Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Lithium-Ionen-Batterien umweltschonend recyceln lassen. Taugt die Methode auch für die Praxis?
Und was ist mit den Batterien?“ Es vergeht keine Diskussion zwischen Elektroauto-Befürwortern und -Kritikern, bei der die Ökobilanz der Hochvolt-Akkus nicht irgendwann zur Sprache kommt. Ja, E-Autos sind deutlich klimafreundlicher als Verbrenner. Doch der Abbau der Rohstoffe in Afrika und Südamerika läuft alles andere als konfliktfrei ab. Immer wieder klagen Indigene, auf deren Land sich die Minen befinden, über Landraub, Luft- und Wasserverschmutzung.
Allein im vergangenen Jahr wurden nach einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) über zehn Millionen E-Autos verkauft, Tendenz stark steigend. Der weltweite Boom der Elektromobilität – für die Verkehrswende eigentlich eine gute Nachricht – verschärft die Probleme in den Abbaugebieten.
Recyclingprozess bisher suboptimal
Die naheliegende Lösung: Die Batterien, die schon da sind, nach ihrem Lebensende so gut wie möglich wiederverwerten. Zwar sind die Abfallmengen aktuell noch gering, weil viele E-Autos gerade erst auf die Straße kommen. Doch dies dürfte sich in den kommenden Jahren ändern. Der Chemiekonzern BASF baut deshalb im brandenburgischen Schwarzheide schon vorsorglich eine Recyclingfabrik, die 2024 eröffnen soll. Auch Volkswagen und Mercedes-Benz errichten Pilotanlagen. Hinzu kommen von der Autoindustrie unabhängige Recyclingfirmen, die ein künftiges Millionengeschäft wittern und ihre Kapazitäten ausbauen.
Doch die Sache hat einen Haken: Die aktuell üblichen Recycling-Verfahren stecken noch in der Erprobungsphase; sie sind aufwendig, teuer und aus ökologischer Sicht ebenfalls nicht unproblematisch. So etwa bei der Recyclingfirma Primobius in der Nähe von Siegen: Nachdem ein Mitarbeiter die Batteriemodule entkernt hat, landen sie in einem Reißwolf. Danach werden Kunststoff- und Metallteile herausgefiltert. Übrig bleibt eine sogenannte „schwarze Masse“, die die begehrten Rohstoffe enthält – also Lithium, Nickel und Kobalt. Um sie aus dieser Masse wieder herauszulösen, sind verschiedene Chemikalien nötig. Obendrein funktioniert dieser letzte und wichtigste Schritt bisher allenfalls im Labor.
Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben nun ein Verfahren entwickelt, das ohne giftige Chemikalien auskommt. In der Fachzeitschrift „Nature Communications Chemistry“ stellt das Team um Oleksandr Dolotko die neue Methode vor, mit der über 70 Prozent des Lithiums aus Batterieabfällen zurückgewonnen werden sollen. Um das zu erreichen, schreddern die Fachleute nicht nur die Batterien, sondern mahlen sie auch. Am Ende greifen sie auf Aluminium zurück, ein Element, das ohnehin in der Batterie-Kathode enthalten ist. Das Aluminium reagiert mit den zermahlenen Abfällen zu einer wasserlöslichen Lithium-Verbindung. Zuletzt wird das Gemisch in Wasser aufgelöst und erhitzt, wodurch das Wasser verdampft. Übrig bleibt ein Lithium-Salz, aus dem sich neue Lithium-Ionen-Akkus herstellen lassen.
Das KIT-Institut für Angewandte Materialien – Energiespeichersysteme (IAM-ESS) hat für das Forschungsprojekt mit dem Helmholtz-Institut Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung (HIU) und dem Energiekonzern EnBW kooperiert. „Da die mechanochemische Reaktion bei Umgebungstemperatur und -druck abläuft, ist das Verfahren besonders energieeffizient“, schwärmt das KIT in einer Pressemitteilung. Ein weiterer Vorteil liege im einfachen Ablauf, wodurch der Einsatz im industriellen Maßstab erleichtert werde. Wie so oft besteht die Herausforderung nun darin, die Labor-Ergebnisse in die Praxis zu übertragen. Hat die Idee aus Karlsruhe das Zeug dazu?
Fragt man andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit dem Batterie-Recycling beschäftigen und das Paper gelesen haben, klingt eine gewisse Skepsis durch. „Das beschriebene Verfahren ist sicherlich interessant, da es mit relativ wenig bedenklichen Chemikalien auskommt“, sagt Christoph Neef, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). Allerdings sei die Rückgewinnungsquote von 70 Prozent recht gering. In industriellen Pilotanlagen ließen sich bereits Rückgewinnungsraten von etwa 90 Prozent erzielen, wenngleich mit mehr Chemie- und Energie-Einsatz. „Ich würde das Verfahren also nicht als ‚die Lösung‘ bezeichnen“, sagt Neef. „Ein nächster Schritt wäre die Anwendung auf ‚richtige‘ Schwarzmasse, die neben dem Kathodenmaterial und der Aluminiumfolie noch viele weitere Komponenten enthält.“
Künftig strengere Recyclingquoten
Mareike Partsch, Abteilungsleiterin am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden, sieht es ähnlich. Sie spricht von einem „interessanten Ansatz“, der allerdings nur das Lithium betrachte. Andere kritische Metalle, die in der schwarzen Masse enthalten sind, müssten also zusätzlich herausgefiltert werden. Und: „Mögliche Verunreinigungen aus realen Schwarzmassen (Elektrolyt, Kupfer, Fluorid) werden nicht betrachtet“, erklärt Partsch per E-Mail. Die Reinheit des Lithiumkarbonats werde im Realbetrieb wahrscheinlich sinken. „Für Produktionsausschüsse wäre daher ein Direkt-Recycling anzustreben und kein elementspezifisches Recycling“, schlussfolgert Partsch.
Auch die Rückgewinnungsquote von maximal 76 Prozent sieht die Expertin kritisch: Sie könne zukünftig zu gering sein, wenn höhere Recyclingquoten vorgeschrieben werden. Die Europäische Union überarbeitet im Rahmen ihres „European Green Deal“ derzeit ihre Batterie-Verordnung, wodurch künftig strengere Mindest-Recyclingquoten gelten sollen.
Wie auch immer die Vorgaben am Ende ausfallen: Ein wirkungsvolles Recycling-Verfahren im industriellen Maßstab tut not, nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. Laut ADAC stecken in einem einzigen 50-Kilowatt-Akku eines Elektroautos etwa vier Kilo Lithium, elf Kilo Mangan, zwölf Kilo Kobalt, zwölf Kilo Nickel und 33 Kilo Grafit. Hinzu kommen ausrangierte Laptops, Handys und andere Elektrogeräte, in denen tonnenweise Rohstoffe stecken – ein Schatz, der ohne effektives Recycling einfach als Sondermüll endet.