Lackierte Fingernägel gelten schon seit der Antike als Schönheitssymbol. Damals kamen allerdings noch Pflanzenfarben zum Einsatz. Heute sind es chemisch hergestellte Pigmente mit teils bedenklichen Inhaltsstoffen. Hier ist längst nicht alles Gold, was glänzt.
Sie kommen in kleinen bunten Tiegeln in allerlei Farben. Mal matt, dann wieder glänzend mit vielen Versprechungen der Werbung: farbintensiv, schnelltrocknend, streifenfrei aufzutragen, deckend und natürlich lange haltbar. Nagellack ist in jeder Drogerie verfügbar und gehört deshalb auch fast in jedem Badezimmerschrank zur Grundausstattung für die regelmäßige Schönheitspflege mit dazu. Bei Preisen zwischen einem und 15 Euro ein günstiges Beauty-Helferlein. Die Farbpalette reicht von zartem Pastell über klassische Rot-Töne bis hin zu Lila, Blau und Gelb. Auch Glitzerpartikel sind gern gesehen. Der neuste Trend heißt Shellac. Der soll aussehen wie professionell manikürte Nägel, glänzen wie ein Piano und sehr lange halten. Am besten, es kommt mehr als ein Produkt zum Einsatz, denn bunte Farben brauchen Unterlack und Überlack. Auch hier haben die Hersteller ordentlich nachgelegt und stellen eine breite Auswahl zum Kauf bereit. Laut einer Umfrage der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse gaben 2022 14,03 Millionen der befragten Frauen ab einem Alter von 14 Jahren an, in der vergangenen Woche Nagellack benutzt zu haben. Eine frühere Umfrage von statista.com von 2017 bezifferte dabei die Auswahl auf elf bis 25 Stück pro Haushalt. Zusätzlich gönnen sich viele der Befragten hin und wieder eine professionelle Maniküre in einem Nagelstudio. Die sind inzwischen größeren und kleineren Städten zu finden. Was dabei die meisten Nutzerinnen und Nutzer ausblenden, ist, dass viele der Produkte bedenkliche Inhaltsstoffe enthalten, die der Gesundheit schaden können.
Shellac liegt aktuell im Trend
Dabei gibt es den Wunsch, schöne bunte Nägel zu haben schon lange. Bereits im Jahr 5500 vor Christus nutzten Männer im alten China Nagelfarbe, um damit Macht und Reichtum zu demonstrieren. Auch in Ägypten war das Bemalen der Nägel bei Männern und Frauen beliebt. Dazu wurde ein Gemisch aus Eiweiß, Bienenwachs und Pflanzenfarben, wie zum Beispiel Henna, verwendet. Nach Europa kam der Trend zu bunten Nägeln erst im 18. Jahrhundert. Auch hier nutzte ihn vorrangig der Adel, um damit seinen Wohlstand zu unterstreichen. Wer schließlich elegant gefärbte Nägel zur Schau trug, der zeigte auf diese Weise, dass er keine schwere körperliche Arbeit verrichtete. Doch so schön der Auftrag aus eingefärbten Salben und Puder auch war, er bröckelte schnell und musste ständig erneuert werden.
Abhilfe schaffte schließlich ausgerechnet die Automobilindustrie. In den 1920er-Jahren entdeckten Kosmetikhersteller, dass die Farbpigmente in Autolacken nicht nur gut deckten, sondern auch eine lange Haltbarkeit zeigten. Also erhielten sie Einzug in das kleine Glasfläschchen. Nicht zuletzt deshalb, weil große Filmstars wie Clara Bow oder Louise Brooks sich immer wieder öffentlich mit knallroten Fingernägeln zeigten, die sie passend zum gleichfarbigen Lippenstift trugen. In den 1950er-Jahren schließlich setzte ausgerechnet ein Zahnarzt einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung des Nagellacks. Sein Name war Fred Slack. Er experimentierte an einem Gemisch für Zahnkronen, um abgebrochene Fingernägel zu stabilisieren. So erfand er eher zufällig den Acrylnagel. Damit war es möglich, aus den Fingerspitzen echte Kunstwerke zu machen.
So schön die neue bunte Welt auch war, gab und gibt es weiterhin ein Problem: die Inhaltsstoffe. Sie haben dem Ruf des Kosmetikprodukts einen dermaßen erheblichen Schaden zugefügt, dass immer mehr Frauen in Deutschland bewusst darauf verzichten. Einer Umfrage von „Womens Voices for the Earth“ aus dem Jahr 2017 zufolge bekannten 54 Prozent der befragten Nagellackanwenderinnen, sich Sorgen darüber zu machen, was im Produkt enthalten ist. Ein Drittel der Befragten gab sogar zu, aufgrund der Bedenken keinen Nagellack mehr zu verwenden.
