Die Mandoline ist das Instrument des Jahres 2023. Das freut Andreas Lorson, Vizepräsident vom Bund für Zupf- und Volksmusik Saar (BZVS).
Herr Lorson, was dachten Sie, als Sie hörten, dass die Mandoline Instrument des Jahres wird?
Endlich! (lacht) Es kam für mich überraschend, weil ich nicht in den Entscheidungsprozess mit eingebunden war. („Das Instrument des Jahres“ ist eine Initiative der Landesmusikräte aus den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen; Anm. d. Red.) Aber ich fand es eine gute Wahl, gerade fürs Saarland, weil das Instrument hier kulturell auch seit Längerem verwurzelt ist. Ich finde so eine Auslobung wie „Instrument des Jahres“ sinnvoll, wenn es nicht bekannte Instrumente wie das Klavier werden. So rückt sie eher unbekannte Instrumente in den Fokus.
Wie kamen Sie zur Mandoline?
Über eine AG in meiner Grundschule, da war ich acht Jahre alt. Die hatte der ortsansässige Verein angeboten, damit die Kinder das Instrument kennenlernen durften. Ich komme aus Friedrichweiler bei Wadgassen. Über die AG ging es in den Einzelunterricht, dann ins Jugendorchester: eine klassische Vereinskarriere sozusagen.
Was hat Sie denn so fasziniert an der Mandoline?
Tatsächlich weiß ich das heute gar nicht mehr so genau. Ich hatte auch mal einen Durchhänger mit zehn, elf Jahren. Meine damalige Lehrerin hat mich dann dazu überredet, bei Jugend musiziert mitzumachen. Das war mit Erfolg gekrönt und ein großer Motivationsfaktor, also ging es weiter mit der Mandoline. Was mir damals am Musizieren besonders gefallen hat, war eher das Soziale. Es war ein funktionierender Verein mit vielen anderen Gleichaltrigen. Wir hatten damals im Jugendorchester 25 bis 30 Kinder. Zahlen, von denen wir heute leider nur noch träumen können.
Wenn Sie heute über die Mandoline nachdenken, was ist das Besondere daran?
Das Besondere ist immer noch der Aha-Effekt. Wenn mich jemand fragt, welches Instrument ich studiert habe, kommt erst mal so ein „Aha! Das ist ja selten“. Es ist ein Instrument, das ein bisschen besonders ist, und oft noch ein bisschen unterschätzt.
Warum ist denn die Gitarre populärer als die Mandoline?
Wenn ich gemein wäre, würde ich ja sagen, sie ist einfacher. (lacht) Gut, eine Gitarre als Instrument kriegt jedes Kind von Beginn an mit. In jeder Band gibt es eine. Es gibt sehr viele Übungsvideos online, das Instrument ist sehr vielfältig. Die Akkordgitarre zum Liederbegleiten, die kann man schnell und erfolgreich lernen.
Das ist bei der Mandoline nicht so. Als Akkordinstrument ist die Mandoline eher beim Bluegrass (amerikanische Volksmusikrichtung, Country-Musik; Anm. d. Red.) unterwegs. In den USA wird sie viel häufiger genutzt. Im Bluegrass-Bereich ist es sogar andersrum, jeder kennt sie.
Inwiefern ist die Mandoline im Saarland kulturell verwurzelt?
Wenn wir ein bisschen zurückschauen, so vor 120 Jahren mit den Sänger- und Arbeiterbewegungen, da war Mandoline das Wanderinstrument schlechthin. Klein und leicht zu transportieren. Sie konnte die Melodie spielen, aber auch akkordisch begleiten, da haben sich viele Wandervereine gegründet. Sie haben heute noch Namen wie „Wander- und Mandolinenclub“ beispielsweise. Die kommen jetzt alle ins hundertjährige Bestehen hinein, Saarhölzbach ist da ein gutes Beispiel. Oder Illingen. Über die Arbeiterbewegung kam die Mandoline in die Bevölkerung rein. Im Saarland als klassischem Arbeiterland hat das eine große Rolle gespielt.
Wie war das nach dem Zweiten Weltkrieg?
