Der Zeltpalast in Merzig ist ein einzigartiger Veranstaltungsort im Saarland. Dank der Dimension sind dort Konzerte mit großen Ensembles möglich. Der Schlagzeuger Kevin Naßhan kuratiert zum dritten Mal das Big Band Festival Saar.
Herr Naßhan, das klingt etwas platt, trotzdem: Das Schlagzeug ist unüberhörbar, durchdringend laut. Ist es das, was Sie am Drumset, der Kombination verschiedener Schlaginstrumente, fasziniert?
Nicht allein die Lautstärke. Das Schlagzeug ist ein unfassbar vielseitiges Instrument. Stilistisch gesehen, ob es Klassik, Musical, Rock, Pop oder Jazz ist, fast jede Musik hat ein Schlagzeug bei sich. Und das Schlagzeug ist auch ein solistisches Instrument. Darüber hinaus, Sie sagten es schon, umfasst das Schlagzeug mehrere Instrumente, Trommeln, mehrere Becken – ein Drumset kann man auch selbstständig ergänzen. Das finde ich eben auch sehr reizvoll, dass ein Schlagzeug nicht immer exakt das gleiche ist. Man ist als Schlagzeuger immer auf der Suche nach neuen Sounds und neuen Möglichkeiten. All das zusammen macht das Schlagzeug für mich zum Instrument mit immer neuen Herausforderungen, das auch Spaß verbreitet.
Und der körperliche Einsatz? Ersetzt das Schlagzeug das Fitnessstudio?
Generell ist beim Musikmachen ein Stück weit ein sportlicher Aspekt enthalten. Beim Schlagzeug ein Tick mehr als bei anderen Instrumenten, aber als Workout betrachte ich es nicht. Dennoch sind Warmup- oder auch Technik-Übungen vielleicht vergleichbar mit sportlichen Übungen, dabei versucht man Schlagtechnik und Bewegungsabläufe zu perfektionieren. Aber ein Fitnessstudio und gute Ernährung kann das Schlagzeug nicht ersetzen.
Ein Drumset dient der rhythmischen Klangerzeugung. Hat ein Mensch grundsätzlich Rhythmusgefühl, oder, falls nein: Kann man das lernen?
Ein Rhythmusgefühl hat jeder, aber das ist unterschiedlich ausgeprägt. Man kann das lernen und üben. Das ist auch für Schlagzeuger ein großer Part des Übens. Ich übe viel mit einem Metronom, aber auch mit Aufnahmen – Trioaufnahmen ohne Schlagzeug. Das macht mehr Freude als stupide mit einem Metronom zu üben. Jeder Schlagzeuger hat Schwachstellen. Man kann zu schnell oder zu langsam sein oder werden oder bei Übergängen Tempo verlieren. Es gilt, diese Schwachstelle selbst für sich zu analysieren, um diese zu minimieren oder abzustellen.
Sie kennen Joachim Arnold, waren als Bandmitglied bei mehreren Musicalproduktionen dabei. Das Big Band Festival Saar kuratieren Sie zum dritten Mal. Wer hatte die Idee, und wie kam es dazu?
Tatsächlich war es so, dass Joachim Arnold 2019 die Idee hatte, ein Jazzfestival zu machen. Dann kam Corona. Ich hatte schon vor vielen Jahren die Idee für ein Big-Band-Festival, also hatte ich dann gefragt, so etwas zu machen. Oft ist die Location dafür ja zu klein für eine große Anzahl von Musikern oder die akustischen Bedingungen zu schwierig. Der Zeltpalast hat die Größe und die Flexibilität, um Konzerte mit der Besetzung einer Big Band zu veranstalten. In den vorigen Jahren waren die Konzerte verteilt, in diesem Jahr finden Sie en bloc, Freitag, Samstag, Sonntag, statt.
