Trotz der Niederlage in Hoffenheim hat Union Berlin im Kampf um die Champions League alles in eigener Hand. Ein Sieg am letzten Spieltag zu Hause gegen das bereits gerettete Werder Bremen dürfte sehr wahrscheinlich für die Sensation reichen.
Grischa Prömel bekam das Grinsen gar nicht mehr aus seinem Gesicht. Das Happy End einer ansonsten verkorksten Saison genoss der Mittelfeldspieler, der in seiner Premierensaison für die TSG Hoffenheim nicht viel zu lachen hatte. Mit seinem neuen Club kämpfte Prömel nach einem dramatischen Absturz bis zum vorletzten Spieltag gegen den Abstieg, er selbst fiel monatelang wegen einer schweren Knöchelverletzung aus. Gleichzeitig sah er aus der Ferne, wie sein Ex-Verein Union Berlin in der Europa League für Aufsehen sorgte und in die Bundesliga-Spitze vorstieß. „Ich bereue den Wechsel überhaupt nicht“, sagte Prömel dennoch: „Ich sehe es eher als Anreiz, das in Zukunft auch mit Hoffenheim zu packen.“ Neid verspüre er keinen, dafür sei seine Bindung zu Union auch viel zu groß. In seinen fünf Jahren in Köpenick stieg Prömel mit den Eisernen in die Bundesliga auf und avancierte hier spätestens in seiner Schlusssaison zum unumstrittenen Führungsspieler. Dass Union sich in der Tabelle auch ohne ihn weiter nach vorne pirschte, wurmt Prömel angeblich nicht: „Der Verein hat es verdient.“ Seine Liebe zur „Ex“ ging aber nicht so weit, dass er mit Hoffenheim den Berlinern die Punkte am vorletzten Spieltag schenken wollte. Die hatten sie selbst bitter nötig, um mit dem 4:2-Sieg den Klassenerhalt endgültig perfekt zu machen. Doch ab sofort ist Prömel wieder Union-Fan: „Ich hoffe, dass Union nächste Woche zu Hause die Bremer aus dem Stadion schießt und völlig verdient in die Champions League einzieht.“ Das sei nach dem Klassenerhalt sein „zweitgrößter Herzenswunsch“ im Saisonfinale.
„Der Verein hat das verdient“
Die Unioner würden Prömel diesen Wunsch zu gern erfüllen – allein aus Eigeninteresse. Die Champions League ist trotz der Niederlage in Hoffenheim zum Greifen nah, die Rot-Weißen haben es in der Hand: Gewinnen sie im letzten Saisonspiel zu Hause am Samstag (15.30 Uhr) in der Alten Försterei gegen Werder Bremen, dürfte das Ticket für die Königsklasse gelöst sein. Es sei denn, der SC Freiburg feiert parallel bei Eintracht Frankfurt einen um vier Tore höheren Sieg. Das Fernduell der punktgleichen Teams um den letzten Champions-League-Platz ist eine der Entscheidungen, die am 34. und letzten Spieltag der Bundesliga fällt.
Für Union ist es nichts Neues: Schon in den vergangenen Spielzeiten stand für den Club im Saisonfinale viel auf dem Spiel. Das Team kennt den Druck. „Wir werden alles versuchen, um bereit zu sein und die drei Punkte zu holen“, versprach Vize-Kapitän Rani Khedira. Verteidiger Paul Jaeckel hätte zwar den Champions-League-Einzug gern schon in Hoffenheim praktisch perfekt gemacht, doch jetzt freut er sich auf die Emotionen beim Abpfiff gegen Bremen: „Wenn das am Ende gut ausgeht, macht das sicher noch mehr Spaß, dann ist das die noch bessere Geschichte.“ Doch Jaeckel ist sich bewusst: „Wir müssen hart arbeiten, damit das ein gutes Ende nimmt.“
Spielen die Unioner so wie in der ersten Halbzeit in Hoffenheim, dürfte der Traum von der Königsklasse gegen Bremen platzen. „So wird es schwierig, ein Spiel in der Bundesliga zu gewinnen“, lautete das ernüchternde Fazit von Trainer Urs Fischer. Der Schweizer war über die Leistung der ersten 45 Minuten angefressen. Auch, weil es nicht zum ersten Mal vorkam, dass Union einen Weckruf in der Halbzeitpause benötigte. „Fußball ist ein Fehlerspiel, aber heute hatten wir zu viele Fehler. Wir haben zu viele Geschenke verteilt“, kritisierte Fischer. Die zweite Halbzeit fand er zwar „sehr gut“, aber „zwei Riesenchancen“ seien nicht genutzt worden, und den dritten Gegentreffer habe man dem Gegner „wieder selbst aufgelegt“. Ist der Druck im Saisonfinale vielleicht doch zu groß? Schließlich kann Union plötzlich etwas verlieren. Viele Spieltage standen die Köpenicker auf einem der ersten vier Plätze, die Champions League war immer dicht vor Augen. Jetzt, am letzten Spieltag noch auf einen Europa-League-Platz zurückzufallen, würde sich wie eine Niederlage anfühlen.
Ob das in Hoffenheim eine Rolle gespielt habe, wurde Fischer von einem Journalisten gefragt. „Es kann vieles sein“, antwortete dieser: „Aber eines weiß ich sicher: Den letzten Schritt zu machen, das ist das Schwierigste.“ Und dennoch wollen ihn die Unioner am Samstag unbedingt gehen, um in der kommenden Saison im Konzert der Großen gegen Topclubs wie Real Madrid, Manchester City oder den FC Liverpool mitmischen zu dürfen. „Heute sind wir hingefallen“, sagte Fischer nach der Hoffenheim-Niederlage, „jetzt gilt es, wieder aufzustehen die letzte Aufgabe anzugehen“.
Eine Fehleranalyse war deshalb unvermeidlich. Die Spieler wussten schon nach dem Abpfiff, dass sie es gegen Hoffenheim verbockt hatten. „Da war zu wenig Feuer auf dem Platz“, kritisierte Khedira sich und seine Teamkollegen. Die zweite Hälfte sei zwar „in Ordnung“ gewesen, doch das sei zu wenig gegen ein Team, das ums sportliche Überleben kämpfte und effektiv bei der Chancenverwertung war. „Selbst schuld“, meinte Khedira, „wir haben es einfach nicht gut gemacht, waren nicht konsequent genug und nicht aggressiv genug“. Und so „stellst du dir wieder ein Bein und gehst als Verlierer vom Platz“.
Endspurt gegen Werder Bremen
Kommt nun das große Stolpern? Laut Jaeckel müsse die Mannschaft wieder „ein bisschen cleverer sein“ und ihren „Tugenden treu bleiben“. Sprich: defensiv stabil stehen, aggressiv pressen, schnell umschalten. Außerdem wird der gegen Hoffenheim schmerzlich vermisste Abwehrchef Robin Knoche, den ein Infekt außer Gefecht gesetzt hatte, wohl wieder dabei sein. „Er ist ein absoluter Stammspieler, und wenn so einer nicht dabei ist, ist es schade“, meinte Fischer. Ein weiterer Vorteil könnte sein: Bremen hat sich mit dem 1:1 am vergangenen Wochenende gegen den 1. FC Köln aller Abstiegssorgen entledigt, was nicht selten zu einem Spannungsabfall führt. Außerdem setzen die Unioner auf ihre Heimstärke. „Es ist ein sehr wichtiges Spiel“, sagte der torgefährliche Innenverteidiger Danilho Doekhi: „Wir wissen, dass wir zu Hause sehr stark sind, mit den Fans im Rücken.“
Die Union-Fans hat auch Prömel in guter Erinnerung. „Man spürt bei Union so viel Zuneigung von allen Mitarbeitern und Fans, die dich Woche für Woche auf den Platz tragen“, sagte der Hoffenheimer Profi der „Berliner Zeitung“: „Das war unglaublich, wie eine kleine Liebesgeschichte.“ Die Stimmung in der Alten Försterei sei einer der Hauptgründe für die Entwicklung des einstigen Zweitligisten zu einem Europacup-Dauergast. „Der ganze Verein denkt in eine Richtung“, erklärte Prömel. Kaderplanung, Clubführung, Mannschaftsgefüge, alles habe Hand und Fuß.
Das Gegenteil ließ sich beim Stadtrivalen Hertha BSC erkennen. Die Blau-Weißen kassierten die Quittung für ihre Chaos-Jahre, die im siebten Bundesliga-Abstieg mündeten. Das sei „schade“, sagte Trainer Fischer, „weil die Derbys wegfallen. Das waren tolle Spiele.“ Vor allem, weil sie meist von Union gewonnen wurden.