Die Methoden der konventionellen Landwirtschaft mögen missfallen. Doch noch immer stammen die meisten Lebensmittel aus dieser Form von Ackerbau und Viehhaltung. Das gewährleistet günstige Preise – und eine stabile Versorgung.
Schon allein die Bezeichnung „konventionelle Landwirtschaft“ ist eigentlich eine Crux. Schließlich ist diese hochmoderne, spezialisierte und ausgeklügelt technisierte Anbauweise in den westlichen Industrieländern alles andere als konventionell – oder allenfalls im Sinne des üblichen, am weitesten verbreiteten Verfahrens von Ackerbau und Viehhaltung – trotz des beachtlichen Aufholprozesses der biologisch-ökologischen Landwirtschaft.
Und es gibt eine größtenteils berechtigte Kritik an den Missständen und Auswüchsen der konventionellen Landwirtschaft, wie Massentierhaltung, Monokulturen, Wasser- und Luftverschmutzung. Trotzdem bleibt eines doch positiv festzuhalten: Die konventionelle Landwirtschaft sichert bislang einen stabilen Lebensmittelmarkt.
Sie bietet dem Verbraucher eine Garantie dafür, dass er seine enorme Nachfrage nach unterschiedlichsten Lebensmitteln zuverlässig und zu vergleichsweise günstigen Preisen decken kann.
So viel wie möglich, so günstig wie möglich
Die konventionelle Landwirtschaft ist immer noch mit großem Abstand das wichtigste landwirtschaftliche Verfahren. Insgesamt 256.000 deutsche landwirtschaftliche Betriebe arbeiten nach diesen Prinzipien. Die rund 934.000 Beschäftigten konnten 2021 einen Umsatz von 43,7 Milliarden Euro für ihre Unternehmen erwirtschaften.
Das Grundprinzip der konventionellen Landwirtschaft lässt sich ganz einfach beschreiben: Möglichst viele Lebensmittel sollen zu möglichst niedrigen Preisen produziert werden. Die Betriebe setzen dabei in der Regel auf Masse und Wachstum, was sich am besten durch ein hohes Maß an Spezialisierung und möglichst große Anbauflächen erzielen lässt. Kleinere Betriebe können auf die Dauer in diesem wirtschaftlichen Wettlauf auf einem globalisierten Markt kaum mehr mithalten.
Der Strukturwandel in der hiesigen Landwirtschaft, der längst rasant an Fahrt aufgenommen hat, hat daher einerseits in den letzten Jahren zu einer kontinuierlichen Reduzierung der Gesamtzahl der Betriebe geführt, andererseits zu einem Wachstum von Großunternehmen mit mehr als 100 oder sogar 200 Hektar Nutzfläche, die zudem noch am meisten von den Flächenprämien aus dem Topf der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union profitieren. Allein schon dank der fortschreitenden Mechanisierung und Digitalisierung von Arbeitsabläufen kann heute ein einziger Landwirt rein rechnerisch rund 137 Menschen ernähren, während es in den Nachkriegsjahren gerade mal für zehn Personen gereicht hatte. Egal ob es sich um Gemüse, Obst oder Fleisch handelt – den größten Teil ihrer Nahrungsmittel beziehen die Deutschen nach wie vor aus konventioneller Produktion.
Wobei es verblüffend sein dürfte, dass die deutsche Landwirtschaft, die zu den vier größten EU-Erzeugern zählt, mehr als 50 Prozent ihrer Nutzflächen allein zur Kultivierung von Tierfutterpflanzen verwendet. Denn angesichts des Heißhungers auf Fleisch müssen mehr als 200 Millionen Nutztiere ernährt werden. 20 Prozent der Anbauflächen werden zur Erzeugung von Bioenergie mit Rohstoffen wie Weizen, Mais und Raps genutzt. Da bleibt für den Lebensmittelanbau mit Brotgetreide, Kartoffeln, Zuckerrüben, Ölsaaten, Obst und Gemüse an der Spitze gar nicht mehr so viel übrig. Zumal sich die heimischen Anbauer von Obst und Gemüse der Konkurrenz der häufig viel billigeren und meist kaum durch Beschränkungen im Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln regulierten Importwaren aus der weiten Welt erwehren müssen.