54 Prozent sorgen sich um die Inhaltstoffe
Die Ergebnisse von Öko-Test decken sich mit dieser Einschätzung. Demnach gibt es eine ganze Liste an problematischen Inhaltsstoffen. Laut Kerstin Effers von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zählen dazu „umstrittene UV-Filter wie Benzophenon-1, Etocrylen und Octocrylen.“ Phthalat-Weichmacher zumindest waren bei den Proben nicht zu finden. Sie sind verboten, da sie zu hormonellen Störungen führen können und damit die Fortpflanzung gefährden. Dafür wurden aber Ersatzweichmacher gefunden. Inwiefern diese gefährlich sind, sei nicht endgültig geklärt. Fest steht: Das Konservierungsmittel Formaldehyd ist nach wir vor häufig zu finden, obwohl es allergische Reaktionen auslösen und sogar krebserregend sein kann. „Nur“ Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel drohen durch Toluol. Das ist als Lösungsmittel ebenfalls in einigen Nagellacken enthalten, deshalb aber nicht minder umstritten. Laut Effers sind auch krebserzeugende Nitrosamine in den Produkten, „jedoch nur in geringen Mengen“. Die oben genannten Beispiele sind bloß einige, die Öko-Test finden konnte. Und die bergen nicht nur akute Gefahren für die eigene Gesundheit. Sie schaden auch der Umwelt in hohem Maße. Das bestätigt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kurz BUND. Fortpflanzungsschädigende Schadstoffe wirken sich auch auf das Gleichgewicht der Flora und Fauna aus. Nanopartikel im Nagellack dringen dabei weit in die Körper von jedweden Organismen ein. Zudem sei hier, wie so oft, das Mikroplastik ein großes Problem, denn es gelange über das Abwasser in die Natur und sei dort kaum abbaubar, lautet die Kritik vom BUND.
Inzwischen gibt es strenge Regelungen bezüglich der Unbedenklichkeit von Stoffen. Bei Permanent-Make-up und Tätowierungen greift der Staat auch hart durch, bislang allerdings nicht bei Nagellack. Doch ein Raunen geht durch die Badezimmer und Drogerie-Regale. Der Ruf ist genauso angekratzt wie die feinen Farbsplitter auf mehreren Tagen alten Nägeln. Damit er besser wird, haben einige Hersteller reagiert und ihre Produktion entsprechend umgestellt. Sie werben jetzt mit „Free“-Siegeln oder veganen Angeboten. Das Problem dabei für den Verbraucher: Es ist schwer, wirklich schadstofffreie Produkte zu erkennen. Nur weil beispielsweise ein bestimmter Zusatz fehlt, bedeutet das nicht, dass keine Schadstoffe drin sind. Vieles wird einfach neu deklariert und macht die Auflistung dadurch zum reinen Ratespiel für Laien. Außerdem ist der Nagellack damit auch noch lange nicht nachhaltig. Selbst Naturkosmetik-Label schaffen es laut BUND-Mitarbeiterin Louise Körner auf 80 bis 90 Prozent natürlicher Inhaltsstoffe. Wer unsicher ist, was im Produkt steckt, der kann die Toxfox-App nutzen, die der Naturschutzbund selbst herausgibt.
Offene Flaschen sind bis 24 Monate haltbar
Grundsätzlich gilt, die Maniküre nie in geschlossenen Räumen durchzuführen, sondern besser an der frischen Luft. Pflanzliche Nagellacke beim Kauf bevorzugen, da sie zumindest die „üblichen Verdächtigen“ unter den schädlichen Chemikalien außen vor lassen und stattdessen auf pflanzliche Inhaltsstoffe wie Harze, Öle, mineralische Pigmente und Extrakte aus Gemüse, Obst, Zellulose und Bambus setzen. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass auch natürliche Lacke nie gänzlich ohne bedenkliche Zusatzstoffe auskommen und in diesem Segment auch noch nicht alle Substanzen ausführlich erforscht wurden.
Bio-Zertifikate oder Vegan-Siegel sind ein guter Anhaltspunkt und schenken ein gutes Gefühl beim Kauf. Bekannte Naturkosmetik-Marken sind Ella + Mila, Honeybee Gardens, Zoya oder auch LVX. Gebrauchte Produkte, auch wenn diese „öko“ sind, nie in den Hausmüll entsorgen. Hierfür ist der Sondermüll da, Nagellack erfährt keine andere Behandlung als andere Farben und Lacke. Da er offen nur etwa zwölf bis 24 Monate haltbar bleibt, empfiehlt es sich, nicht zu viele Farben anzuschaffen. Der Lagerplatz sollte kühl und dunkel sein. So bleibt der Nagellack lange streichfähig und behält seine strahlende Farbkraft.