Die beiden Berliner Moritz und Franz Wagner werden auch in der kommenden Saison gemeinsam im NBA-Club Orlando Magic spielen. Der ältere Bruder verlängert seinen Vertrag, der jüngere hat aber wohl die größere Zukunft vor sich.
Moritz ist für Franz nicht nur ein Bruder. „Er ist mein Vorbild“, sagte der fünf Jahre jüngere über den anderen Wagner: „Ich wollte schon immer machen, was er gemacht hat.“ Und so weisen die Karriere-Schritte der Wagner-Brüder erstaunliche Parallelen auf: Beide durchliefen bei Alba Berlin die Nachwuchsausbildung und absolvierten hier ihre ersten Schritte als Profis, beide wagten als Teenager den Sprung nach Nordamerika und verdienten sich dort ihre Basketball-Meriten. Zuerst in der College-Mannschaft der Michigan Wolverines, dann in der großen NBA.
Nur eben alles zeitversetzt. Seit 2021 spielen die gebürtigen Berliner gemeinsam in einem Team in der nordamerikanischen Profiliga – und das werden sie auch künftig tun: Wie der US-Fernsehsender ESPN unter Berufung auf Wagners Agenten Jason Glushon berichtete, hat Moritz Wagner seinen auslaufenden Vertrag bei Orlando Magic um zwei Jahre verlängert.
Nicht nur Bruder, sondern auch Vorbild
Das neue Arbeitspapier beinhaltet eine kräftige Gehaltserhöhung für den „Big Man“, der mit seiner Körpergröße von 2,11 Meter sowohl auf der Center-Position als auch als Power Forward eingesetzt werden kann. Sein ursprüngliches Jahresgehalt von knapp 1,9 Millionen US-Dollar, das für einen Spieler mit dreijähriger NBA-Erfahrung als garantiertes Minimum gilt, soll sich vervierfachen. Ein Lohn für die guten Leistungen in der Vorsaison: In 57 Spielen kam er auf einen durchschnittlichen Spieleinsatz von 19,5 Minuten, in denen ihm im Schnitt beachtliche 10,5 Punkte gelangen. Auch bei den Rebounds (4,5) und Assists (1,5) zeigte sich, dass Moritz Wagner ein effektiver Spieler von der Bank bei Magic ist. So einen Profi, der zudem öffentlich keine Ansprüche auf mehr stellt, hat jeder Trainer gern in seiner Mannschaft. Und da sein Bruder Franz ein zentraler Baustein für eine bessere Zukunft im Club ist, ist die Vertragsverlängerung nur logisch.
Franz Wagner besitzt bei Magic noch einen Vertrag, nachdem ihn Orlando beim NBA-Draft vor zwei Jahren an achter Stelle gezogen hatte. Deutschlands erstes NBA-Brüderpaar geht also weiterhin gemeinsam auf Körbejagd, was beide sehr zu schätzen wissen. „Ich und mein Bruder haben eine sehr, sehr enge Beziehung“, sagte Moritz Wagner, der die aktuelle Konstellation „speziell und einzigartig“ nennt. Dass er in der besten Basketballliga der Welt im Schatten seines jüngeren Bruders steht, macht dem 26-Jährigen offenbar überhaupt nichts aus: „Ich freue mich für Franz, bewerte aber ehrlich gesagt nicht, wie er spielt. Da ist die persönliche Beziehung viel größer als die professionelle.“ Das Gefühl von Neid gehe ihm in Bezug auf Franz komplett ab: „Ich genieße es einfach, ihm zuzuschauen.“ Den Stolz eines großen Bruders will er gar nicht leugnen. Es sei „sehr, sehr schön zu sehen, mit welcher Freude und wie viel Arbeit“ Franz als Basketballprofi agiere, sagte Moritz.
Nicht nur er denkt so. Orlandos Chefcoach Jamahl Mosley ist ein Riesenfan des Small Forward, der mit einem begnadeten Talent gesegnet ist. Werfen können viele, die meisten können sich auch athletisch in Topform bringen. Doch der Deutsche habe eine besondere Gabe. „Er hat einen hohen Basketball-IQ“, sagte Mosley über Franz Wagner, der sich in seiner Rookie-Saison schnell einen festen Platz in der Startformation erkämpfen konnte. In der abgelaufenen Saison, in der das Team erst spät auf Touren kam und die Playoffs daher verpasste, konnte er sich beim wichtigsten Statistik-Wert nochmals steigern: Im Schnitt 18,5 Punkte gelangen ihm bei einer Spielzeit von mehr als 32 Minuten. Das sind bessere Werte, als sie ein gewisser Dirk Nowitzki in seinem zweiten NBA-Jahr hatte.