Der britische Songschreiber Paul Carrack begleitete Eric Clapton auf Tournee und war im Mai 2022 in der Berliner Waldbühne an Keyboard und Klavier in Claptons Band. Jetzt kommt er nach Merzig – mit der SWR Big Band, die soeben eine Grammy-Auszeichnung für das beste Instrumental- oder A-cappella-Arrangement erhalten hat. Ein attraktiverer Programmpunkt ist für das dritte Big Band Festival Saar kaum denkbar, oder?
Absolut! Ich bin großer Fan der Rundfunk-Big-Bands. Wir können uns in Deutschland glücklich schätzen, dass wir drei feste plus die SWR Big Band haben. Alle auf allerhöchstem Niveau, auch international, wie man an der Grammy-Auszeichnung sieht.
Sie haben das Silent Explosion Orchestra gegründet. Ich erkläre mir von der Namensgebung aus, dass man bestrebt ist, Gegensätzliches, ja womöglich sogar Unmögliches, zusammen und zu Gehör zu bringen. Was halten Sie von der Interpretation?
Das haben Sie genau richtig interpretiert. Nächstes Jahr feiern wir zehnjähriges Jubiläum. Es war von Anfang an die Idee, dass wir uns nicht als reine Swing- oder Jazz-Big-Band sehen, sondern verschiedene Stilistiken musikalisch umsetzen wollen. Unser Ziel ist, unser Publikum jedes Mal aufs Neue zu überraschen.
Das Silent Explosion Orchestra konzertiert in variabler Zusammensetzung, schöpfend aus einem Pool von 26 Musikern. Selbst der Knabenchor „Regensburger Domspatzen“ hat nach 1.047 Jahren Mädchen aufgenommen. Wie lange dauert es, bis Frauen beim Silent Explosion Orchestra spielen?
Zunächst mal ist es so, dass wir vom ersten Tag an eine feste Sängerin bei uns haben …
Ich fragte nach den Musikern.
Da zählen im Jazz gerade die Sänger mit dazu. Wir hatten auch schon bei Konzerten Frauen dabei. Leider ist es gar nicht so leicht, denn im Jazz gibt es eher wenige Frauen. An den Hochschulen wird händeringend nach Mädchen und Frauen zur Ausbildung gesucht. Es ist keine Entscheidung von uns, es ist eher so, dass die, die wir anfragen, oftmals keine Zeit haben. Frauen, die sehr aktiv im Jazzbereich tätig sind, haben oft eigene Bands oder Projekte oder sind solistisch unterwegs. Oder als Motto einer Band wird eine weibliche Besetzung gesetzt.
Das Jugend-Jazz-Orchester Saar spielt beim Big Band Festival Saar. Ich vermute mit diesem Orchester verbindet Sie etwas Besonderes …
Genau. Wir haben im Saarland eine gute Nachwuchsförderung im Bereich Jazz. Es gibt die Landesschüler-Big-Band und als Fortführung das Jugend-Jazz-Orchester. In beiden Ensembles traf man unter professionellen Bedingungen mit Gleichaltrigen und super Dozenten zusammen. Ich bin nicht sicher, ob ich ohne diese Erfahrungen Musik studiert hätte oder die Aufnahmeprüfung hätte bestehen können. Wenn man im Saarland so ein Festival macht, ist es schon auch wichtig, lokale Musiker und Bands zu präsentieren. Beim Jugend-Jazz-Orchester Saar steckt das Wort Jugend mit drin, das ist wie ein Qualitätsmerkmal. Die angehenden Profis spielen auf sehr, sehr hohem Niveau und mit wahnsinniger Freude. Sie spielen ein tolles Programm, und ich freue mich, das auf dem Festival präsentieren zu dürfen.
Sind Sie mit dem Vorverkauf zufrieden?
Für das Konzert der SWR Big Band ist es gut angelaufen. Bei den anderen beiden ist noch Luft nach oben. Nach Corona kommen die Leute noch nicht sofort wieder zurück zu den Konzerten. Wir sind noch ein junges Festival und haben noch nicht so ein Stammpublikum wie andere, die schon länger existieren. Wir hoffen, dass wir mit unserem Konzept und unseren Bands die Menschen ansprechen.