFC Meuselwitz. An seiner Seite agierten dort mit Julian Eitschberger oder Derry Scherhant weitere Spieler mit Bundesligaerfahrung. Zwischen den oft nur wechselhaft zur Verfügung stehenden Spielern oder solchen, die auf dem Sprung beziehungsweise Absprung sind, setzt man bei Hertha BSC II dazu auf den einen oder anderen erfahrenen Spieler zur Stabilisierung des Gesamtgefüges. In der Abwehr etwa ist Cimo Röcker (29) der Ruhepol, im Mittelfeld der trotz seiner erst 23 Lenze schon herumgekommene McMoordy Hüther eine Bank – so, wie auch Social-Media-Star und Stürmer Nader El-Jindaoui (27), wenn er nicht immer wieder verletzungs- oder krankheitsbedingt ausfallen würde. Dann gibt es junge Spieler, die auf dieser Ebene gut aufgehoben, aber noch keinen „Abnehmer“ zu finden scheinen: etwa die Toptorschützen Ensar Aksakal (19 Jahre/8 Tore), Mustafa Abdullatif (19/7) oder Tony Rölke (20/7). Auch Außenbahnspieler Florian Haxha (21) ist schon länger eine feste Größe, ohne sich offenbar einmal umorientieren zu wollen. Der größte „Nesthocker“ der Zweiten aber ist ausgerechnet Trainersohn Maurice Covic: Der gerade 25 Jahre alt gewordene Offensivspieler gab sein Debüt in der Reserve schon 2015/16 und hat seither – bis auf ein sechsmonatiges Intermezzo in Italiens Serie B ohne Pflichtspieleinsatz – nie in einem anderen Dress als dem blau-weißen gespielt.
Ibrahim Maza mit Bundesliga-Einsatz
Stellt sich immer auch die Frage nach dem Sinn des Betriebs einer Zweiten Mannschaft – einige Proficlubs wie etwa Lokalrivale 1. FC Union haben ihre bekanntlich inzwischen abgemeldet. Doch der Aufwand scheint sich immer noch durch Verkäufe oder Weiterentwicklung der Talente für die eigene 1. Mannschaft zu lohnen – schließlich spielen in den anderen Regionalligastaffeln weitere 14 Reserven von Vereinen, die mit ihren Flaggschiffen erst- bis drittklassig unterwegs sind. Und: Nur zwei spielen noch über der vierten Spielklasse (SC Freiburg II, BVB II) – insofern ist „Hertha Zwee“ im Vergleich auch dort sportlich recht gut unterwegs und wird es auch bleiben. Schließlich ist man bereits in der 15. Spielzeit durchgehend Mitglied einer der Regionalligen.