„Der Beste seit Nowitzki“ – so betitelte die „Zeit“ schon im Vorjahr einen Artikel über das Ausnahmetalent Franz Wagner, der bei der Heim-EM maßgeblichen Anteil an der Bronzemedaille hatte. Sein Spiel ist nicht geprägt von einer Stärke oder einem ganz besonderen Move. Seine größte Stärke ist, dass er kaum Schwächen hat. Wagner kann von der Dreipunktelinie genauso gut punkten wie von der Freiwurflinie, er kann mit einem spektakulären Dunk glänzen und ebenso hart verteidigen. Franz Wagner scheint instinktiv genau zu wissen, was in einer Situation das Richtige ist. Diese mentale Stärke war schon im Jugendalter zu erkennen. „Er war schon immer einer, der sehr fokussiert war, sehr konzentriert und sehr klar“, sagte sein ehemaliger Jugendtrainer bei Alba, Marius Huth. Franz Wagner sei „immer schon im Kopf einen Schritt schneller als alle um ihn herum“ gewesen.
Und das setzt sich in der NBA, im Kräftemessen der besten Basketballer der Welt, fort. „Was Franz macht, für sein zweites Jahr, das ist schon unglaublich“, schwärmte auch Nationalmannschaftskollege Dennis Schröder, der in diesem Sommer von den Los Angeles Lakers zu den Toronto Raptors gewechselt ist: „Er wird jedes Mal besser.“ Franz Wagner wird beim Team aus Florida immer mehr Verantwortung übertragen, er übernimmt oft die Rolle des Chefs auf dem Parkett. „Ich versuche, ihn so oft es geht in verschiedene Situationen zu werfen“, sagte Coach Mosley, „damit er das Spiel lesen kann. Seine Mitspieler lieben ihn, sie stehen gern mit ihm auf dem Feld, weil er immer das richtige Play macht. Er wächst mit seinen Aufgaben und lernt jedes Spiel etwas dazu.“
Lob auch von Dennis Schröder
Basketball-Bundestrainer Gordon Herbert hält Franz Wagner für einen „aufstrebenden und sehr talentierten Spieler“. Der Kanadier plant ihn und Bruder Moritz fest für die Weltmeisterschaft vom 25. August bis zum 10. September auf den Philippinen, in Japan und in Indonesien ein. Die gebürtigen Berliner wollen beim Kampf um eine WM-Medaille unbedingt dabei sein, auch wenn sie dafür ihren Sommerurlaub verkürzen müssen und ihre Vorbereitung auf die neue NBA-Saison womöglich etwas leiden könnte. Er wäre „sehr gern dabei“, sagte Franz, und auch Moritz hat „da Bock drauf“.
Der ältere der Wagner-Brüder hatte die erfolgreiche Heim-EM wegen einer Verletzung verpasst, umso größer ist seine WM-Motivation. Das Team habe gezeigt, dass es „sehr wettbewerbsfähig“ sei. Deswegen fliege man nach Asien, „um zu gewinnen“. Ähnlich selbstbewusst klingt Franz, dessen Ziel es ist, „jedes Spiel“ zu gewinnen. „Aber es hängt ja auch davon ab, wer dabei ist“, schränkte er ein: „Was ich sagen kann: Alle haben, glaube ich, Bock wieder und es hat richtig Spaß gemacht letztes Jahr.“
Nach der WM steigen die Wagners in die Vorbereitung von Orlando Magic ein. Das Ziel Playoff-Teilnahme soll diesmal unbedingt erreicht werden. Doch die beiden deutschen Profis wollen auch den Spaß bei der Sache nicht verlieren. Zu wertvoll ist ihnen die besondere Tatsache, als Brüder gemeinsam in einem Team in der besten Basketballliga der Welt auflaufen zu dürfen. Und sich zur Not gegenseitig beschützen. Als Franz beim Spiel in der Vorsaison gegen die Detroit Pistons im Zentrum einer heftigen Auseinandersetzung stand, war ihm Moritz von der Bank aus zu Hilfe geeilt. Das ist in der NBA verboten, es gab für ihn ein Spiel Sperre. Franz musste gar zwei Partien zuschauen. Doch der Bruder-Instinkt lässt sich auch in der NBA nicht einfach so ausschalten.