Natürlich wäre es aus ökologischen Gründen wünschenswert, wenn sich die Landwirtschaft zugunsten biologischer Verfahren komplett von konventionellen Methoden verabschieden würde. Die ökologischen Methoden schneiden grundsätzlich deutlich besser ab bei den Themen Umwelt- und Klimaschutz. Doch die Rücksichtnahme auf die Natur hat ihren Preis. Nicht nur müssten die Verbraucher wegen der höheren Produktionskosten für Bio-Produkte viel tiefer in ihren Geldbeutel greifen. Darüber hinaus hätten eine weniger intensive Bewirtschaftung mit Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und mineralische Stickstoffdünger oder die Umstellung auf tierschonende Aufzuchtverfahren und vielfältige Fruchtfolgen zwangsläufig geringere Erntemengen zur Folge. Das wiederum würde eine Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzflächen erfordern, um der Bevölkerung eine ausreichende Ernährungsgarantie bieten zu können. Das wäre national wohl kaum gewollt und umsetzbar.
Diverse teure Folgeschäden
„Das Problem der konventionellen Landwirtschaft ist, dass sie enorme Kosten verursacht, die sich in den Lebensmittelpreisen nicht widerspiegeln“, so Konstantin Kreiser, Nabu-Fachbereichsleiter Naturschutzpolitik. Sprich: Die Folgeschäden der konventionellen Landwirtschaft brauchen nicht vom Verursacher behoben zu werden, sondern fallen zu Lasten der Allgemeinheit. Dazu gehören Verunreinigung des Trinkwassers durch verseuchte Abwässer, Belastung von Flüssen und Seen durch Stickstoffeintrag oder der Atmosphäre durch Treibhausgas-Emissionen. Würden die Kosten für die Behebung der natürlichen Schäden den verantwortlichen bäuerlichen Betrieben aufgebürdet werden, müssten diese einen erheblichen Aufschlag für die meisten der von ihnen konventionell produzierten Lebensmittel verlangen. „Wenn wir es mit dem Natur- und Klimaschutz wirklich ernst meinen, muss künftig jeder Einzelne einen wesentlich größeren Teil des Einkommens für Lebensmittel ausgeben“, so Kreiser in einem Beitrag des Wissen-Portals spektrum.de.
Es gibt eine ganze Reihe von Genehmigungen oder Verordnungen, die die konventionelle Landwirtschaft in Verruf gebracht haben. Um nur mal einige zu nennen: in der Tierfütterung Erlaubnis zur Verabreichung genveränderten Futters; in der Tiermedikation Genehmigung zum vorbeugenden Einsatz und zur Behandlung mit Antibiotika; im Pflanzenschutz erlaubter Einsatz chemisch-synthetischer Mittel als Schutz vor Insekten, Pilzen oder Unkraut; zur Ertragssteigerung Genehmigung für leichtlösliche, einen hohen Wasserverbrauch erfordernde Mineraldünger und industrielle Dünger (meist Stickstoff, Phosphor oder Kalium); in der Tieraufzucht Ermöglichung großer Bestände ohne vorgeschriebene Auslaufzeit und erlaubte ganzjährige Stallhaltung auf häufig extrem beengten Flächen.
Die Qualität des Bodens, dessen oberste Humusschicht beim konventionellen Landbau ohnehin meist zerstört und jährlich maschinell umgegraben wird, wird in Gebieten mit intensivem Gemüseanbau oder hohen Tierbeständen durch Stickstoffüberdüngung oder ausgeschüttete tierische Gülle stark beeinträchtigt. Dabei kann neben Pestizidrückständen auch schädliches Nitrat in Grund- und Oberflächenwasser gelangen, dessen EU-Grenzwerte in Deutschland seit Jahren regelmäßig überschritten werden. Rund 270 Wirkstoffe sind in der Bundesrepublik bei den Pestiziden für die konventionelle Landwirtschaft zugelassen. Diese verbleiben nicht nur auf den Feldern, sondern können zum Nachteil von Vögeln oder Insekten auch die benachbarte Pflanzenwelt tangieren. Damit können sie zu einer Gefährdung der Artenvielfalt werden, wozu natürlich auch die Spezialisierung auf Monokulturen beiträgt, die dem Boden keinen Schutz vor Erosionen bieten und reichlich Dünger-Einsatz erfordern. Schließlich führt auch noch die Massentierhaltung zu einem gigantischen Ausstoß von CO2-Emissionen und weiteren klimaschädlichen Gasen wie Methan oder Lachgas.