Geld ist knapp und kann bekanntlich in aller Regel nur einmal ausgegeben werden. Entsprechend wird auch für Kitas seit Jahren um die richtigen Vorgehensweise gerungen.
Politische Diskussionen um Kitas ähneln denen in vielen anderen Politik-Bereichen. Es geht um mehr Personal, mehr Investitionen und mehr Qualität. So zumindest die durchgängigen Forderungen aus Reihen der jeweiligen Opposition und seitens der Gewerkschaften. Forderungen, die seit Jahren erhoben werden – mit guten Gründen.
Die jüngste Diskussion hat sich an der schrittweisen Umsetzung der Beitragsfreiheit für Kitas entzündet. Ein von der SPD lange verfolgtes Vorhaben, das sie in ersten Schritten bereits in der Großen Koalition durchsetzen konnte und jetzt in der Alleinregierung zu Ende bringen kann.
Die Opposition kritisiert diesen Schritt. Statt Geld für die Beitragsfreiheit einzusetzen, fordern CDU und FDP, aber auch Grüne, die Mittel lieber für eine Qualitätsverbesserung zu verwenden. Aus Sicht der Gewerkschaften und von Interessenvertretern müsste am besten alles gleichzeitig angepackt werden.
Beitragsfreiheit ist zwar eine enorme Entlastung für die Eltern, dafür muss das Land aber erhebliche Mittel zum Ausgleich in die Hand nehmen, die Entlastung der Eltern wird aus Steuermitteln finanziert. Wenn Kitas ab 2027 komplett kostenlos sind, macht das rund 46 Millionen Euro – pro Jahr.
Die SPD begründet das unter anderem mit dem Hinweis, dass frühkindliche Bildung unabhängig vom Geldbeutel der Eltern sein müsse, zudem sei es ein Schritt für mehr Gleichberechtigung von Frauen im Berufsleben.
Die CDU-Opposition drängt dagegen auf mehr Investitionen in Qualitätsverbesserungen. Die Diskussion hatten SPD und CDU schon während ihrer gemeinsamen Regierungszeit in der Großen Koalition immer wieder ausgefochten.
Die außerparlamentarische FDP argumentiert ähnlich wie die CDU: Die Millionen für Beitragsfreiheit seien eine „falsche Priorität“. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei es wichtig, dass Betreuungszeiten fest garantiert werden könnten. Folglich müsste mehr Geld zur Verbesserung des Personalschlüssels eingesetzt werden. Ziel müsste ein Betreuungsschlüssel von 1:2 bei unter Einjährigen, 1:3 bei Ein- bis Dreijährigen, 1:8 für Drei- bis Fünfjährige, und bei Sechsjährigen 1:10 sein. Ähnlich hatte die CDU gefordert, insbesondere Bundesmittel „zu 100 Prozent“ in Qualitätssteigerungen zu investieren mit einem Betreuungsschlüssel von 1:3 im Krippenbereich (bis Dreijährige) und 1:7,5 im Kindergartenbereich. Außerdem müsse es eine Erzieher-Reserve geben.
In der abschließenden Landtagsdebatte zur Einführung der Beitragsfreiheit warf die CDU-Bildungsexpertin Jutta Schmitt-Lang der Regierung vor, bei der „Beitragsfreiheit auf die Tube zu drücken, bei Qualitätsverbesserung auf der Bremse“ zu stehen. Sie forderte eine Senkung der Beiträge „mit mehr Augenmaß“. Auch die Grünen hatten die Beitragsfreiheit kritisch begleitet. In Reaktion auf einen „Brandbrief“ von Kita-Leitungen im vergangenen Jahr kritisierten die Grünen ein „Ungleichgewicht“, wenn 75 Prozent der Bundesmittel aus dem „Gute-Kita-Gesetz“ in die Beitragsfreiheit, aber nur 25 Prozent in die Qualität fließen würden. Kitas seien zwar wichtige Bildungseinrichtungen, insofern sei es „logisch“ und „prinzipiell richtig“, zu einer Beitragsfreiheit zu kommen. Das aber dürfe nicht zu Lasten der Qualität gehen.
Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) betonte in den Debatten einen „Dreiklang“ aus Beitragsfreiheit, Ausbau von Plätzen und Qualitätsverbesserung (siehe Seite 2 f.).