Über den Zweiten Weltkrieg konnte sich das Instrument noch retten. Die Verwurzelung aus den 20er-Jahren hat in den 50er-Jahren noch mal die Vereinslandschaft für Zupforchester aufleben lassen. Da hat sich dann auch der Verband gegründet. Ab 1950 lässt sich noch mal sehr breite Vereinstätigkeit erkennen. Das Saarland war darin absoluter Vorreiter. Das Bundesgebiet hat es sich vom Saarland dann abgeschaut. 1953 wurde der BZVS gegründet. Damals mit einem unglaublichen Aufwand und unglaublichem Erfolg, wir hatten damals zigtausend Spielerinnen und Spieler im Verband, die Mandoline oder Gitarre gespielt haben.
Gab es auch andere Instrumente im Verband?
Früher war es mal noch die Zither, die fiel relativ schnell raus. Aber ansonsten gab es nur Mandoline und Gitarre.
In welchem prozentualen Verhältnis etwa?
70 zu 30 für die Mandoline.
Wann hat sich das denn geändert?
Das kann ich schwer sagen. Das hat sich über die Jahrzehnte hinweg so entwickelt. Es hat eine unheimliche Professionalisierung stattgefunden. Die Orchester der damaligen Zeit haben auf einem ganz anderen Niveau Musik gemacht als heute. Noten lesen war da manchmal vorhanden, manchmal auch nicht. Wir reden hier nicht von einer etablierten Kulturszene, sondern von Dorfkultur, Dorfleben. Mit dem wachsenden Anspruch und Popmusik als Rollenmodell hat die Gitarre einfach an Popularität gewonnen. Gleichzeitig ging die Zahl der Lehrkräfte für Mandoline stark zurück. Erst der BZVS konnte wieder professionell ausgebildete Lehrkräfte für das Saarland gewinnen und so einen Grundstein für eine zeitgemäße Ausbildung an der Mandoline legen. Dennoch waren die Zahlen so gering, dass keine flächendeckende Ausbildung mehr wie früher möglich war. Bei Gitarre war das einfach anders.
Es gibt ja ganz unterschiedliche Mandolinen: Welches sind die populärsten Bauweisen?
Das eine ist die neapolitanische mit einer runden Bauform. Dann gibt es im Bluegrass die Flachbauch-Mandolinen mit F-Löchern. Die können auch elektrisch verstärkt sein. Alle haben acht Saiten, je zwei Saiten haben den gleichen Ton. Das ist aus der Geschichte der Laute noch hängen geblieben. Früher, als die Saiten noch aus Naturdarm waren, hat man mehr Lautstärke gebraucht. Die meisten Spieltechniken sind auch auf zwei Saiten ausgelegt.
Wie viele Mitglieder hat der BVZS?
Etwa 4.000. Aktiv sind etwa 800. Bei Versammlungen brauchen wir aber keine große Halle. Es spielen zwar viele Menschen ein Zupfinstrument, aber die Verbandsarbeit läuft so gut im Hintergrund, dass wir die Strukturen ohne große Versammlungen und ohne angestaubtes Vereinsleben durchführen können. Wir gehen da einen etwas pragmatischen und zeitgemäßeren Weg.
Sie haben die Volksmusik im Namen – pflegen Sie die auch?
Die älteren Vereine auf jeden Fall. Wir haben ein paar Vereine, deren Mitglieder im Durchschnitt um die 70 sind. Die pflegen die Volksmusik eher. In unserer Verbandskultur spielte sie eine starke Rolle, sie geht aber immer mehr zurück.
Man kann sich ja auch dem jugendlicheren Geschmack anpassen …
Die Orchester, die nicht den Altersschnitt 70 haben, versuchen das auch. Die fahren da einen ganz erfolgreichen Weg, und nicht nur mit Popmusik. Der Bund deutscher Zupfmusiker ist sehr aktiv, es gibt da eine rege Komponistenschaft, die viele Originalkompositionen liefert. Die würde man vielleicht mehr als ernste oder klassische Musik verorten, aber das ist zeitgemäß komponiert, manchmal auch schräg.
Sie geben Musikunterricht in Neunkirchen am Gymnasium am Steinwald. Setzen Sie die Mandoline im Unterricht ein?
Manchmal schon. Zum Beispiel in der Oberstufe, wenn Vivaldi drankommt. Vivaldi hat für Mandoline im Original komponiert, was eher selten ist. Ansonsten will ich meinen Schülern auch das Instrument einfach mal zeigen.