Arbeitskammer und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßten dagegen die Beitragsfreiheit. Es sei gut, dass auch die frühkindliche Bildung – genauso wie die anderen Bildungsbereiche – kostenfrei würden. Das ermögliche vielen Familien eine bessere Teilhabe, meint die Arbeitskammer. Zugleich mahnt die Kammer aber auch an, dass „dringend in Personal, in Struktur und in Qualität investiert“ werden müsse. Es gebe weiter ein knappes Platzangebot. Und obwohl in Betreuungskapazitäten investiert worden sei, gelinge es immer noch nicht, Familien und ihren Kindern flächendeckend einen Kitaplatz zur Verfügung zu stellen, und das „entsprechend Bedarf, zeitnah und planbar“. Die Konkurrenz um ein knappes Angebot sei bereits jetzt groß und werde vermutlich mit der Beitragsfreiheit noch steigen, vermutet die Kammer. Sorge macht der Kammer vor allem der Fachkräftemangel, der die Kitas ans Limit bringt – übrigens bundesweit.
Eigentlich alles gleichzeitig nötig
Die GEW argumentiert ähnlich. Zwar wird auch von dieser Seite die Beitragsfreiheit begrüßt. Doch vor allem weist die Gewerkschaft darauf hin, dass nach einhelligen Berechnungen bis 2030 bundesweit etwa 100.000 Fachkräfte in Kitas fehlen würden. Schon jetzt sei zu beobachten, dass es „ein enormes regionales Auseinanderklaffen in der quantitativen und qualitativen Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung“ gebe, heißt es in einer Stellungnahme, die im vergangenen Jahr abgegeben wurde, gemeinsam mit dem Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK).
Für bessere Rahmenbedingungen in Kitas streitet auch seit Jahren die Gewerkschaft Verdi. Die hatte – auch schon im vergangenen Jahr – kritisiert, dass sich bei den Personalbemessungen seit Jahren nichts wirklich verändert habe, die sei im Grunde seit den 70er-Jahren unverändert, hieß es in einer Stellungnahme vor knapp einem Jahr zu Beratungen über bundesgesetzliche Änderungen. Verdi appellierte schon damals an die neue Landesregierung, für Verbesserungen der Fachkraft-Kind-Relation einzutreten.
In Sachen Beitragsfreiheit in Kitas ist das Saarland allerdings alles andere als ein Vorreiter. Andere Bundesländer haben bereits seit einigen Jahren den Weg in die Beitragsfreiheit beschritten, teilweise mit unterschiedlichen Modellen. In Berlin beispielsweise, wo es eine Beitragsfreiheit sei 2018 gibt, können Gebühren für besondere Angebote, beispielsweise zusätzliche Sportangebote, erhoben werden. In etlichen Bundesländern gilt Beitragsfreiheit ab Vollendung des dritten Lebensjahres bis Schuleintritt. In Rheinland-Pfalz gilt seit 2020 Beitragsfreiheit ab zwei Jahren.
Dass die Belastung der Eltern auch eine Rolle im Standortwettbewerb spielt, war immer wieder Thema in der politischen Diskussion. Im Wettbewerb um Fachkräfte spielt sie eine nicht unwichtige Rolle. Industrie- und Handelskammern bieten sogar Beratungen über die Gründung von Betriebskindergärten an.
Der Investitionsstau im Kita-Bereich ist jedenfalls beträchtlich. Nach Berechnungen der staatlichen Förderbank KfW, die im vergangenen November vorgelegt wurde, liegt der Investitionsstau bei über zehn Milliarden – allerdings mit regional beträchtlichen Unterschieden. Bis 2020 waren die Investitionen stetig gestiegen, inzwischen seien sie jedoch wieder rückläufig: 2022 dürften sie bei 3,2 Milliarden Euro liegen. Das entspricht rund acht Prozent der kommunalen Investitionen. Die KfW nennt als Ursachen stark gestiegene Baupreise. Hinzu kämen Planungsunsicherheiten infolge der aktuellen Krisen. So habe die Corona-Pandemie zwangsläufig zu einer Veränderung der Prioritäten geführt. Auch der russische Krieg gegen die Ukraine belaste zusätzlich, wenn beispielsweise vermehrt geflüchtete Kinder betreut werden müssen. Für die Kommunen eine Riesenherausforderung, „trotz Krisenumfeld und unsicherer finanzieller Lage ein angemessenes Angebot an Daseinsvorsorge bereitzustellen“, sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib.